Medical Tribune
16. Juni 2023Die systemische Sklerose kennt fast keine Grenzen

Organmanifestationen bei SSc frühzeitig aufspüren

Entscheidend für die erfolgreiche Behandlung einer systemischen Sklerose ist nicht nur die frühe Diagnose. Um die Mortalität der komplexen Erkrankung zu senken, gilt es vor allem, die drohenden Organbeteiligungen frühzeitig aufzuspüren.

Hautveränderungen bei systemischer Sklerose
wikimedia commons

Die systemische Sklerose (SSc) hat nicht nur eine Vielzahl klinischer Auswirkungen, die die Betroffenen körperlich und in ihrer Lebensqualität erheblich belasten. Sie weist darüber hinaus unter allen rheumatischen Erkrankungen die höchste Sterblichkeitsrate auf.

Die frühe Diagnose der systemischen Sklerose gilt deshalb als essenziell, schreibt ein internationales Rheumatologen-Team in ihrem neuen Übersichtsartikel in The Lancet (1).

Erstes Anzeichen Raynaud-Syndrom

Aufgrund des heterogenen Krankheitsbildes ist das aber kein leichtes Unterfangen. Zu den ersten Anzeichen gehören bekanntermassen das Raynaud-Syndrom und Fatigue. Beide können jedoch mehrere alternative Ursachen haben.

Ob ein Patient mit Raynaud-Phänomen eine systemische Sklerose entwickelt, lässt sich Untersuchungen zufolge zu einem gewissen Grad vorhersagen. So leiden Patienten mit zusätzlichen sklerodermietypischen Befunden in der Nagelfalz-Kapillarmikroskopie plus spezifischen SSc-Antikörpern nach fünf Jahren zu 65,9 Prozent und nach zehn Jahren zu 72,7 Prozent an einer definitiven SSc.

Beim Vorliegen von Raynaud-Symptomatik, positiven SSc-Antikörpern und geschwollenen Fingern waren nach fünf Jahren 94 Prozent an einer systemischen Sklerose erkrankt. Raynaud-Betroffene mit normaler Kapillarmikroskopie ohne SSc-Antikörper litten nach fünf Jahren hingegen nur zu 1,3 Prozent an einer SSc.

Autoantikörper geben Aufschluss über die SSc

Bei der Diagnose sowie zur Einschätzung der Progression und des Risikos für Organbeteiligungen helfen also Autoantikörper. Bis zu 95 Prozent der Erkrankten sind ANA-positiv, je nach Manifestation zeigen sich vermehrt einzelne spezifischere Anti­körper (s. Tabelle).

Spezifische Antikörper bei systemischer Sklerose

Zielstruktur der AntikörperKlinisches Korrelat
Centromer (ACA)pulmonale Hypertonie
Scl-70progressive ILD
RNA-Polymerase 3 (RNAP III)renale Krise, Malignität
U1-RibonukleoproteinMischkollagenose
PM-SclMyositis

Eine kleine Subgruppe der Betroffenen weist zwar positive antinukleäre, jedoch keine SSc-spezifischen Antikörper auf. Diesen Patienten drohen eine besonders schnelle Krankheitsprogression und eine damit verbundene höhere Mortalität.

Neben den Antikörpern tragen weitere Biomarker zur Krankheitseinschätzung bei:

  • CRP: Hohe Werte sind mit einem erhöhten Risiko für fortschreitende Fibrose, pulmonale Hypertonie und Mortalität assoziiert.
  • Interleukin-6, Krebs-von-den-Lungen-6 and Chemokin-Ligand-18: Hohe Spiegel deuten auf eine interstitielle Lungenerkrankung (ILD) und einen schweren Krankheitsverlauf hin.
  • NTproBNP: Dieses Peptid fungiert als Marker für eine frühe pulmonalen Hypertonie.

Weil SSc-Patienten ein erhöhtes Malignomrisiko aufweisen, sollten sie alle altersentsprechenden Vorsorgeuntersuchungen wahrnehmen. Ein Risikofaktor ist das Vorhandensein von RNA-Polymerase-3-Antikörpern (Anti-RNAP-III). Anti-RNAP-III-positive Patienten sind unabhängig vom Alter auf Malignome zu screenen.

Zukünftig könnte auch die RNA-Sequenzierung an Bedeutung gewinnen. Beispielsweise wurde in einer Studie nachgewiesen, dass bestimmte Transkript-Modulscores das Ansprechen von SSc-Patienten mit interstitieller Lungenerkrankung (ILD) auf eine Behandlung mit Mycophenolat vorhersagen.

Organmanifestationen im Detail

Haut

Bei der klinischen Beurteilung fällt naturgemäss zunächst die Haut ins Auge. Die kutanen Veränderungen beginnen distal an den Fingern beider Hände und breiten sich nach proximal aus. Es kommt im Verlauf zu Ulzera, Hautverdickungen, Schwellungen, Sklerodaktylie, Kontrakturen und Hautatrophie. Zum Nachweis einer Progression wird meist der modifizierte Rodnan Skin Score (mRSS) herangezogen.

Hautveränderungen bei systemischer Sklerose
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Akrosklerotische Nekrose des Fingers bei systemischer Sklerose

Alternativ lässt sich die Hautfibrose über Ultraschall und Durometrie oder zukünftig evtl. der Kombination aus optischer Kohärenzelastografie und optischer Kohärenztomografie bewerten. Aber auch wenn die allermeisten SSc-Patienten Hautveränderungen aufweisen: Nicht vergessen darf man die kleine Untergruppe von weniger als fünf Prozent der Sklerodermiepatienten, die keine Hautfibrosen entwickeln und definitionsgemäss an einer Sklerose ohne Sklerodermie leiden.

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