Medical Tribune
29. Aug. 2024Was können personalisierte Therapiestrategien bei therapierefraktären Patienten?

Epilepsie: Von Chirurgie bis Stimulationsverfahren

Versagen medikamentöse Therapien bei Epilepsie, können neue personalisierte Therapieoptionen zum Zug kommen. Dazu gehören die Epilepsiechirurgie, sowie Stimulationsverfahren wie die Vagusnervenstimulation oder tiefe Hirnstimulation.

Für manche therapierefraktären Epilepsie-Patienten stehen chirurgische und Neurostimulationsverfahren zur Verfügung.
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Nachdem Mitte des 19. Jahrhunderts die ersten anfallssupprimierenden Medikamente (ASM) auf den Markt kamen, folgte eine rasche Weiterentwicklung und seit 1980 sind ASM der dritten Generation verfügbar, sagt PD Dr. Lukas Imbach, Medizinischer Direktor, Schweizerisches Epilepsiezentrum, Klinik Lengg, im Rahmen der Jahrestagung der Schweizerischen Gesellschaft für Neurologie 2024.

Trotz der grossen Bandbreite pharmakologischer Wirkprinzipien erweisen sich aber 30 Prozent aller Epilepsien als therapierefraktär, erklärt der Experte. Für solche Problemfälle kommen personalisierte Therapiestrategien infrage. Dabei stehen Identifizierung und das Ausschalten epileptogener Areale im Vordergrund.

Was die Epilepsiechirurgie leisten kann

Die Daten der Zürcher Epilepsie-Kohorte (n = 302, seit 2003) überzeugen mit vielversprechenden chirurgischen Resultaten bei Patienten mit fokaler Epilepsie:

  • 62,5 % sind postoperativ vollständig anfallsfrei
  • bei 29,5 % gelang eine Reduktion der Anfallshäufigkeit um mindestens 75 %, oder es waren lediglich noch einfach fokale Anfälle (Auren) vorhanden.

Die grosse Herausforderung sieht PD Dr. Imbach in der präoperativen Patientenselektion und Abklärung, die gemäss etablierter Algorithmen erfolgen muss. Wenn ein chirurgischer Eingriff mit kurativer Intention nicht möglich ist, sollte man weitere Verfahren wie die Vagusnervenstimulation oder die tiefe Hirnstimulation (Deep Brain Stimulation, DBS) im anterioren Thalamus in Betracht ziehen.

Tiefe Hirnstimulation – eine Option bei Epilepsie?

Die SANTE-Zulassungsstudie lieferte erste kontrollierte Daten zur Behandlung der fokalen Epilepsie mit DBS im anterioren Thalamus, erklärt der Experte (1). In die randomisierte kontrollierte SANTE-Studie wurden 110 Patienten eingeschlossen, und am europäischen, prospektiven, nichtrandomisierten MORE-Register beteiligten sich 170 Patienten, die sich einem solchen Eingriff unterzogen hatten.

Die MORE-Registerdaten bestätigen dabei die sichere und effektive Anwendung der tiefen Hirnstimulation im anterioren Thalamus bei pharmakoresistenter Epilepsie im klinischen Alltag, so das Fazit von PD Dr. Imbach. Die Anfallshäufigkeit konnte nach zwei Jahren um 33 Prozent reduziert werden vs. 56 Prozent Reduktion in der SANTE-Studie. Unterschiedliche Implantationsverfahren und nicht vergleichbare Patientenkollektive bieten sich als Erklärung für die unterschiedlichen Resultate an.

Weitere symptomorientierte Verfahren werden aktuell in Studien geprüft, um ihren potenziellen Stellenwert im klinischen Alltag zu eruieren.