SGBCC-Konsensus: Neues zu frühem Brustkrebs und Radiatio
Ziel der zweijährlich stattfindenden St. Gallen-Brustkrebs-Konsensuskonferenz ist es, die Behandlung des frühen Mammakarzinoms weltweit für den klinischen Alltag zu standardisieren. In diesem Jahr fokussierte man sich besonders auf praxisorientierte Fragestellungen und die Notwendigkeit, Therapieentscheidungen risikoadaptiert zu treffen.
Der SGBCC-Konsensus basiert auf den Abstimmungsvoten eines international zusammengesetzten Panels unterschiedlicher Fachdisziplinen. Das diesjährige Gremium bestand aus 71 Brustkrebsexpertinnen und -experten aus 27 Ländern. Mit Professor Dr. Stefan Aebi, Luzerner Kantonsspital, Professor Dr. Jens Huober, Kantonsspital St. Gallen, Professor Dr. Beat Thuerlimann, Swiss Breast Care Zürich, und Professor Dr. Walter Weber, Universitätsspital Basel, gab es vier Vertreter aus der Schweiz.
SGBCC-Votum für die hypofraktionierte Radiatio
Das SGBCC-Panel bestätigte die moderat hypofraktionierte Bestrahlung als Standardverfahren. Ein klares Votum zugunsten der moderat hypofraktionierten Bestrahlung (15–16 Fraktionen über drei Wochen) gab es gegenüber der konventionellen Fraktionierung. Das gilt sowohl für brusterhaltend operierte Patientinnen mit duktalem Carcinoma in situ (DCIS) und niedrigem Risiko als auch für die adjuvante Radiatio von Patientinnen mit einem frühen invasiven Mammakarzinom. Die ultra-hypofraktionierte Bestrahlung mit fünf Fraktionen in einer Woche konnte sich nicht durchsetzen.
Eine Indikation zur Boost-Bestrahlung auf das primäre Tumorbett eines frühen invasiven Mammakarzinoms besteht, wenn prognostisch ungünstige Faktoren vorliegen. Dazu gehört etwa ein G3-Tumor, ein ausgedehnter intraduktaler Anteil oder ein prognostisch ungünstiger Subtyp wie das triple-negative oder HER2+ Mammakarzinom, sowie junges Alter (< 50 Jahre).
Keine Einigung erzielte das Gremium, ob nach brusterhaltender Operation und pathologischer Komplettremission (pCR) nach neoadjuvanter Systemtherapie auf die Boost-Bestrahlung verzichtet werden kann.
Ist die Axilla nach neoadjuvanter Systemtherapie nicht tumorfrei, stellt sich u.a. die Frage, wie die Patientinnen lokoregional weiterbehandelt werden. Bei TNBC und Tumorrest in der Axilla (Makrometastase in 1/3 Sentinel-Lymphknoten [SLN]) nach anthrazyklin-/taxanbasierter neoadjuvanter Systemtherapie empfiehlt eine einfache Mehrheit der Panelmitglieder eine komplettierende axilläre Lymphknoten-Dissektion (ALND).
Medikamentös ist heute deutlich mehr möglich
Die medikamentösen Möglichkeiten haben sich beim frühen Mammakarzinom mit der Immuntherapie, den PARP-Inhibitoren und den CDK4/6-Inhibitoren deutlich erweitert. Das SGBCC-Panel bestätigt mit klarem Mehrheitsvotum, dass sich beim HR+/HER2- frühen Mammakarzinom die Entscheidung, Patientinnen adjuvant zusätzlich zur endokrinen Therapie mit Abemaciclib zu behandeln, zulassungskonform am Tumorstadium und der Histologie orientieren sollte und nicht an der Ki67-Expression.
Endokrine Therapie als Therapie der Wahl bei hormonsensitivem frühem invasivem Brustkrebs
Die Therapie der Wahl beim hormonsensitiven frühen invasiven Brustkrebs ist die endokrine Therapie. Bei hohem Rückfallrisiko kann jedoch eine zusätzliche Chemotherapie-Indikation bestehen. Fraglich ist der Chemotherapie-Nutzen bei Betroffenen mit bis zu drei befallenen Lymphknoten und genomisch intermediärem Risiko.
Das Gremium empfiehlt präoperativ eine kurze endokrine Therapie über zwei bis vier Wochen, um das endokrine Ansprechen anhand des Ki67-Abfalls (sog. dynamisches Ki67) zu prüfen und jene Personen zu identifizieren, die auf eine endokrine Therapie adäquat ansprechen und keine zusätzliche Chemo benötigen. Über 60 Prozent der Panelmitglieder sprechen sich dafür aus, das endokrine Ansprechen als zusätzliche Information zu nutzen.
Neoadjuvanter Einsatz von Carboplatin gehört zum Standard beim frühen TNBC
Über Jahre diskutierte man den neoadjuvanten Einsatz von Carboplatin beim frühen TNBC. Mittlerweile ist Carboplatin in Kombination mit Taxanen und Anthrazyklinen – unabhängig vom zusätzlichen Einsatz des Checkpoint-Inhibitors Pembrolizumab – integraler Bestandteil der neoadjuvanten Chemotherapie beim frühen TNBC.
Das SGBCC-Panel bestätigt dies jeweils mit einem klaren Mehrheitsvotum. Das Gremium weist zudem darauf hin, dass die Indikation einer platinbasierten Chemotherapie beim frühen TNBC unabhängig vom Nachweis einer Keimbahn-BRCA1/2-Mutation ist.
Eine intensive Diskussion gab es darüber, ob das AC-Regime (Doxorubicin/Cyclophosphamid), das in der Pembrolizumab-Zulassungsstudie Keynote-522 dreiwöchentlich gegeben wurde, auch dosisdicht (alle zwei Wochen) eingesetzt werden kann. Knapp 40 Prozent der Panelmitglieder sind aufgrund der fehlenden Daten unsicher. Knapp 30 Prozent sprechen sich dafür aus.
Bezüglich der adjuvanten Weiterbehandlung mit Pembrolizumab empfehlen sie dagegen mehrheitlich auch bei Patientinnen mit pCR nicht auf die Fortsetzung des Checkpoint-Inhibitors zu verzichten.
Kombination aus PARP-und PD1-Hemmer als Option
Mit der PARP-Inhibition steht eine weitere wichtige Therapieoption beim frühen invasiven Mammakarzinom und Nachweis einer gBRCA1/2-Mutation zur Verfügung. Weist eine gBRCA1-mutierte Patientin mit frühem TNBC, die neoadjuvant mit Pembrolizumab und Chemotherapie behandelt wurde (entsprechend Keynote-522) postoperativ noch einen Tumorrest auf (non-pCR), ist laut SGBCC-Panel die postneoadjuvante Weiterbehandlung mit Pembrolizumab und Olaparib eine Option.
Zwar gibt es bislang keine Wirksamkeitsdaten für die Gabe beider Substanzen. Dennoch befürworteten die Panelmitglieder dies mehrheitlich aufgrund des hohen Risikos. Zudem zeigen Sicherheitsdaten, dass die kombinierte Gabe unter Sicherheitsaspekten möglich ist. Knapp ein Viertel der Experten würde beide Substanzen in Sequenz geben.
Analog dazu empfiehlt eine einfache Mehrheit bei einer gBRCA2-mutierten Patientin mit einem ER+/HER2- invasiven Mammakarzinom im Stadium III – ebenfalls einer Hochrisiko-Situation – nach (neo)adjuvanter dosisdichter Chemotherapie (z.B. AC/Paclitaxel) adjuvant zusätzlich zur endokrinen Standardtherapie Olaparib und Abemaciclib in Sequenz zu geben. Knapp 38 Prozent würden zusätzlich zur endokrinen Therapie nur Olaparib einsetzen.
18th St. Gallen International Breast Cancer Conference