Medical Tribune
12. Dez. 2022Neue Bewertung des kardiovaskulären Risikos im Alter

Wann braucht es eine Lipidsenkung bei Senioren?

Sollte man einem koronargesunden 70-Jährigen ein Statin verordnen, nur weil sein LDL bei 4,4 mmol/l liegt? Der neue Risikorechner SCORE2-OP erleichtert die Entscheidung.

Ein neuer Score hilft bei der Entscheidung, ob bei älteren Menschen eine Lipidsenkung angebracht ist.
LightFieldStudios/gettyimages

Bei älteren Menschen kommt es besonders darauf an, eine Übertherapie zu vermeiden, ohne ihnen indizierte Primär- und Sekundärprävention vorzuenthalten, betont Professor Dr. ­Konstantinos ­Toutouzas von der Universität Athen.*

Dazu gehört auch, die Therapie weder vorschnell abzubrechen noch sie fortzuführen, wenn die Nutzen-Risiko-Balance ins Negative rutscht.

Nebenwirkungen berücksichtigen

Im Falle der LDL-Senkung sind neurokognitive Pro­bleme zu berücksichtigen, die unter Statinen, nicht aber unter PCSK9-Inhibitoren beobachtet worden sind. Dagegen steht der kardiovaskuläre Benefit, der bei den meisten Patienten deutlich stärker ins Gewicht fallen dürfte, so Prof. ­Toutouzas.

Hochrisikopatienten benötigen der ESC zufolge ein aktives Management aller Risikofaktoren. Das betrifft etwa Menschen mit etablierter kardiovaskulärer Erkrankung, Dia­betes oder fortgeschrittener Niereninsuffizienz. Senioren fallen fast immer in die Hochrisikokategorie – allein deshalb, weil fortgeschrittenes Alter den Risikoscore drastisch erhöht.

Klassische Faktoren wie der Cholesterinspiegel fallen da kaum noch ins Gewicht. Prof. Toutouzas bezweifelt allerdings, dass diese Rechnung stimmt: Der Nutzen des Risiko­managements werde bei Älteren sys­tematisch überschätzt. Grund dafür seien ihre geringere Lebenserwartung, das erhöhte Risiko für andere, nichtkardiovaskuläre Todesursachen sowie eine schlechtere Verträglichkeit von Arzneimitteln, die sich u.a. in einer höheren Rate an Nebenwirkungen und einer stärkeren Einschränkung der Lebensqualität äussert.

Je nach Alter verschiedene Risikoschwellen

Mit SCORE2-OP1 (Older People), den es auch als Online-Rechner gibt, versucht die ESC, diese Schwäche zu beseitigen (1). Der Kalkulator gilt für über 70-Jährige und kommt zu einem deutlich moderateren Risiko, als wenn man SCORE2 einfach fortschreibt.

Um den Inhalt zu sehen, müssen Sie sich einloggen oder registrieren.