Wie die Schweiz gegen die Verarmung alter und kranker Menschen vorgeht
Ergänzungsleistungen, Hilflosenentschädigung, Betreuungsgutschriften, Assistenzbeiträge – das sind nur einige Möglichkeiten, wie der Staat komplexe Alterspatienten unterstützen kann. Ein Experte erklärt, auf welche Leistungen hilfsbedürftige Menschen hierzulande ein Anrecht haben.
«Jesses, wie schaffe ich das nur finanziell? Jetzt werde ich verarmen.» So oder ähnlich fällt häufig die erste Reaktion von Patienten aus, wenn sie die Diagnose Alzheimer-Demenz gestellt bekommen. «Tatsächlich bestehen jedoch einige staatliche Hilfsangebote», sagte Dr. Irene Bopp, ehemalige Leitende Ärztin der Memory Clinic am Stadtspital Waid in Zürich, am Forum für medizinische Fortbildung Innere Medizin Update Refresher (1). Die Geriaterin gab deshalb nachfolgend gleich dem Betriebsökonomen und Sozialversicherungsexperten Christoph Isch das Wort.
Zustupf zu Lebens- und Krankheitskosten
Eine wichtige Einrichtung sind die Ergänzungs- oder Zusatzleistungen (EL). Sie basieren auf der ersten Säule der staatlichen Vorsorge und umfassen verschiedene Leistungen. «Sie kommen überall da zum Tragen, wo Renten und das übrige Einkommen nicht die minimalen Lebenskosten decken», erläuterte Christoph Isch. Aus dem gleichen «Topf» werden auch Krankheits- und Behinderungskosten bezahlt, wenn Menschen Zahnbehandlungen, ärztlich verordnete Erholungs- und Badekuren, Transporte mit der Sanität oder Kosten für ambulante Pflege und Hilfen nicht bezahlen können. Sind auch mit den EL die Heimkosten nicht gedeckt, können Kanton und Gemeinden weitere Zuschüsse entrichten.
«Bei der Berechnung der Ergänzungsleistungen wird zwischen Menschen, die zur Miete oder im Eigenheim wohnen, unterschieden», sagte der Experte. Im Kanton Zürich etwa haben Menschen Anspruch auf EL, wenn ihnen nach Abzug der Miete weniger als CHF 1.800 für den Lebensunterhalt zur Verfügung stehen und ihr Vermögen unter CHF 50.000 (Ehepaare) respektive 30.000 (Einzelpersonen) liegt. Im Eigenheim beträgt der Vermögensfreibetrag CHF 112.500, wenn beide Ehepaare zuhause leben, und CHF 300.000, wenn ein Ehepartner im Heim lebt. Ab 2023 müssen Erben bezogene Ergänzungsleistungen ab einem Nachlass von CHF 40.000 zurückbezahlen.
Hilflosenentschädigung und Betreuungsgutschriften
Aus der ersten Säule finanziert wird auch die Hilfslosenentschädigung. «Anspruch haben Menschen, die für die Bewältigung ihres Alltages – beispielsweise für Körperpflege und Essen – Hilfe brauchen», erklärte Isch. Die Hilflosenentschädigung wird unabhängig vom Vermögen entrichtet. Selbst Millionäre haben ein Anrecht darauf. Die Höhe richtet sich nach dem Schweregrad der Pflegeabhängigkeit. Sie beträgt monatlich minimal CHF 239 und maximal CHF 956.
Unterstützen Familienmitglieder einen pflegebedürftigen Verwandten – einen Elternteil, ein Kind, den Ehepartner – können sie ab Vollendung des 17. Lebensjahres bis zum Erreichen des Rentenalters Betreuungsgutschriften beantragen. «Diese werden den Pflegenden der AHV gutgeschrieben werden, für die Zeit, in der sie nicht arbeiten gehen können, weil sie Mutter, Vater, Kind oder Ehepartner pflegen müssen», erläuterte Isch. Voraussetzung ist, dass die pflegebedürftigen Verwandten eine Hilfslosen-Entschädigung von monatlich mindestens CHF 598 erhalten.
«Wer Hilflosenentschädigung bezieht, kann bis zum Erreichen des Rentenalters zusätzlich IV-Assistenzbeiträge beantragen», so Christoph Isch weiter. Diese werden entrichtet, wenn jemand ausserhalb der Familie eine Drittperson über einen Arbeitsvertrag für definierte Aufgaben auf Basis eines Stundenhonorars von CHF 33,50 anstellt. In diesen Fällen kann die IV auch die Kosten für Drittpersonen übernehmen, die das Assistenzmanagement aufgleisen (Hilfsperson suchen, anstellen, Aufgaben zuordnen) und begleiten (monatliche Abrechnungen erledigen).
Prämienverbilligungen je nach Nettoeinkommen
Wer in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen lebt, hat oft auch Anrecht auf eine Prämienverbilligung der Krankenkassenbeiträge. Dazu gehören Personen mit einem jährlichen Nettoeinkommen von weniger als CHF 36.300 (Einzelperson) oder weniger als CHF 49.200 (Ehepaare) und einem Vermögen unter CHF 150.000 (Einzelperson) oder weniger als CHF.300 000 (Ehepaare).
«Personen, die kognitiv oder körperlich behindert sind, haben ausserdem Anspruch auf eine SBB-Begleitkarte», führte der Referent aus. Diese gibt ihr in Begleitung einer vollzahlenden Person die Gelegenheit, kostenlos in der ganzen Schweiz alle öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen.
Referenz
- Forum für medizinische Fortbildung Innere Medizin Update Refresher, 1.-5. Dezember 2021, Forum für medizinische Fortbildung