Medical Tribune
18. Apr. 2024Ein Fall für die Präzisionsmedizin

Die IPF erfordert eine individuelle Herangehensweise

Die personalisierte Medizin wird beim Management von Patienten mit interstitiellen Lungenerkrankungen wie der IPF immer wichtiger. Aktuell konzentrieren sich die Fortschritte vor allem auf die Diagnostik, aber es gibt auch erste Ansätze in der Therapie.

Visualisierte DNS-Sequenz
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So personalisiert die Präzisionsmedizin auch ist – die Betreuung von IPF-Patienten durch ein multidisziplinäres Team wird sie nicht ersetzen.

Ähnlich wie in der Onkologie werden genetische und molekulare Fingerabdrücke in Zukunft eine entscheidende Rolle bei der individuellen Prävention, Diagnostik, Therapie und Prognose von interstitieller Lungenfibrose (IPF) spielen.

Darüber ist sich Professor Dr. ­Athol ­Wells vom Royal Brompton Hospital in London sicher (1).

Herausfordernde Komplexität

Allerdings ist die Analogie zum Krebs nur begrenzt gültig. Denn bei der IPF handelt es sich um ein komplexes homöostatisches System mit vielen relevanten koaktivierten Pfaden und molekularen Signalen. Im Gegensatz dazu spielen beim Krebs autonom wachsende klonale Zellen eine Rolle, bei denen oft eine einzige Intervention ausreicht.

Es werde aber noch länger dauern, Informationen für eine Präzisionsmedizin oder einen primären Signalweg abzuleiten, an dem es sich lohnt anzusetzen, so der Experte. Der Brite illustrierte dazu das anhand des komplexen Zusammenspiels von Zellen und Mediatoren bei der Sarkoidose: Nahezu jede Zellart spielt bei dieser Erkrankung mit, und jeder Signalweg, den das Immunsys­tem zu bieten hat. Vermeintlich kausale Aktivierungen können sich zudem als Reaktionen des Organismus auf den eigentlichen Krankheitsprozess erweisen, die lediglich der Homöostase dienen. «Bei der IPF wird das ähnlich sein.»

Genomischer Klassifikator findet mehr Fälle als HRCT

Derzeit konzentrieren sich die meisten Fortschritte in der präzisionsmedizinischen Forschung auf die Diagnostik. Ein genomischer Klassifikator konnte beispielsweise bei 96 Patienten mit Verdacht auf IPF 24 zusätzliche Fälle identifizieren, die bei der HRCT übersehen wurden. Sie zeigten aber in der transbronchialen Biopsie eine eindeutige UIP-Histologie(2).

In einer Metaanalyse wurde später ein positiver prädiktiver Wert von 92 Prozent, und ein negativer Vorhersagewert von 68 Prozent für den molekularen Test berechnet. Um solche Instrumente sinnvoll nutzen zu können, sollte man jedoch die individuelle Wahrscheinlichkeit für eine IPF berücksichtigen. Diese ergebe sich aus der Anamnese und anderen Befunden, betont Professor Wells. Solche Tests ersetzen nicht die multidisziplinäre Evaluierung, sondern erhöhen die diagnostische Zuverlässigkeit in Fällen, in denen die übrigen Befunde ein unklareres Bild ergeben haben.

Bisher nur «dirty drugs» verfügbar

In der Therapie lassen präzisionsmedizinische Ansätze auf sich warten. Das liegt nicht zuletzt daran, dass es noch gar keine Wirkstoffe gibt, die dafür geeignet wären.

Derzeit sind nur hochgradig pleiotrope «dirty drugs» verfügbar, stellt Professor Wells fest. Es gibt jedoch Hoffnung auf Verbesserung. Ein Beispiel dafür ist N-Acetylcystein (NAC), das in der PANTHER-Studie als Partner einer immunsuppressiv-antioxidativen Tripletherapie «spektakulär wirkungslos» war. Bei einer nachträglichen Analyse der Ergebnisse zeigte sich jedoch ein Überlebensvorteil bei einer Subgruppe von Patienten mit TT-Polymorphismus im Gen für das toll-interacting protein (TOLLIP). Das konnte auch in einer Replikationskohorte bestätigt werden.

NAC könnte damit also die erste Präzisionstherapie für IPF sein. Der Nutzen bei Trägern des TT-SNP (single nucleotide polymorphism) muss jedoch noch in einer grösseren prospektiven Studie bestätigt werden, die derzeit in den USA läuft.

PDE4B-Hemmer in Phase-II-Studie erfolgreich getestet

Ein weiterer vielversprechender Ansatz ist ein PDE4B-Inhibitor namens BI 1015550, der in einer Phase-II-Studie erfolgreich den Abfall der Lungenfunktion verhindert hat. Der Unterschied zur Placebo-Gruppe betrug rund 100 ml ohne und 80 ml mit antifibrotischer Background-Therapie.

Professor Wells erinnert jedoch daran, dass auch vielversprechende Studien wie die Phase-II-Studie mit Pamrevlumab, einem Antikörper gegen connective tissue growth factor (CTGF), enttäuschende Ergebnisse in der grösseren Phase-III-Studie liefern können. Es ist daher ratsam, die Ergebnisse einer einzelnen Studie nicht überzubewerten und auf weitere Studien zu warten. Die Zukunft könnte darin liegen, eine der «dirty drugs» als Basis zu nutzen und darauf spezifischere Medikamente aufzubauen.