Medical Tribune
4. Mai 2023Brustkrebs

Immunsystem eines «kalten» Tumors

Der Brustkrebs war einer der letzten Tumortypen, bei denen die Immuntherapie in die Behandlungsschemen eingezogen ist. Am SGBCC zeigten drei Experten auf, welche Rolle diverse Immunzellen in den Brustkrebs-Entitäten spielen, wie ihr Nachweis gelingt, und wem die Immuntherapie helfen kann.

Auch beim Brustkrebs gibt es Tumore, die voll mit TILs sind.
Md Saiful Islam Khan/gettyimages

«Der Brustkrebs wird im Allgemeinen nicht als immunogene Tumorart betrachtet», sagt Dr. Sherene Loi, PhD, vom Peter MacCallum Cancer Centre (1). «Und das, obwohl er oft randvoll mit Immunzellen ist.»

Lymphozyten im TNBC und HER2+-, myeloide Zellen im ER+ Brustkrebs

Tatsächlich war der Brustkrebs eine der letzten soliden Tumorarten, bei denen Pembrolizumab zugelassen wurde. Die niedrige Immunogenität, so Dr. Loi, liege dabei unter anderem an der beim Brustkrebs vergleichsweise niedrigen Tumormutationslast (tumor mutational burden, TMB). «Vor allem im fortgeschrittenen Setting sieht man dann wirklich oft nur wenig Immunzellpräsenz.»

Welche Immunzellen in den Brustkrebs einwandern, hängt vom Subtyp ab, erklärt die Expertin. «Beim triple-negativen (TNBC) und HER2-positiven Brustkrebs sah eine aktuelle Studie teils riesige proliferierende Infiltrate von CD8-positiven T-Zellen. Beim hormonrezeptor (ER)-positiven Mammakarzinom hingegen prädominieren sich teilende tumorassoziierte Makrophagen (TAM), proliferierende T-Zellen sind dagegen nur spärlich vertreten (2).

Mehr TILs, bessere Prognose

Das spiegelt auch die prognostische Bedeutung wider, die tumorinfiltrierende Lymphozyten (TIL) beim TNBC und HER2+ Brustkrebs erlangt haben. «Eine hohe Zahl an TILs bedeutet in diesen Tumorentität also, dass es mehr CD8-positive T-Zellen am Ort des Geschehens gibt», so die Expertin. Diese vermitteln die Immunantwort gegen den Krebs. «Die allermeisten T-Zellen im Brustkrebs sind Gedächtniszellen, die Tumorantigene gesehen haben und dagegen reagieren (3). Dieses immunologische Gedächtnis schützt langfristig gegen Rezidive.»

Neben ihrer Relevanz für die Prognose ist für Dr. Loi eine weitere wichtige Frage, ob man TILs dazu nützen könnte, Frauen zu identifizieren, bei denen man die Chemotherapie reduzieren oder ganz auslassen kann. In einer Studie an 1.966 Patientinnen mit frühem TNBC konnte sie zeigen, dass Frauen mit einem Anteil von mindestens 50 Prozent TILs ohne Chemotherapie eine mit jenen vergleichbare Prognose hatten, die eine Chemotherapie erhielten (4). «Bei den Patientinnen ohne Chemotherapie lag das 5- und 10-Jahres-distant disease free survival (DDFS) bei 91 und 87 Prozent. Das 5- und 10-Jahres-OS belief sich auf 95 und 90 Prozent.»

Anders sieht sie das Chemo-freie Regime bei jungen Patientinnen. «In der Gruppe der Unter-40-jährigen schneidet das Gros der Patientinnen ohne Chemotherapie nicht so gut ab wie wir uns das erhoffen würden.» Eine Ausnahme sieht sie möglicherweise bei Patientinnen, deren Biopsien zu mehr als 75 Prozent aus TILs bestehen (5).

TIL-Nachweis ist «keine Rocket science»

Ein Riesenvorteil der TILs liegt in ihrem einfachen Nachweis, der lichtmikroskopisch mittels einer H&E-gefärbten Gewebeprobe erfolgt, sagt Prof. Dr. Carsten Denkert, Direktor des Instituts für Pathologie des Universitätsklinikums Marburg.

Mittlerweile gibt es standardisierte Leitlinien. Ausserdem wurde in drei Ringversuchen die hohe Konkordanz zwischen unterschiedlichen Standorten belegt. «TILs nachzuweisen ist keine ‹Rocket science›», fasst Dr. Denkert zusammen.

Will man das Assessment von stromalen TILs auf Tumorproben lernen, empfiehlt Dr. Denkert einen neuen CME-Kurs auf der Website der amerikanischen Zulassungsbehörde FDA. Dieser ist z.B. hier erreichbar. Zum Kursmaterial zählt auch ein rund 80-seitiges Dokument, in dem Beispielfälle sowie deren begleitende Begutachtung durch hochrangige Pathologen illustriert sind.

Immunzellen funktionieren am besten aus der Nähe

«Ob es bei einer Krebserkrankung eine Immunantwort gibt oder nicht, hängt nicht alleine davon ab, ob TILs in einer Biopsie zu finden sind», sagt Dr. Marleen Kok, PhD, vom Niederländischen Institut für Krebsforschung NKI. «Wir werden in Zukunft Techniken anwenden müssen, die uns auch zeigen, welche Arten von TILs in einer Probe vorhanden sind, oder ob eine TIL-Unterart bereits in der Nähe von Tumorzellen oder entscheidender Stromazellen ist.

Dabei kann bereits eine sehr grobe räumliche Einteilung der Gewebeproben Hinweise darauf geben, ob Immunzellen im Tumorgeschehen auch funktionell sind. So untersuchte etwa eine Analyse der IMpassion130-Studie computerbasiert mittels CD8-Färbungen, ob Proben von TNBC-Patientinnen eher «entzündet» waren (inflamed) oder vom Immunsystem ignoriert wurden («excluded» bzw. «immune desert») (6). Sie konnte zeigen, dass Atezolizumab vor allem bei jenen Patienten wirksam war, deren Tumoren reichlich von Immunzellen infiltriert waren.

Ähnliches sah Dr. Kok in ihrer eigenen Studie BELLINI (7). Darin wurden rund 20 Patientinnen mit TNBC im Frühstadium jeweils entweder mit Nivolumab, oder Nivolumab plus Ipilimumab behandelt, bevor sie eine Chemotherapie und/oder Operation erhielten. In der Studie war der räumliche Kontakt zwischen Tumorzellen und CD8-positiven T-Zelleneben der stärkste prädiktive Faktor für ein Ansprechen auf die Immuntherapie, neben der generellen Präsenz von CD8-positiven T Zellen und Interferon-gamma.

B-Zellen betreten das Schlachtfeld

Auch, welche Unterarten von TILs in welchen Tumorregionen vorhanden sind, könnte bald eine grössere Rolle spielen, sagt Dr. Kok. Denn nicht nur T-Zellen, sondern auch anderen Lymphozyten wie B-Zellen haben wichtige Funktionen für die Antitumor-Antwort. Im Tumorgewebe sind B-Zellen oft im räumlichen Kontext mit T-Zellen zu finden. Sie können beispielsweise Tumorantigene an CD4-positive T-Zellen präsentieren, und Zytokine sezernieren, die dann die Immunantwort weiter definieren. Die NeoTRIP-Studie zeigte, dass sie relevant für die Prognose sein könnten. Darin war die räumliche Nähe von B-Zellen und Plasmazellen zum Tumorgewebe ein Prädiktor für eine pathologische Komplettremission von Patientinnen mit Hochrisiko-TNBC nach Gabe von Atezolizumab (8).