Medical Tribune
6. Juni 2025Tirzepatid vs. Semaglutid

Adipositas: GLP-1-Rezeptoragonisten im Vergleich

Zur Behandlung der Adipositas werden zunehmend GLP-1-Rezeptoragonisten eingesetzt. Sie sollen bei der Reduktion des Körpergewichtes helfen, um kardiometabolischer Folgeerkrankungen zu verhindern. In einer neuen Studie war dabei der duale GIP/GLP-1-Rezeptoragonist Tirzepatid einer hochdosierten Semaglutid-Therapie überlegen.

Ein direkter Vergleich zeigt: Tirzepatid ist Semaglutid bei Adipositas überlegen.
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Die Adipositas gilt mittlerweile als chronische Erkrankung mit zahlreichen schwerwiegenden Folgeerkrankungen.

Eine entscheidende Hürde bei der Behandlung der Adipositas ist dabei, dass klassische Methoden zur Gewichtsreduktion vielen Betroffenen nicht oder nur bedingt helfen. Als hochwirksam bei der Gewichtsabnahme haben sich hingegen in zahlreichen Studien die Glucagon-like Peptide-1-Rezeptoragonisten (GLP-1-RA) erwiesen.

In der Schweiz sind für die Behandlung der Adipositas mittlerweile zwei Wirkstoffe verfügbar: Der langwirksame GLP-1-RA Semaglutid, und der langwirksame duale Agonist des GLP-1-Rezeptors und des glukoseabhängigen insulinotropen-Peptid (GIP)-Rezeptors, Tirzepatid*.

In bisherigen klinischen Studien erzielte Tirzepad oft bessere Resultate bei der Gewichtsreduktion als vergleichbare Studien an Semaglutid. Ein adäquater Head-to-head-Vergleich der Wirksamkeit und Sicherheit der beiden Substanzen war allerdings bislang noch ausständig.

Patienten nahmen ein Fünftel ihres Körpergewichts ab

Diese Lücke wollte die randomisierte, offene, Phase-IIIb-Studie SURMOUNT-5 schliessen (1). Sie untersuchte 750 Erwachsene mit Adipositas ohne Typ-2-Diabetes. Alle Teilnehmer hatten zumindest eine vorab spezifizierten Adipositas-abhängige Komplikation (z.B. Hypertonie, Dyslipidämie, obstruktive Schlafapnoe oder kardiovaskulären Erkrankungen).

Die Teilnehmer erhielten über 72 Wochen hinweg randomisiert entweder Tirzepatid (10 oder 15 mg/Woche) oder Semaglutid (1,7 oder 2,4 mg/Woche). Um die beiden Wirkstoffe realitätsnah zu vergleichen, war die jeweilige maximale tolerable Dosis der Wirkstoffe vorgesehen.

Primärer Endpunkt war die Gewichtsreduktion bis zur Woche 72. Insgesamt 85,1 Prozent der Teilnehmer in der Tirzepatid-Gruppe und 84,4 Prozent in der Semaglutid-Gruppe schlossen die Studie ab.

Dabei verloren Patienten mit Tirzepatid signifikant mehr Körpergewicht (p < 0,001). Im Schnitt nahmen sie 20,2 Prozent ab, gegenüber 13,7 Prozent mit Semaglutid.

Taillenumfang, Blutdruck und Lipide verbessert

Ausserdem erzielten mehr Teilnehmer aus der Tirzepatid-Gruppe höhere Gewichtsreduktionen. So gelang es 48,4 Prozent der Teilnehmer aus der Tirzepatid-Gruppe, ihr Gewicht innerhalb der 72 Wochen um mehr als 20 Prozent zu reduzieren; in der Semaglutid-Gruppe nur 27,3 Prozent. Fast dreimal mehr Teilnehmer in der Tirzepatid-Gruppe als in der Semaglutid-Gruppe verloren mehr als 30 Prozent ihres Ausgangs-Körpergewichtes (19,7 vs. 6,9%).

Auch die mittlere Reduktion beim Taillenumfang – einem klinisch relevanten Annäherungswert für das kardiometabolisch besonders ungünstige viszerale Fett – fiel in der Tirzepatid-Gruppe deutlicher aus (18,4 vs. 13,0 cm). Blutdruck, Nüchternblutzucker und die Lipidwerte verbesserten sich in beiden Gruppen. Im Mittel sanken die systolischen Blutdruckwerte mit Tirzepatid um 10,2 mmHg, gegenüber Semaglutid mit 7,7 mmHg. Laut den Studienautoren ist diese Reduktion klinisch bedeutsam.

Gastrointestinale Nebenwirkungen in beiden Gruppen

Beide Teilnehmergruppen berichteten häufig über Nebenwirkungen; 76,7 Prozent in der Tirzepatid-Gruppe und 79 Prozent in der Semaglutid-Gruppe hatten mindestens ein unerwünschtes Ereignis. Die Mehrzahl war dabei mild bis moderat, und trat zudem meist während der mehrmonatigen Dosiseskalationsphase zu Studienbeginn auf.

Am häufigsten wurden gastrointestinale Nebenwirkungen beobachtet, wie Verstopfung, Übelkeit und Durchfall. Diese waren auch der häufigste Grund für Therapieabbrüche, die häufiger in der Semaglutid-Gruppe ausfielen (5,6 vs. 2,7%). Dagegen berichteten mehr Patienten unter Tirzepatid von Reaktionen an der Injektionsstelle (8,6 vs. 0,3%). Zu Studienabbrüchen führten diese allerdings nicht.

Schwere Nebenwirkungen waren in beiden Gruppen selten (4,8 vs. 3,5%). Todesfälle oder Fälle von medullärem Schilddrüsenkarzinom oder Pankreaskarzinom wurden nicht gemeldet. Im Semaglutid-Arm trat eine Pankreatitis auf.   

«Behandlungsziele bei Adipositas überdenken»

Für die Autoren schliesst die vorliegende Studie eine Lücke für die klinische Entscheidungsfindung zwischen den zwei effektiven Adipositasmedikamenten.

Die Ergebnisse sprächen dabei aber nicht nur für die Überlegenheit von Tirzepatid, sondern werfen auch die Frage zu Behandlungszielen bei Adipositas auf. «Die derzeit empfohlenen Gewichtsreduktionen haben oft nur zu kleine Effekte auf Begleiterkrankungen» schreiben die Autoren. Die Grössenordnung, die zu einer Remission von vielen Adipositas-assoziierten Komplikationen führen sollte, sei bisher schwer zu erreichen oder bislang nicht definiert worden.

Frühere Studie hatten etwa gezeigt, dass eine Gewichtsabnahme von zehn bis 15 Prozent oder darüber bei Patienten mit Typ-2-Diabetes die Wahrscheinlichkeit für eine Remission deutlich erhöht. «Trotzdem finden sich in Leitlinien bislang kaum Empfehlungen, die solche Zielwerte ausdrücklich unterstützen», beklagen die Autoren.

Auch bei adipositasbedingter Schlafapnoe wurde in zwei klinischen Studien mit Tirzepatid eine deutliche Verbesserung erzielt. Rund 50 Prozent der Betroffenen erreichten eine Rückbildung auf eine milde Symptomatik oder sogar eine Remission – bei einer Gewichtsreduktion von durchschnittlich 18 bis 20 Prozent.

Für die Autoren lassen sich mit den neuen Medikamenten zur Adipositastherapie deutlich stärkere und nachhaltigere Gewichtsverluste als mit der bisher empfohlenen Lebensstilanpassung erzielen, und damit möglicherweise auch neue Behandlungziele definieren.

*Semaglutid ist unter dem Handelsnamen Wegovy seit 2023 für die Behandlung der Adipositas zugelassen. Der Wirkstoff Tirzepatid ist in der Schweiz unter dem Handelsnamen Mounjaro für die Behandlung von Typ-2-Diabetes zugelassen. Eine Zulassung zur Behandlung von Adipositas gibt es bislang nicht.