Medical Tribune
19. Mai 2024Geschlechtsunterschiede manifestieren sich bereits in der Kindheit

Schlechte Aussichten für Mädchen

Frauen mit Typ-1-Diabetes haben im Vergleich zu Männern eine ungünstigere Überlebensprognose, insbesondere aufgrund eines erhöhten kardiovaskulären Risikos. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass Mädchen von Anfang an bei verschiedenen diabetesspezifischen Parametern im Nachteil gegenüber Jungen sind.

Mädchen mit einem Typ-1-Diabetes werden möglicherweise später diagnostiziert als Jungen, und haben eine schlechtere Prognose, zeigen Daten einer Metastudie.
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Mädchen mit einem Typ-1-Diabetes werden möglicherweise später diagnostiziert als Jungen, und haben eine schlechtere Prognose, zeigen Daten einer Metastudie.

Niederländische Forscher haben untersucht, ob es bereits in jungen Jahren einen Zusammenhang zwischen dem Geschlecht und Patienten- bzw. Krankheitscharakteristika, der Behandlung, Komorbiditäten oder Komplikationen bei Typ-1-Diabetes gibt (1).

Die Wissenschaftler analysierten dazu 90 relevante Studien an Kindern und Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes, die Geschlechtsunterschiede in Bezug auf Endpunktparameter beschrieben hatten. Dabei handelte es sich um beobachtende Untersuchungen wie Kohorten-, Querschnitts- und Fall-Kontroll-Studien.

Qualitative Studien, Fallberichte/Fallserien, Übersichtsarbeiten und Metaanalysen wurden nicht berücksichtigt. In die Auswertung wurden die Daten von 643.217 Kindern und Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes einbezogen.

Mehr Diabetes-Symptome, schlechtere Blutzuckerkontrolle

Die Ergebnisse zeigten, dass Mädchen vor der Diabetesdiagnose häufiger als Jungen länger als vier Wochen unter Symptomen litten und häufiger GAD-Autoantikörper oder GAD65-Antikörper sowie höhere Inselzellantikörpertiter aufwiesen.

Mädchen hatten zudem einen höheren Body-Mass-Index, waren überproportional häufig von Übergewicht oder Adipositas betroffen, und litten häufiger an einer Dyslipidämie.

Jungen hingegen durchliefen häufiger eine partielle Remissionsphase, die zudem länger anhielt. Mädchen hatten auch eine schlechtere Blutzuckerkontrolle: Sowohl zum Zeitpunkt der Diagnose als auch während der Therapie wiesen sie erhöhte HbA1c-Werte auf und entwickelten im Laufe der Zeit einen steileren HbA1c-Anstieg.

Typ-1-Diabetes führte bei Mädchen schneller zur Insulinpumpe

In Bezug auf die Diabetestherapie gab es ebenfalls deutliche Geschlechtsunterschiede: Bereits in den ersten Tagen nach der Diagnose und auch im weiteren Behandlungsverlauf benötigten weibliche Personen höhere Insulindosen (siehe Kasten). Zudem erhielten sie häufiger als Jungen eine Insulinpumpentherapie. Jungen hatten ein höheres Risiko für schwere Hypoglykämien, während Mädchen häufiger eine Ketoazidose entwickelten und stationär behandelt werden mussten.

Die Wissenschaftler beobachteten auch vermehrt verschiedene Begleiterkrankungen wie Schilddrüsenfunktionsstörungen und Zöliakie bei Frauen. Zahlreiche Studien kamen zu dem Ergebnis, dass Mädchen insgesamt stärkere Einschränkungen der Lebensqualität erfuhren als Jungen.

Geringere Insulinsensitivität während der Pubertät

Die Forscher führen den höheren Insulinbedarf bei Mädchen während der Pubertät auf die vermehrte Ausschüttung weiblicher Geschlechtshormone zurück. Diese Hormonspitzen können die Insulinsensitivität beeinträchtigen, sowohl bei Mädchen mit Typ-1-Diabetes als auch bei gesunden Mädchen. Letztere können dies jedoch durch eine erhöhte natürliche Insulinproduktion ausgleichen.

Bei Typ-1-Diabetes führt dieses Phänomen jedoch zu einem erhöhten Insulinbedarf, was möglicherweise zu einer ungünstigeren Stoffwechsellage führen kann. Die Autoren weisen jedoch darauf hin, dass höhere Insulindosen auch aufgrund erhöhter Glukosewerte erforderlich sein könnten.

Durch Forschung Ursachen für Unterschiede verstehen

Um Menschen mit Typ-1-Diabetes optimal behandeln und Langzeitkomplikationen vorbeugen zu können, ist es wichtig, Geschlechtsunterschiede aufzudecken und ihre Ursachen zu verstehen, betonen die Autoren.

Sie hoffen, dass insbesondere die offenbar benachteiligten Mädchen zukünftig von entsprechenden Forschungsanstrengungen profitieren werden. Die Autoren weisen jedoch darauf hin, dass Studien mit neutralen Ergebnissen oder nur geringfügigen Geschlechtsunterschieden in ihrer Analyse nicht berücksichtigt wurden. Zudem können aufgrund des beobachtenden Studiendesigns keine Rückschlüsse auf mögliche Kausalzusammenhänge zwischen Geschlecht und klinischen Ergebnissen gezogen werden.