28. Jän. 2023Wann Arzt und Eltern hellhörig werden sollten

9 Anzeichen für einen Typ-1-Diabetes bei Kindern

Anzeichen für einen Typ-1-Diabetes sind vielfältig und können sich innerhalb weniger Wochen entwickeln. Um die Diagnose nicht zu verschleppen, bedürfen Symptome wie vermehrter Durst oder Wasserlassen, sowie verdächtige Infektionen, rascher Abklärung.

Ein Typ-1-Diabetes kann etwa durch vermehrten Durst auffallen
sonsam/gettyimages

«Im Januar treten die meisten Neudiagnosen von Typ-1-Diabetes auf», berichtet die Kinderärztin Dr. Jessica Sparks Lilley auf der Plattform Medscape (1,2). «Bis dahin hatten die viralen Trigger, mit denen sich die Kinder meist im Spätherbst infizieren haben, lange genug Zeit, um so viel Inselzellmasse zu zerstören, dass sich eine symptomatische Hyperglykämie aufbaut.»

Symptome fallen oft anderen Bezugspersonen auf

Ein Typ-1-Diabetes ist keine seltene Erkrankung. Er kann zwar auch bei Erwachsenen neu auftreten, meistens manifestiert er sich jedoch typischerweise im Alter von vier bis sechs, oder zwischen zehn und 14 Jahren. Bis zum 18. Lebensjahr erhält rund jedes 500. Kind diese Diagnose.

«Ein weiterer Grund dafür, dass Diabetesdiagnosen oft im Januar stattfinden, ist, dass Kinder über die Feiertage oft Kontakt mit vielen Verwandten und Bekannten haben, die ein Symptom vielleicht erstmals bemerken», so Dr. Sparks-Lilley. Dann führt der Weg oft zum Kinderarzt.

Aber auch wenn Familie ärztlichen Rat aufsuchen, ist das kein Garant für das sofortige Finden eines Diabetes. «Studien zeigen, dass der Grossteil der Patienten mit einem neu aufgetretenen Diabetes innerhalb der 30 Tage davor bereits einen Arzt aufgrund der Symptome konsultiert hatte». Oft übersieht also auch der Arzt einen Typ-1-Diabetes.

Neun Diabetes-verdächtige Symptome

Verdächtig, so Dr. Sparks-Lilley, sind jedenfalls folgende Anzeichen:

  1. Erbrechen ohne gleichzeitigen Durchfall: Eine Gastroenteritis verursacht üblicherweise sowohl Erbrechen aber auch Durchfall. Tritt Erbrechen ohne Durchfall auf, ist das immer ein Warnsignal, etwa für eine diabetische Ketoazidose, und sollte so rasch wie möglich abgeklärt werden.
  2. Verdächtige Pilzinfektionen: Erhöhte Glukosespiegel begünstigen Pilzinfektionen bei nicht immunsupprimierten Kindern. Dazu gehören vaginale Candida-Infektionen bei Mädchen vor der Pubertät und jenseits des Windelalters, sowie eine Soor-Pharyngitis (Halsschmerzen Link) nach dem Säuglingsalter.
  3. Untypische «Asthma-Exazerbationen», die keine sind: Hört bei Kindern mit vermuteter Asthma- oder Bronchiolitis-Diagnose mit Salbutamol zwar das Giemen auf, aber die verlängerte Ausatmung bleibt, sollten diese hinsichtlich eines Diabetes abgeklärt werden: Es könnte sich um die Kussmaul-Atmung handeln. Diese tiefe, pausenlose, rhythmische Atmung ist ein Anzeichen für eine diabetische Ketoazidose. Einen weiteren Hinweis liefert ein Geruch der Atemluft nach Aceton, wie in einem Nagellackentferner.
  4. Verschwommenes Sehen: Wird die unscharfe Sicht mit Brillen oder Kontaktlinsen nicht besser, kann es an einem Diabetes liegen. Wird dieser behandelt, verschwindet auch dieses Problem.
  5. Blutzuckerspiegel jenseits des Normalbereiches: Jedes Kind mit normaler Insulinfunktion sollte in der Lage sein, seinen Blutzuckerspiegel im Normalbereich zu halten – auch wenn es zuvor eine kohlenhydratreiche Mahlzeit zu sich genommen hat. Übersteigt der Blutzucker bei einem Kind 10 mmol/l (180 mg/dl), sollte eine Abklärung stattfinden.
  6. «Möglicher Harnwegsinfekt»: Vermuten Eltern aufgrund einer gesteigerten Häufigkeit beim Wasserlassen einen Harnwegsinfekt, sollte die Möglichkeit eines Diabetes nicht ausser Acht gelassen werden. Antibiotika sollten in so einem Fall daher nicht verschrieben werden, ohne dass eine Urinanalyse stattgefunden hat.
  7. Nächtliches Einnässen bei zuvor trockenen Kindern: Durch den gesteigerten Harndrang beim Typ-1-Diabetes ebenfalls ein Warnzeichen.
  8. Gewichtsverlust: Es gibt viele Gründe, warum Kinder plötzlich dünner erscheinen, darunter ein Wachstumsschub, ein neues Medikament, mehr Sport, oder absichtliches abnehmen. Es kann dennoch ein krankheitsbedingter Grund dahinterstecken, darunter ein neu aufgetretener Diabetes.
  9. Mehr Durst und Wasserlassen: Trinken Kinder plötzlich mehr, kann ein Diabetes dahinterstecken – auch im Hochsommer. Vermehrtes Wasserlassen wird oft als erstes auch oft von Lehrern berichtet, wenn Kinder ungewöhnlich häufige Unterrichtspausen machen.

Ketoazidosen vermeiden

Zu den typischen Warnzeichen eines neuen Typ-1-Diabetes gehört vermehrtes Wasserlassen aufgrund der erhöhten Filtrationsrate der Nieren infolge der Hyperglykämie (siehe Kasten oben). Dadurch kommt es auch zu einem vermehrten Durstgefühl. Auch ein Gewichtsverlust durch den Insulinmangel und die damit verbundene verringerte Nutzung von Glukose, ist nicht selten. «Das ist zwar ein unspezifisches Symptom, sollte aber dennoch zu einer Diabetes-Abklärung führen», schreibt Dr. Sparks-Lilley. »

Kritisch wird es, wenn die Diagnose so lange verschleppt wurde, dass es bereits zu einer diabetischen Ketoazidose gekommen ist. Diese bedingt bei Kindern und Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes das grösste Invalidisierungs- und Sterblichkeitsrisiko. «Dennoch wird sie oft übersehen, und immer mehr Patienten weisen bereits eine diabetische Ketoazidose auf, wenn sie ihre Erstdiagnose erhalten», so die Expertin.

Ketone, die aufgrund des veränderten Stoffwechsels beim Diabetes entstehen, kann der Körper zwar kurzfristig für die Energiegewinnung nutzen. Eine Ansammlung von Ketonen führt mittelfristig aber zur diabetischen Ketoazidose, die auch lebensbedrohlich werden kann.

Nicht bis zur Routinekontrolle warten!

Ein Typ-1-Diabetes kann auch vorliegen, wenn diese Erkrankung in der Familie zuvor noch nicht aufgetreten ist, erinnert die Expertin. Umgekehrt ist aber auch nicht jeder neu diagnostizierte Diabetes ein Typ-2-Diabetes, wenn es Fälle davon in der Familie gibt. Ein Hinweis, der an einen Typ-1-Diabetes denken lassen sollte, sind aber Autoimmunerkrankungen beim Patienten selbst oder in dessen Familie. Dazu gehören etwa Schilddrüsenerkrankungen, Zöliakie, Alopezia areata, eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung, Lupus, oder die rheumatoide Arthritis.

«Treten verdächtige Symptome auf, sollte nicht bis zur jährlichen Kontrolluntersuchung gewartet werden», warnt Dr. Sparks-Lilley. Denn Anzeichen einer Hyperglykämie beim Typ-1-Diabetes können sich innerhalb von Monaten oder sogar Wochen manifestieren.

Beim Typ-1-Diabetes sofort Insulin

Sie empfiehlt dringend, Kinder, die eine Typ-1-Diabetesdiagnose erhalten, sofort an einen Spezialisten zu überweisen. Ausserdem sollte noch am selben Tag eine Insulintherapie gestartet werden.

Referenz
  1. Sparks Lilley J. Red Flags to Watch for in Diagnosing Type 1 Diabetes in Kids. Medscape, 23. Jänner 2023
  2. Rogers MAM et al. Fluctuations in the incidence of type 1 diabetes in the United States from 2001 to 2015: a longitudinal study. BMC Med. 2017 Nov 8;15(1):199. doi: 10.1186/s12916-017-0958-6.