Medical Tribune
28. Jan. 2023Wann Arzt und Eltern hellhörig werden sollten

9 Anzeichen für einen Typ-1-Diabetes bei Kindern

Bei einem neu auftretenden Typ-1-Diabetes können sich innerhalb weniger Wochen vielfältige Symptome entwickeln. Um die Diagnose nicht zu verschleppen, sollte man Symptome wie vermehrten Durst oder Wasserlassen rasch abklären lassen.

Ein Typ-1-Diabetes kann etwa durch vermehrten Durst auffallen
sonsam/gettyimages

«Im Januar treten die meisten Neudiagnosen von Typ-1-Diabetes auf», berichtet die Amerikanerin Dr. Jessica Sparks Lilley (1,2).

Die Kinder-Endokrinologin führt das einerseits auf Virusinfektionen der Kinder zurück, die zumeist im Spätherbst auftreten. Diese stehen in wahrscheinlichem Zusammenhang mit der Zerstörung der insulinbildenden Beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse. Bis Januar ist dann so viel Inselmasse zerstört, dass die ersten Symptome auftreten, erklärt Dr. Sparks Lilley.

Neun Diabetes-verdächtige Symptome

Verdächtig, so Dr. Sparks-Lilley, sind jedenfalls folgende Anzeichen:

  1. Erbrechen ohne gleichzeitigen Durchfall: Eine Gastroenteritis verursacht üblicherweise sowohl Erbrechen aber auch Durchfall. Tritt Erbrechen ohne Durchfall auf, ist das immer ein Warnzeichen. Dahinter stecken könnte nämlich statt einem Keim auch eine diabetische Ketoazidose.
  2. Verdächtige Pilzinfektionen: Bei immungesunden Kindern begünstigen meist erst erhöhte Glukosespiegel die Entstehung von Pilzinfektionen (z.B. vaginale Candida-Infektionen bei Mädchen nach dem Windelalter aber vor der Pubertät, Soor-Pharyngitis ausserhalb des Säuglingsalters)
  3. Untypische «Asthma-Exazerbationen»: Hört bei Kindern mit vermuteter Asthma- oder Bronchiolitis-Diagnose mit Salbutamol zwar das Giemen auf, aber die verlängerte Ausatmung bleibt, könnte das ein Symptom eines Diabetes sein, die Kussmaul-Atmung. Diese tiefe, pausenlose, rhythmische Atmung ist ein Anzeichen für eine diabetische Ketoazidose. Einen weiteren Hinweis liefert ein Geruch der Atemluft nach Aceton, wie in einem Nagellackentferner.
  4. Verschwommenes Sehen: Wird unscharfes Sehen mit Brillen oder Kontaktlinsen nicht besser, kann das an einem Diabetes liegen. Wird dieser behandelt, wird auch die Sicht wieder normal.
  5. Blutzuckerspiegel jenseits des Normalbereiches: Ein Blutzuckerspiegel ausserhalb des Normalbereichs ist bei Kindern immer verdächtig – auch wenn es zuvor eine kohlenhydratreiche Mahlzeit zu sich genommen hat. Übersteigt der Blutzucker bei einem Kind 10 mmol/l (180 mg/dl), sollte eine Abklärung stattfinden.
  6. «Möglicher Harnwegsinfekt»: Auch wenn häufigeres Wasserlassen vielleicht wie ein Harnwegsinfekt wirkt, kann auch dieses ein Symptom von Diabetes sein. Bevor Kinder ein Antibiotikum erhalten, sollte daher der Urin analysiert werden.
  7. Nächtliches Einnässen bei zuvor trockenen Kindern: Durch den gesteigerten Harndrang beim Typ-1-Diabetes ebenfalls ein Warnzeichen.
  8. Gewichtsverlust: Es gibt viele Gründe, warum Kinder plötzlich abnehmen, darunter ein Wachstumsschub, ein neues Medikament, mehr Sport, oder absichtliches abnehmen. Trotzdem kann eine Krankheit dahinterstecken – auch ein neu aufgetretener Diabetes.
  9. Mehr Durst und Wasserlassen: Auch wenn Kinder plötzlich mehr trinken, kann ein Diabetes dahinterstecken – auch im Hochsommer. Vermehrtes Wasserlassen wird oft als erstes auch oft von Lehrern berichtet, wenn Kinder ungewöhnlich häufig Pausen im Unterricht machen.

Symptome fallen oft anderen Bezugspersonen auf

Ein Typ-1-Diabetes ist keine seltene Erkrankung. Er kann zwar auch bei Erwachsenen neu auftreten, meistens bildet er sich jedoch typischerweise im Alter von vier bis sechs Jahren, sowie zwischen zehn und 14 Jahren aus. Bis zum 18. Lebensjahr erhält rund jedes 500. Kind die Diagnose eines Diabetes mellitus Typ 1.

«Ein weiterer Grund dafür, dass Diabetesdiagnosen oft im Januar entdeckt werden, ist, dass Kinder über die Feiertage oft Kontakt mit vielen Verwandten und Bekannten haben, die ein Symptom vielleicht erstmals bemerken», so Dr. Sparks-Lilley. Oft führt erst dann der Weg zum Kinderarzt.

Aber auch wenn Familien ärztlichen Rat aufsuchen, ist das kein Garant für das sofortige Entdecken des Diabetes. «Studien zeigen, dass der Grossteil der Patienten in den 30 Tagen vor der Diagnose bereits einen Arzt aufgrund der Symptome konsultiert hatte». Oft übersehen also auch Ärzte einen Typ-1-Diabetes.

Ketoazidosen vermeiden

Zu den typischen Warnzeichen eines neuen Typ-1-Diabetes gehört vermehrtes Wasserlassen aufgrund der erhöhten Filtrationsrate der Nieren infolge der Hyperglykämie (siehe Kasten oben). Dadurch kommt es auch zu einem vermehrten Durstgefühl. Auch ein Gewichtsverlust durch den Insulinmangel und die damit verbundene verringerte Nutzung von Glukose, ist nicht selten. «Das ist zwar ein unspezifisches Symptom, sollte aber dennoch zu einer Diabetes-Abklärung führen», schreibt Dr. Sparks-Lilley. »

Kritisch wird es, wenn die Diagnose so lange verschleppt wird, dass es zu einer diabetischen Ketoazidose kommt.

Dabei bildet der aufgrund des Diabetes veränderte Stoffwechsel Ketone. Diese kann der Körper zwar kurzfristig für die Energiegewinnung nutzen. Eine Ansammlung von Ketonen führt mittelfristig aber zur diabetischen Ketoazidose, die auch lebensbedrohlich werden kann.

Die Ketoazidose birgt bei Kindern mit Typ-1-Diabetes das grösste Potenzial für bleibende Schäden. «Trotzdem wird sie oft übersehen, und immer mehr Patienten weisen bereits bei der Erstdiagnose bereits eine diabetische Ketoazidose auf», warnt die Expertin.

Treten verdächtige Symptome auf, sollte man daher nicht bis zur jährlichen Kontrolluntersuchung warten.

Auch in Familien ohne Diabetesrisiko

Ein Typ-1-Diabetes kann auch dann vorliegen, wenn die Erkrankung in der Familie zuvor noch nicht aufgetreten ist, erinnert Dr. Sparks Lilley. «Liegt in der Familie eine Tendenz zum Typ-2-Diabetes vor, heisst das aber auch nicht, dass ein neu diagnostizierter Diabetes auch wieder vom Typ 2 ist. Es kann genausogut ein Typ-1-Diabetes dahinterstecken.»

Ein Hinweis, der an einen Typ-1-Diabetes denken lassen sollte, sind aber Autoimmunerkrankungen beim Patienten selbst oder in dessen Familie. Dazu gehören etwa Schilddrüsenerkrankungen, Zöliakie, Alopezia areata, eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung, Lupus, oder die rheumatoide Arthritis.

Beim Typ-1-Diabetes sofort Insulin

Kinder, die eine Typ-1-Diabetesdiagnose erhalten, sollten sofort in einem spezialisierten Zentrum vorstellig werden. Darüber hinaus sollten die Kinder noch am selben Tag eine Insulintherapie beginnen.