Medical Tribune
27. Jan. 2024Die Diagnose Endometriose wird heute klinisch gestellt

Endometriose bei Jugendlichen

Endometriose ist verbreitet. Betroffen sind 10 Prozent der Frauen im gebärfähigen Alter – auch Mädchen ab der Menarche. «Ist die Anamnese klar, sollte schon im Jugendalter die Verdachtsdiagnose Endometriose gestellt und eine Behandlung eingeleitet werden», erklären die Expertinnen PD Dr. Sara Imboden und Oberärztin Dr. Anja Wüest von der Universitätsklinik für Frauenheilkunde in Bern.

Bei jungen Frauen sind Endometriose-assoziierte Unterbauchschmerzen in der Regel stärker ausgeprägt.
Antonioguillem/stock.adobe.com
Bei jungen Frauen sind Endometriose-assoziierte Unterbauchschmerzen in der Regel stärker ausgeprägt.

«Eine Dysmenorrhö sollten bereits bei Adoleszentinnen anamnestisch gut erfasst und gegebenenfalls behandelt werden», sagt PD Dr. Sara Imboden, Leitende Ärztin an der Universitätsklinik für Frauenheilkunde in Bern anlässlich ihres Vortrages am Gynea-Symposium.

Denn eine im Inselspital in Bern durchgeführte Studie zeigte: Endometriose-assoziierte Unterbauchschmerzen sind bei Frauen unter 24 Jahren in der Regel stärker ausgeprägt als bei denjenigen über 24 Jahre (1).

Diagnose lässt sich heute klinisch stellen

Für die Diagnose Endometriose ist eine Laparoskopie nicht mehr zwingend nötig. Sie lässt sich heute auch klinisch stellen. «Wenn die Symptome klar sind, und ein Mädchen etwa unter einer schweren Dysmenorrhö leidet, deswegen nicht zur Schule geht und die Schmerzen sich nicht mit den zur Verfügung stehenden Massnahmen kontrollieren lassen, kann und soll die Verdachtsdiagnose Endometriose gestellt werden», betont die Expertin.

Meist hilft den Jugendlichen schon, wenn sie die Ursache der Schmerzen verstehen. «Mit der Diagnose sollen sie aber nicht pathologisiert werden», erklärt die Referentin. Eine gute Aufklärung ist erforderlich. Die Mädchen sollen wissen, dass Endometriose nichts Schlimmes ist und sich meist gut kontrollieren lässt. 14-jährige Mädchen sollten etwa nicht befürchten, keine Kinder bekommen zu können, betont PD Dr. Imboden.

Hormontherapie, wenn Analgetika nicht helfen

Wenn bei Dysmenorrhö herkömmliche Schmerzmittel bei korrekter Einnahme ab Menstruationsbeginn nicht helfen, kommt eine hormonelle Therapie in Frage. Empfohlen ist eine kombinierte orale Kontrazeption (KOK), eine Levonorgestrel (LNG)-Spirale, das Etonogestrel-haltige Implantat oder eine Progestin-Only-Pille (POP).

«Die Pille ist im Langzyklus bei Dysmenorrhö signifikant effizienter als die Einnahme nach konventionellem Regime mit Entzugsblutungen alle drei bis vier Wochen», erläutert Dr. Anja Wüest, Oberärztin an der Universitätsklinik für Frauenheilkunde in Bern. Die LNG-Spirale und das Implantat wirkten aber ebenfalls sehr gut auf Schmerzregredienz, Dysmenorrhö, Dyspareunie, Dyschezie und auf chronische Unterbauchschmerzen. Bezüglich Schmerzreduktion ist die Spirale vergleichbar gut wie ein GnRH-Agonist.

Bei den POP sind Präparate mit Drospirenon, Desogestrel und Dienogest auf dem Markt. Dabei sind POP mit Dienogest speziell für die Endometriose-Therapie und nicht auch als Kontrazeptivum zugelassen sind. Gestagen-Monopräparate, oral eingenommen, wirken über transformatorische und antientzündliche Mechanismen direkt auf die Endometrium-Proliferation.

Auf die Knochendichte achten

Weil in der Adoleszenz noch Knochendichte aufgebaut wird, sollen hormonelle Kontrazeptiva (KOK, POP) in den ersten drei Jahren nach der Menarche nur zurückhaltend verschrieben werden. Kann ein Mädchen aber wegen Dysmenorrhö nicht zur Schule gehen, und helfen Schmerzmittel nicht, kann selbstverständlich eine hormonelle Therapie erfolgen, erklärt Dr. Wüest. Verschrieben werden soll eine Pille mit mindestens 30 μg Ethinylestradiol, da es mit einer geringeren Dosis zu einer Verringerung der Peak-Bone-Mass kommen kann.

Eine Studie mit Dienogest-mono bei Mädchen zwischen 12 und 18 Jahren zeigte eine sehr gute Schmerzreduktion und eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität, aber auch eine Knochendichteabnahme an der Lendenwirbelsäule um 1,2 Prozent nach einem Jahr, so die Referentin weiter. Der Verlust war jedoch bei den meisten Probandinnen sechs Monate nach Therapieende reversibel (2).

Für die POP mit Drospirenon und Desogestrel zeigten Studien mit Erwachsenen keinen Knochendichteverlust. Bei Jugendlichen fehlen entsprechende Daten. «In der Adoleszenz nicht zur Anwendung kommen soll die Drei-Monatsspritze. Sie führt zu einem signifikanten und zum Teil nicht reversiblen Knochenverlust», erläutert die Referentin.

GnRH-Agonisten bei Jugendlichen nur in zweiter Linie indiziert

GnRH-Agonisten sind bei Jugendlichen nur in zweiter Linie indiziert. Diese Medikamente wirken sich nicht nur nachteilig auf die Knochendichte aus, sondern können auch starke vasomotorische Nebenwirkungen haben und einen Flare-up-Effekt verursachen. In Zukunft könnte auch ein GnRH-Antagonist (z.B. Relugolix) für die Therapie zur Verfügung stehen. In den USA ist bereits ein Präparat auf den Markt, das in Europa bislang aber erst für die Therapie von Uterus-Myomen zugelassen ist.

Eine operative Behandlung ist bei Jugendlichen nur sehr selten und in schweren Fällen notwendig, wenn die konservative Behandlung erfolglos war.