Medical Tribune
27. Feb. 2023Jede Patientin mit Schmerzen braucht eine Therapie

Schmerzen bei Endometriose in den Griff bekommen

Für die Schmerzbehandlung bei Endometriose stehen verschiedene Optionen zur Verfügung. Oft genug spielt bei der Therapiewahl aber mehr die Gewohnheit als die Evidenz mit. PD Dr. Sara Imboden, Leitende Ärztin am Inselspital Bern, hat den aktuellen Stand des Wissens zusammengefasst, und empfiehlt, stets auch den individuellen Erkrankungsverlauf und die Lebensumstände der Frauen mit einzubeziehen.

Cropped shot of a woman holding a hot water bottle against her stomach on the sofa at home
PeopleImages/gettyimates

«Leiden Frauen unter einer Endometriose, bedeutet das nicht nur, dass sie Schmerzen haben», erinnert PD Dr. Sara Imboden, Leitende Ärztin an der Universitätsklinik Bern mit Schwerpunkt operative Gynäkologie und Gynäkologische Onkologie, sowie stellvertretende Leiterin des dortigen zertifizierten Endometriosezentrums (1).

Vielmehr geht die Erkrankung für viele Frauen mit beträchtlichen wirtschaftlichen Nachteilen einher.

Die Hälfte der Endometriosepatientinnen befürchtet, etwas im Leben zu verpassen

So gaben in einer kürzlich veröffentlichten Studie (2) 33 Prozent von 743 befragten Patientinnen an, durch ihre Erkrankung Ausbildungszeiten verpasst zu haben. 48 Prozent konnten tageweise nicht zur Arbeit gehen, und bei 18 Prozent hatte die Endometriose sogar zu einem Jobverlust geführt. Und auch im Sozialleben ist die Endometriose für viele Frauen ein grosses Handicap. Das betrifft nicht immer nur die erschwerte Familienplanung: Viele Frauen geben an, aufgrund ihrer Erkrankung weniger Beziehungen zu haben, seltener zu reisen, oder weniger Sport zu treiben, als eigentlich erwünscht. Kein Wunder also, dass die Hälfte der Endometriosepatientinnen in der Studie das Gefühl haben, ihr Leben nicht voll ausschöpfen und geniessen zu können.

Um die Lebensqualität von Endometriosepatientinnen zu verbessern, ist der Zugang zur medizinischen Versorgung vam allerwichtigsten, ist Dr. Imboden überzeugt. «Da viele Frauen von der Menarche bis zur Menopause unter Dysmenorrhoe leiden, ist das aber eine Langzeitaufgabe», stellt die Expertin klar.  

Ziel einer Endometriosetherapie sollte es dabei natürlich einerseits sein, die kausalen Mechanismen der Erkrankung zu durchbrechen, sowie der Erhalt bzw. die Wiederherstellung der Fertilität. Andererseits kommt aber auch der Schmerztherapie ein entscheidender Stellenwert zu. Wie die Therapie durchzuführen ist, ist allerdings weniger klar: «Im Gegensatz zu so mancher Tumorerkrankung, wo uns die Guidelines sehr straffe Anhaltspunkte geben, kommt es bei der Endometriosetherapie stark auf mehrere Spezifika der betreffenden Patientin an. Auch die 2022 erneuerten Empfehlungen der Europäischen Gesellschaft für Humanreproduktion und Embryologie (ESHRE) sind daher nicht immer hilfreich. Wenn man sich im Bereich des Empfohlenen bewegt, kann man aber zumindest nichts falsch machen», so Dr. Imboden

Schmerzen bei Endometriose immer behandeln

Auch bei der Schmerztherapie empfiehlt Dr. Imboden, sich immer auch nach dem Krankheitsbild und den Wünschen der Patientin richten. Klar ist für sie aber: «Jede Patientin mit Schmerzen sollte behandelt werden, um die Chronifizierung und zentrale Sensitivierung des Schmerzes aufzuhalten», (siehe Kasten).

Wie Schmerz chronisch wird (zentrale Sensitivierung)

Werden Nozizeptoren durch einen Schmerz- oder Entzündungsreiz wiederholt getriggert, verstärkt sich die Reizweiterleitung, und es kommt zur Hyperalgesie: Schmerzen, die über die jeweilige Nervenbahn geleitet werden, werden als schlimmer wahrgenommen als zuvor.

Geht von einem Gewebe ein permanenter Schmerzreiz aus, wie es bei der Endometriose der Fall ist, werden mit der Zeit auch eigentliche Mechanorezeptoren überstimuliert (Allodynie). Dann kommt bei den bereits schmerzgeplagten Patientinnen auch noch ein Stechen im Unterbauch, Blähungen, Verspannungen des Beckenboden dazu – und auch das kann als Schmerz empfungen werden. «Das erklärt auch, warum die Patientin nicht mehr nur eine Dysmenorrhoe hat, sondern chronische Schmerzen», so die Expertin

Zusätzlich sollten vor jeder Wirkstoffverordnung die potenziellen Vorteile und Risiken für die einzelne Patientin abgewogen werden.  Nicht alle der derzeit bei Endometriose eingesetzten Schmerztherapien sind dabei für die Indikation selbst zugelassen – bei einigen ist die Evidenz nicht ausreichend geklärt, «man weiss aber aus der Praxis, dass sie wirken.»

Medikamentöse Schmerztherapie: Nebenwirkungen im Kopf behalten

Dazu gehört Ibuprofen. «Das geben wir wohl fast immer als erstes», räumt Dr. Imboden ein. «Wir sollten uns aber dennoch bewusst sein, dass die letzte Cochrane-Analyse aus dem Jahr 2015 keine Empfehlung für NSAR bei der Dysmenorrhoe ausgesprochen hat.» Achten sollte man – vor allem bei einer langfristigen Behandlung mit Ibuprofen gegen die rezidivierenden Schmerzen – auf die Kontraindikationen und Nebenwirkungen der Substanz. «Die Gastritis ist beispielsweise nicht zu unterschätzen. Sollte es zu einer Überdosierung kommen, können NSAR auch nephrotoxisch wirken.»

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