Medical Tribune
3. Juli 2023Lokale Infektionen in Schach halten

Superinfektion chronischer Wunden: Das sind die Warnsignale

Patienten mit chronischen Wunden entwickeln häufig Superinfektionen. Diese kann man leicht übersehen. Was lässt sich tun, um das Risiko für eine Sepsis zu vermindern?

Eine chronische Wunde muss nicht zwingend seit bereits acht Wochen bestehen. Diabetische Fussgeschwüre, Läsionen bei PAVK, das venöse Ulcus cruris und der Dekubitus werden von Beginn an als chronisch eingestuft, erinnert Professor Dr. Joachim Dissemond vom Universitätsklinikum Essen (1).

Läsion vor Abstrich nicht immer säubern!

Zur Diagnostik bei Patienten mit chronischen Wunden wird wie so oft auf das Alphabet als Eselsbrücke zurückgegriffen. Der Buchstabe B dieser ABCDE-Regel (siehe Kasten) steht für den routinemässig durchgeführten Bakteriennachweis.

ABCDE-Regel für die Wunddiagnostik

A Anamnese

B Bakterien

C Klinische Untersuchung

D Durchblutung

E Extras

Dafür genügt aber meist ein Abstrich von der Oberfläche. Wer auf multiresistente Erreger screenen will, darf die Läsion vorher nicht generell säubern. Nur dann lässt sich das gesamte Erregerspektrum erfassen. Eine einfache Methode zur Abstrichentnahme ist der Essener Kreisel (siehe Kasten).

Abstrichmethoden

  • Essener-Kreisel-Technik: Entnahme unter leichtem Druck von aussen nach innen kreisend, um eine möglichst grosse Fläche zu erfassen
  • Levine-Technik: Abstrichgewinnung unter leichtem Druck aus einem 1 cm2 klinisch infiziert wirkenden Teil der Wunde

Besteht bereits der klinische Verdacht auf eine Superinfektion oder gibt es Anzeichen für eine Besiedelung mit Hefen, sollte man die Wunde vorher reinigen. Mit steriler Kochsalz- oder Ringerlösung und sterilen Kompressen lassen sich oberflächliche, nicht relevante Kontaminanten entfernen. Danach gewinnt man das zu untersuchende Material am besten über die Levine-Technik.

Beginnende Sepsis nicht übersehen

Eine bioptische Abklärung ist nur bei tiefen Geschwüren, diabetischen Fussulzera, schweren Weichgewebsinfektionen und Fisteln erforderlich. Auch zur Detektion spezifischer Erreger (Mykobakterien, Leishmanien, Schimmelpilze etc.) wird die Entnahme einer Gewebeprobe empfohlen. Im Alltag kommt es bei einer Wundabklärung vor allem darauf an, eine systemische Infektion oder beginnende Sepsis nicht zu übersehen.

Der quickSOFA-Score eignet sich zum raschen Nachweis einer Blutvergiftung: Zwei der folgenden Kriterien müssen in diesem Fall zutreffen: mentale Veränderung (Glasgow Coma Scale < 15), Atemfrequenz über 22/min und/oder systolischer Blutdruck unter 100 mmHg (3). Eine kalkulierte systemische Antibiotika-Gabe lässt sich schon bei Verdacht auf eine Sepsis rechtfertigen. Oft ist auch eine intensivmedizinische Behandlung indiziert.

Zur Detektion lokaler Wundinfektionen empfiehlt Prof. Dissemond den TILI-Score. Dieser kombiniert die fünf Kardinalsymptome mit wundspezifischen klinischen Symptomen:

  • Calor: Überwärmung
  • Dolor: Spontan- und Druck­dolenz
  • Tumor: Ödem, Verhärtung, Schwellung
  • Rubor: periläsionales Erythem
  • Functio laesa in Form einer stagnierenden Wundheilung

Hinzu kommt als weiteres Kriterium die Zunahme des Exsudats bzw. die Änderung von dessen Farbe oder Geruch. Jeder Punkt für sich beweist noch keine Infektion. Laut Score ist eine antiseptische Wundheilung nur dann indiziert, wenn mindestens fünf Punkte zutreffen. Unmittelbar indiziert ist sie dagegen beim Nachweis potenziell pathogener Mikroorganismen, einer septischen chi­rurgischen Wunde oder freiem Eiter.

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