Medical Tribune
12. Feb. 2023EuroGuiDerm

Atopische Dermatitis: Europäische Empfehlungen für die Systemtherapie

Patienten mit atopischer Dermatitis brauchen eine systemische Therapie, wenn z.B. weder Topika noch UV-Lichttherapie für die Krankheitskontrolle ausreichen – oder wenn man für Letztere über längere Zeiträume grosse Mengen potenter topischer Kortikosteroide einsetzen müsste. Die aktuelle europäische Leitlinie EuroGuiDerm­ gibt Empfehlungen zum Vorgehen.

Spricht eine atopische Dermatitis nicht ausreichend auf topische Therapien an, muss systemisch behandelt werden.
tylim/gettyimages

Die Verfügbarkeit neuer systemischer Medikamente hat die Therapie der atopischen Dermatitis in den vergangenen Jahren stetig vorangebracht.

Gleichzeitig haben die Zulassungsprogramme der Small Molecules und Biologika mittlerweile Evidenzlevel geschaffen, die die älterer Therapeutika übertreffen, schreiben die Autoren der aktuellen europäischen Leitlinie EuroGuiDerm zum atopischen Ekzem (1).

Die Systemtherapie ist immer als Add-on zur Basistherapie zu verstehen

Bevor man auf eine Systemtherapie eskaliert, sollten relevante Differenzialdiagnosen (u.a. kutanes T-Zell-Lymphom, primäre Immundefizienz-Syndrome) abgeklärt werden, empfiehlt die Leitlinie. Ausserdem gilt es, auszuschliessen, dass Triggerfaktoren (z.B. im Rahmen einer allergischen Kontaktdermatitis) oder verhaltensbedingte Gründe für das schlechte Ansprechen einer topischen Behandlung verantwortlich sind.

Eine Systemtherapie erfolgt immer zusätzlich zur Basispflege mit Emollienzien sowie bei Bedarf zusätzlich zu einer topischen antientzündlichen Therapie. Bei akuten Schüben oder um die Zeit bis zum Ansprechen langsam wirkender Therapeutika zu überbrücken, kann auf Substanzen mit schnellem Wirk­eintritt zurückgegriffen werden.

Neben Ciclosporin haben hier auch systemische Glukokortikoide noch einen Platz. Abseits der Notfalltherapie sollte man sie aufgrund der besseren Alternativen nicht mehr verwenden, von einem langfristigen Einsatz raten die Leitlinien-Autoren explizit ab.

Ciclosporin in der Therapie der atopischen Dermatitis

Ciclosporin wird weiterhin als Erstlinien-Therapeutikum empfohlen. Ausserdem gilt es aufgrund der bisherigen Sicherheitsdaten als Mittel der Wahl bei Frauen, die während der Schwangerschaft nicht auf eine Systemtherapie verzichten können.

Das Dosierungsschema sieht 2,5–5 mg/kg pro Tag vor, verabreicht in zwei Einzeldosen. Um ein schnelles Ansprechen zu erreichen, raten Professor Dr. Andreas Wollenberg von der LMU München und die anderen Leitlinien-Autoren dazu, mit einer höheren Dosierung (4–5 mg/kg/d) zu beginnen. Ein Ansprechen ist dann bereits nach einer bis zwei Wochen zu erwarten.

Patienten, die Ciclosporin erhalten, sollten allerdings engmaschig auf mögliche Blutdruckerhöhungen und Anzeichen einer Nierenfunktionsstörung überwacht werden. Ausserdem rät das Leitlinien-Gremium davon ab, den T-Zell-Inhibitor mit einer UV-Therapie zu kombinieren.

Dupilumab und Tralokinumab

Innerhalb der Klasse der Biologika haben Dupilumab und Tralokinumab beide eine starke Empfehlung von den Experten erhalten. Der Anti-IL-4/13-Antikörper Dupilumab ist ab sechs Jahren zugelassen. Bei einem Körpergewicht über 60 kg beträgt die empfohlene Dosierung 300 mg alle zwei Wochen nach einer Ladedosis von 600 mg zu Beginn der Behandlung.

Die Injektionsintervalle des Anti-IL-13-Antikörpers Tralokinumab können nach Ermessen des Arztes auf vier Wochen gestreckt werden, heisst es, z.B. im Falle von Patienten, die nach 16 Wochen Behandlung bei einem IGA von 0/1 liegen.

Als Vorteil von Dupilumab sehen die Leitlinien-Autoren, dass die Medikation auch positive Auswirkungen auf Typ-2-­Komorbiditäten wie Asthma, allergische Rhinokonjunktivitis mit Nasenpolypen oder eosinophile Ösophagitis haben kann.

Lebrikizumab, ein weiterer IL-13-Blocker, und der Anti-IL-31-Antikörper Nemolizumab befanden sich zum Zeitpunkt der Erstellung der Leitlinie ­noch im Zulassungsprozess. Auch wenn die Studienergebnisse der Zulassungsstudien positiv ausfielen, konnten sie daher (noch) nicht empfohlen werden.

JAK-Inhibitoren

Die vier Januskinasen (JAK1, JAK2, JAK3 und TYK2) steuern den intrazellulären Teil der Signalweiterleitung durch die aktivierten Zytokinrezeptoren. Sie interagieren mit Trans­kriptionsfaktoren (STAT*), die die Bildung von Entzündungsmediatoren regulieren. Aus diesem Grund könnte die spezifische Hemmung des JAK-STAT-Signalwegs wirksamer sein als die Inhibierung eines einzelnen Zytokins, schreiben die Autoren.

Darüber hinaus zeigte eine JAK-Hemmung neben der schnellen Linderung des chronischen Juckempfindens auch einen positiven Effekt auf die Funktion der Hautbarriere durch Regulierung der Filaggrinexpression.

Eine starke Empfehlung für Patienten mit atopischem Ekzem, die für eine Systemtherapie infrage kommen, geben die Leitlinien-Autoren für die beiden JAK-Inhibitoren Baricitinib (JAK1/2) und Upadacitinib (JAK1) ab. Beide Substanzen besitzen in der Schweiz eine Zulassung im Erwachsenenalter.

Profitieren von den JAK-Hemmern könnten insbesondere Patienten mit anderen entzündlichen Begleiterkrankungen wie rheumatoide Arthritis, Psoriasis-Arthritis und Spondylitis ankylosans, da die beiden Medikamente teilweise auch über eine Zulassung für diese Indikationen verfügen.

Die Standarddosierung von Baricitinib beträgt bei Erwachsenen mit atopischer Dermatitis 4 mg pro Tag; in Abhängigkeit vom Ansprechen ist unter Umständen auch eine Reduktion auf 2 mg pro Tag möglich. Upadacitinib kann in einer täglichen Dosierung von 15 mg oder 30 mg verabreicht werden. Für Patienten ab einem Alter von 65 Jahren wird die niedrigere 15-mg-Dosierung empfohlen.

Als Basis-Screening sollte ein gros­ses Blutbild gemacht, Leber-, Nierenwerte und CK-Level gecheckt und das Lipidprofil angeschaut werden. Ausserdem raten die Leitlinien-Autoren, die Patienten auf Hepatitis und Tuberkulose zu screenen. Die Empfehlung für den dritten JAK-Hemmer im Bunde, Abrocitinib (JAK1), darf man für die nächste Leitlinie erwarten.

Alles eine Frage der Zulassung

In der Leitlinie sind die Januskinaseinhibitoren Baricitinib und Upadacitinib mit gleicher Empfehlungsstärke aufgeführt. Abrocitinib wäre da auch gelandet, ist aber ein bisschen zu spät zugelassen worden», erklärt Prof. Wollenberg­ im Rahmen einer DermaLive-Sendung*.

Der JAK-Inhibitor konnte daher nicht mehr in die Empfehlungen der Leitlinie aufgenommen werden. Der Grund, warum der Therapie-Stufenplan bei Kindern reduzierter wirkt, ist ebenfalls den Zulassungen geschuldet. In der Schweiz ist Ciclosporin ab 16 Jahren zugelassen, Upadacitinib ab 18 Jahren, Dupilumab ab sechs Jahren. Die neueste Studie zu Dupilumab – gerade erst erschienen – zeigt allerdings, dass auch im Alter von sechs Monaten bis fünf Jahren das Ganze hervorragend funktioniere, fügte Prof. Wollenberg hinzu.

*DermaLive: «Atopische Dermatitis und Juckreiz» vom 12.10.2022, streamed-up.com

Alitretinoin beim chronischen ­Handekzem

Erwachsene Neurodermitis-Patienten mit schwerem chronischen Handekzem, das auf eine Therapie mit potenten topischen Kortikosteroiden nicht anspricht, können aus­serdem mit Alitretinoin behandelt werden. Die empfohlene Dosierung liegt bei 10–30 mg pro Tag (schwache Empfehlung). Die Pathogenese des Hand­ekzems spielt bei der Indikation für die Substanz keine Rolle. Allerdings sollte unbedingt auf deren Teratogenität geachtet werden.

Off-label-Empfehlungen

Azathioprin (off label) kann bei einer schwer behandelbaren Neurodermitis in der üblichen Dosierung von 1–3 mg/kgKG pro Tag infrage kommen. Es handelt sich allerdings nur um eine schwache Empfehlung der Leitlinien-Autoren.

Die Effektivität liegt unterhalb jener von Dupilumab oder Ciclosporin, aber ähnlich der von MTX. Wenn innerhalb von drei Monaten keine Verbesserung erzielt werden kann, sollte man überlegen, Azathioprin wieder abzusetzen. MTX ist ebenfalls nur eine schwach empfohlene Off-label-Alternative. Die initiale Dosierung bei Erwachsenen beträgt 5–15 mg/kg pro Woche, bei Kindern sind es 0,3–0,4 mg/kg. Die Maximaldosis liegt bei 25 mg pro Woche, empfohlen wird zudem eine parallele Folsäure-Substitution.

Referenz
  1. Wollenberg A et al. European guideline (EuroGuiDerm) on atopic eczema: part I - systemic therapy. J Eur Acad Dermatol Venereol. 2022 Sep;36(9):1409-1431. doi: 10.1111/jdv.18345