Medical Tribune
20. Feb. 2014Richtige Therapie bei Erfrierungen

Erfrorene Glieder in der Praxis stadiengerecht versorgen

Erfrierungen treten in Mitteleuropa eher selten auf. Dennoch sollten die Grundzüge der Behandlung bekannt sein. Unterschieden werden zwei diagnostisch relevante Verletzungsformen nach Kälteexposition:

Nahaufnahme einer Weiblichen Hand mit Frostbeulen an den Finger
iStock/zhikun sun

• die Erfrierung, bei der das Gewebe durch Eiskristalle zerstört wird,
• der chronische Kälteschaden (non-freezing cold injury; NFCI), bei dem es sich um eine langsame Auskühlung des Gewebes ohne Gefrieren handelt.

Erfrierung: Nekrosen zeigen sich oft erst beim Aufwärmen

Doch woran sind diese beiden Verletzungstypen klinisch zu erkennen? Erfrierungen werden je nach der Eindringtiefe des Frostschadens in oberflächliche (Schweregrad I–II) und tiefe (Grad III–IV) Schädigungen eingeteilt. Nur oberflächliche Erfrierungen können vom Erstbehandler versorgt werden.

Zunächst sollten Begleitverletzungen ausgeschlossen und der Verletzte in eine warme Umgebung gebracht werden (nasse Bekleidung ausziehen, ggf. in Decke wickeln). Das schnelle Aufwärmen der betroffenen Körperregion erfolgt in einem Wasserbad mit Zusatz von Antiseptika (z.B. Polyhexanid, Jod) bei 37 bis 39 °C über einen Zeitraum von 15 bis 60 Minuten oder bis sich ein rot-violettes Hautkolorit zeigt.

Ausgedehnte Verletzung, Gefahr von Folgeschäden – ins Verbrennungszentrum!

Zur Thrombozytenaggregationshemmung gibt man prophylaktisch 100 mg Acetylsalicylsäure und zur Reduktion der Prostaglandinwirkung 800 mg Ibuprofen. Ein trockener Schutzverband ist bei dermalen Erfrierungen mit der Bildung von oberflächlichen Blasen und Erosionen (Grad II) erforderlich. Erfrierungsverletzungen des dritten bzw. vierten Grades erinnern in ihrer Morphologie an Verbrennungen.

Betroffene Patienten müssen rasch in ein spezialisiertes Verbrennungszentrum weitergeleitet werden. Zu beachten ist allerdings, dass eine Blasen- und Nekrosenbildung sehr oft erst mit dem Erwärmen sichtbar wird. Bei Zweifeln und Unsicherheit sollten Betroffene ebenfalls an ein Verbrennungszentrum überwiesen werden.

Bei genereller Hypothermie in der Klinik aufwärmen

Der chronische Kälteschaden (NFCI) hingegen ist gekennzeichnet durch blassweisse Haut, Sensibilitätsstörungen und mit der Erwärmung einsetzenden Schmerzen. Anders als die Erfrierung bedarf es in diesem Fall keiner schnellen Erwärmung des Areals. Empfohlen werden ein lauwarmer Luftstrahl (etwa 25 °C) und eine geeignete Analgesie mit Amitriptylin (Anfangsdosierung 10–25 mg zur Nacht, steigerbar bis zu 100 mg/Tag).

Besteht eine generelle Hypothermie des Organismus, ist der Patient im klinischen Umfeld zu betreuen, um die Körpertemperatur langsam wieder anzuheben – gegebenenfalls unter adäquater Analgesie.

Quelle: Christoph Sachs et al., internist. prax. 2014; 54: 87-95