Medical Tribune
9. Feb. 2024Initiierung einer Insulintherapie – wann und wie?

Diabetes: So vermeiden Sie Hypoglykämien

Beim Diabetes mellitus Typ 2 ist für den Erhalt der glyk­ämischen Kontrolle eine schrittweise Intensivierung der Behandlung nötig. Ab einem bestimmten Moment ist bei vielen Patienten Insulin unausweichlich. Ein Experte erklärt, wann und wie eine Insulintherapie initialisiert werden sollte (1).

Beim Typ-2-Diabetes kommen hauptsächlich ultralang wirksame Insuline zum Einsatz.
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Bei Diabetes mellitus Typ 2 (DM2) nimmt die Insulinproduktion mit Alter und Diabetesdauer ab und lässt sich auch nicht mehr steigern, betont Professor Dr. Roger Lehmann, Leitender Arzt Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Klinische Ernährung, Universitätsspital Zürich (1).

Wann ein Diabetes reversibel ist

Beeinflusst werden kann aber die Insulin­empfindlichkeit. «Mit Gewichtsverlust und körperlicher Aktivität lässt sich bei einem Prädiabetes eine normale Insulin­empfindlichkeit erreichen», so der Experte. Bei einem bestehenden Diabetes mellitus hingegen dauert dieser Prozess länger und es ist nicht sicher, ob tatsächlich der Normal­bereich wieder erreicht wird.

Wenn es darum geht, den HbA1c-Wert zu senken, ist Insulin am potentesten. An zweiter Stelle folgen die GLP1-Rezeptoragonisten, an dritter die SGLT2-Inhibitoren. «Das erste zum Einsatz kommende Medikament hat jedoch immer den grös­sten Effekt auf die HbA1c-Senkung», erklärte der Referent.

Direkt starten bei Zeichen für einen Insulinmangel

Eine Insulintherapie kommt im ersten Schritt immer zum Einsatz, wenn ein Insulinmangel besteht. Diese Patienten haben laut Prof. Lehmann typischerweise ein sehr hohes HbA1c (> 10 %). Hinzu kommen Gewichtsverlust, Polyurie und Polydipsie. Insulin ist zudem immer indiziert, wenn ein Diabetes mellitus Typ 1 (DM1) oder eine spezifische Diabetesform, beispielsweise eine Pankreaserkrankung oder ein monogenetischer Diabetes mellitus, besteht.

Auch kann sich hinter einem dia­gnostizierten Typ-2-Diabetes tatsächlich ein Typ-1-Diabetes verbergen. Dies betrifft sechs Prozent der diagnostizierten DM2-Fälle. Die Patienten haben typischerweise kein metabolisches Syndrom, keine hohen Triglyzeride, kein tiefes HDL und in der Regel auch keine Hypertonie und kein ausgeprägtes Übergewicht.

Basis-Bolus oder koformuliertes Insulin?

Für die Therapie stehen sechs Basalinsuline zur Auswahl. Zum Einsatz kommen heute aber nur die beiden ultralang wirksamen Insuline Glargin 300 und Degludec. «Sie verursachen im Vergleich zu den anderen Basalinsulinen deutlich weniger Hypo­glykämien und die Variabilität ist kleiner», erklärt der Diabetologe.

Bei der Initialisierung stellt sich auch die Frage, ob nur ein Basis­insulin oder ein Basis-Bolus-System zur Anwendung kommen soll. «Letzteres ist für einen Typ-2-Diabetes zu kompliziert», sagte Prof. Lehmann. Deutlich einfacher ist die Therapie mit koformulierten Insulin Degludec und Aspart. «Es senkt das HbA1c und den Nüchtern-Blutzucker gleich gut wie eine Basis-Bolus-Verabreichung, verursacht aber deutlich weniger – auch nächtliche – Hypoglykämien und muss nur zwei-, statt viermal pro Tag injiziert werden», so Prof. Lehmann. Zudem ist der Insulin­bedarf um 18 Prozent geringer (2). Das koformulierte Insulin besteht zu 70 Prozent aus dem langwirksamen Degludec und zu 30 Prozent aus dem schnellwirksamen Aspart.

Insbesondere für Patienten, bei denen der Blutzucker nach einer oder zwei Hauptmahlzeiten stark ansteigt, ist laut Prof. Lehman das koformulierte Insulin eine gute Option. Die Schweizer Diabetes-Guidelines stützen diese Strategie, «denn sie empfehlen primär Medikamente, die keine Hypoglykämien verursachen», so der Experte.