Medical Tribune
17. Sept. 2024Risiken, Diagnose und Management

Parvovirus B19-Infektionen in der Schwangerschaft

Das humane Parvovirus B19 ist vor allem als Verursacher der Ringelröteln (Erythema infectiosum) bekannt. Zwar ist die Infektion bei Kindern meist harmlos, in der Schwangerschaft kann sie allerdings grosse Probleme für das Ungeborene nach sich ziehen. Eine gezielte Diagnose und Überwachung, sowie rechtzeitiges Eingreifen kann ungünstige Konsequenzen oft ersparen.

Sich regelmässig gründlich die Hände zu waschen kann Parvovirus B19-Infektionen in der Schwangerschaft verhindern.
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Sich regelmässig gründlich die Hände zu waschen, kann das Risiko für eine Parvovirus B19-Infektionen in der Schwangerschaft verringern.

«Seit Anfang 2024 steigen die Fallzahlen von Infektionen mit dem Parvovirus B19» berichtet PD Dr. Anda-Petronela Radan, ärztliche Leiterin des Ambulatoriums für Geburtshilfe am Inselspital Bern im Zuge eines Vortrages am FomF (1).

Mehrere europäische Länder verzeichneten etwa kürzlich einen bis zu 10-fachen Anstieg der Fälle. Dazu gehören auch die Schweiz und Deutschland.

Infektionen mit Parvovirus B19 verursachen potenziell Schwangerschaftskomplikationen

Das humane Parvovirus B19 ist ein kleines DNA-Virus, das vor allem für eine der häufigsten Infektionskrankheiten bei Kindern bekannt ist, die Ringelröteln (Erythema infectiosum).

Hat man eine Infektion durchgemacht, besteht eine lebenslange Immunität gegen das Parvovirus B19. Das gilt aber laut aktuellen Daten des Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) nur für rund die Hälfte der jüngeren Erwachsenen. Die andere Hälfte ist somit weiterhin empfänglich für die Infektion.

Laut ECDC besteht für die allgemeine Bevölkerung ein geringes Gesundheitsrisiko nach Infektion. In der Schwangerschaft, bei immunsupprimierte Personen und Patienten mit chronischen hämatopoetischen Erkrankungen stuft die Agentur das Risiko im Falle einer Infektion mit dem Parvovirus B19 als «tief bis moderat» ein.

Findet die Parvovirus B19-Infektion in der Schwangerschaft statt – insbesondere vor der 20. Schwangerschaftswoche – kann das Virus schwere Schäden im heranwachsenden Fetus verursachen. Schätzungen des ECDC zufolge sind bis zu 30 bis 40 Prozent der Frauen im gebärfähigen Alter für eine Infektion empfänglich.

Der typische Ausschlag bei Ringelröteln besteht in roten Wangen ("Slapped cheeks")
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Der typische Ausschlag bei Ringelröteln, die geröteten Wangen («Slapped cheeks»)

Parvovirus B19: Übertragungswege und Krankheitsverlauf

Das Parvovirus B19 wird hauptsächlich durch Tröpfcheninfektion übertragen. Besonders Personen im gleichen Haushalt eines Infizierten haben ein hohes Risiko, sich anzustecken: Etwa 50 Prozent der Personen in engem Kontakt mit einem Infizierten erkranken ebenfalls.

Parvovirus-B19-Infizierte sind dabei oft bereits vor dem Auftreten von Symptomen ansteckend. Nach der Infektion entwickeln sie meist unspezifische grippale Symptome (z.B.Fieber Gelenkschmerzen und allgemeines Unwohlsein). Vor allem bei Kindern mit Ringelröteln tritt nach Eintritt der ersten Krankheitssymptome oft eine Rötung der Wangen auf («Slapped cheeks»).

Spitzenwerte der Fallzahlen der Parvovirus-B19-Infektionen treten typischerweise im Spätwinter und Frühjahr auf.

Komplikationen auch in der Schwangerschaft selten

Bei rund einem Viertel bis einem Drittel der Frauen, die sich in der Schwangerschaft mit dem Parvovirus B19 infizieren, geht die Infektion auch auf das Ungeborene über. In so einem Fall kann es zu Komplikationen kommen. Dazu gehören:

  • fetale Anämie,
  • Hydrops (Ödembildung),
  • Kardiomyopathien,
  • Spätabort und
  • intrauteriner Fruchttod

Kommt es zu einer fetalen Infektion, kann das Virus die Progenitorzellen der Erythrozyten und Thrombozyten zerstören, was zur Hemmung der Blutbildung führt. Das führt zur fetalen Anämie und oft auch einer Thrombozytopenie.

Besonders riskant ist die Infektion vor der 20. Schwangerschaftswoche. In dieser Zeit dominiert die hepatische Blutbildung, in der die gebildeten Erythrozyten eine geringere Halbwertszeit haben. Ausserdem besteht zu diesem Zeitpunkt eine erhöhte Anfälligkeit für eine Anämie. Denn nicht nur muss der Fetus seinen Bedarf an Erythrozyten angesichts seines Grössenwachstums decken, oft ist das noch unreife Immunsystem nicht in der Lage, die Infektion zu kontrollieren.

Zusätzlich können auch die Herzmuskelzellen des Feten infiziert werden, was eine fetale Myokarditis auslösen kann. Diese kann zusätzlich zum Hydrops und zum fetalen Tod beitragen, oder eine Herzinsuffizienz verursachen.

Screening, Diagnose und Überwachung

Da Parvovirus B19-Infektionen besonders vor der 20. Schwangerschaftswoche kritisch sind, sollte idealerweise in der frühen Schwangerschaft der Immunstatus jeder Schwangeren überprüft werden. Dabei gibt es drei mögliche Konstellationen:

  1. IgG-positiv und IgM-negativ: Die Schwangere gilt als geschützt und keine weiteren Massnahmen sind erforderlich, selbst bei einer Exposition gegenüber dem Virus.
  2. IgG-negativ und IgM-negativ: Die Patientin ist seronegativ und damit nicht geschützt. In diesem Fall wird eine Wiederholung der Serologie in der 16. bis 20. Schwangerschaftswoche empfohlen, um eine mögliche Infektion nachzuweisen.
  3. IgG-positiv und IgM-positiv: Dies kann auf eine frische Infektion hindeuten (Ausnahme: längere Persistenz von IgM-positiven Antikörpern.

Mittels PCR-Untersuchung kann ausserdem der Zeitpunkt der Infektion genauer bestimmt werden. Denn IgM-Antikörper können mehrere Monate persistieren – die Infektion könnte bei seropositiven Frauen also auch schon vor der Schwangerschaft stattgefunden haben.

Bei klinischem Verdacht auf ein frische Infektion oder bei engem Kontakt mit einem infizierten Kind bei seronegativen Schwangeren wird unabhängig von der Schwangerschaftswoche die Serologie abgenommen, um die Ansteckung zu bestätigen.

Wie geht es weiter nach positivem Infektionsnachweis

«Auch bei positiver Parvovirus-Serologie kann man Frauen meist vorerst beruhigen» so PD Dr. Radan. «Die meisten intrauterinen Parvovirus B19-Infektionen haben keine nachteiligen Folgen.»

So liegt zum einen das Risiko der Übertragung der Infektion auf das Ungeborene bei 25 bis 30 Prozent. Danach beträgt das Risiko für einen Schwangerschaftsverlust sechs Prozent; dieses ist etwas höher bei einer Infektion vor der 20. Woche. Das Risiko für einen Hydrops beträgt vier Prozent bei Infektion in der Frühschwangerschaft, und unter ein Prozent in der Spätschwangerschaft.

Wird eine Infektion nachgewiesen, werden wöchentlich Ultraschalluntersuchungen vorgenommen. Bei ihnen wird die Maximalgeschwindigkeit in Arteria cerebri media (ACM) gemessen, um nach Anzeichen einer fetalen Anämie zu suchen. Da das Hauptrisiko für einen Hydrops in den ersten acht bis 12 Wochen nach Infektion entsteht, wird die Kontrolluntersuchung dabei für 12 Wochen immer wieder wiederholt.

Management und Behandlungsmöglichkeiten

Derzeit gibt es keine spezifische Behandlung von Parvovirus-B19-Infektionen. «Das Management einer Infektion während der Schwangerschaft konzentriert sich auf die Überwachung und, falls erforderlich, auf die Durchführung intrauteriner Bluttransfusionen, oder eine frühzeitige Entbindung», so PD Dr. Radan.

Liegt eine fetale Anämie mit Hydrops vor, kann versucht werden, das Hämoglobin des Feten durch intrauterine Transfusionen zu stabilisieren. Diese werden normalerweise ab der 18. Schwangerschaftswoche wiederholt in spezialisierten Zentren durchgeführt.

Durch diese Prozedur steigt die Wahrscheinlichkeit für ein gesundes Kind, führt die Expertin aus. In Studien rettete die intrauterine Transfusion rund 85 Prozent der Feten mit Hydrops das Leben. Bei Kindern, die aus diesen Schwangerschaften hervorgingen, fand man später ausserdem keine neurologischen Folgeerscheinungen oder Entwicklungsverzögerungen, die Datenlage diesbezüglich ist jedoch limitiert.

Parvovirus B19: Massnahmen zur Prävention

Eine spezifische Impfung gegen das Parvovirus B19 gibt es zwar nicht. Mittels gezielten Massnahmen kann allerdings die Übertragung der Infektion auf Risikopersonen wie Schwangere minimiert werden.

So sollten Schwangere, die im Gesundheitswesen oder in der Kinderbetreuung tätig sind, regelmässig ihre Hände waschen und gegebenenfalls eine Schutzmaske tragen, insbesondere bei bekannten Ausbrüchen von Ringelröteln.

Schwangere, die bereits Kinder im Kindergarten- oder Schulalter haben, haben ebenfalls eine der erhöhten Infektionsgefahr. Sie sollten den Kontakt zu möglicherweise infizierten Personen – etwa in den Betreuungseinrichtungen  – minimieren. Ausserdem sollten sie sich regelmässig sorgfältig die Hände waschen, und es vermeiden, Speisen und Getränke mit ihrem Kind auszutauschen.

Der Arzt sollte kontaktiert werden, wenn:

  • Symptome wie Hautausschläge oder Fieber bei den eigenen Kindern auftreten
  • Grippale Symptoem bei den Schwangeren selbst auftreten
  • Die Schwangere Kontakt zu einer infizierten Person hatte

Was sagt der Gesetzgeber zum Schutz von exponierten Personen?

Ein erhöhtes Risiko für eine Parvovirus B19-Infektion durch die Tätigkeit stellt für den Gesetzgeber keine rechtliche Grundlage für eine Krankschreibung dar, sagt PD Dr. Radan.

Laut Schweizer Gesetz liegt es in der Pflicht des Arbeitgebers, die Unbedenklichkeit der Tätigkeit sicherzustellen, etwa durch Zuweisung von ungefährlichen und unbeschwerlichen Arbeiten, Instruktion zu Hygienemassnahmen und deren Kontrolle zur Einhaltung.

Liegt keine Risikobeurteilung vor oder ist eine Gesundheitsgefährdung am Arbeitsplatz möglich, kann aber die Erstellung eines Beschäftigungsverbotes durch die betreuende Fachperson vorgenommen werden.