Medical Tribune
15. Apr. 2024Bei Problemen rasch das Arbeitsinspektorat beiziehen

Krankschreibung und Beschäftigungsverbot in der Schwangerschaft

Arbeitgeber müssen Schwangere und deren Ungeborene vor Gefährdungen am Arbeitsplatz schützen. Ist eine ungefährliche Tätigkeit nicht gewährleistet, können gynäkologisch tätige Ärzte Anpassungen der Arbeitsbedingungen verlangen und müssen ein Beschäftigungsverbot aussprechen. Dr. Samuel Iff, Stv. Ressortleiter beim Staatssekretariat für Wirtschaft, fasst die rechtlichen Grundlagen zusammen.

Ist die Sicherheit einer Schwangeren am Arbeitsplatz nicht gewährleistet, können Ärzte ein Beschäftigungsverbot aussprechen.
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Eine Schwangere ist grundsätzlich arbeitsfähig, ausser sie ist krank oder unfallbedingt nicht in der Lage zu arbeiten. Arbeiten darf sie, wenn die Tätigkeit keine Gefahr für die Schwangere darstellt, sagt Dr. Samuel Iff, Stv. Ressortleiter beim Staatssekretariat für Wirtschaft, am Kongress für Praktische Gynäkologie und Geburtshilfe (KPGG).

Arbeitgeber zu Gefährdungsermittlung verpflichtet

Ein Risiko für die Gesundheit der Mutter oder des Ungeborenen besteht bei gefährlichen oder beschwerlichen Tätigkeiten namentlich mit schädlichen Stoffen, Strahlen oder Mikroorganismen oder bei Bewegen von schweren Lasten über zehn Kilogramm.

Auch ermüdende Bewegungen und Körperhaltungen, Stösse, Erschütterungen oder Vibrationen sowie bei belastenden Arbeitssystemen werden vom Gesetzgeber als Gefährdung taxiert.

«Die Arbeitgeber sind zu einer Gefährdungsermittlung des Arbeitsplatzes verpflichtet», so Dr. Iff. Besteht ein Gesundheitsrisiko, muss zudem ein Spezialist für Arbeitsmedizin oder -hygiene eine Risikobeurteilung durchführen und Schutzmassnahmen vorschlagen. «Der Arzt oder die Ärztin, welcher bzw. welche die werdende Mutter gynäkologisch betreut, ist verpflichtet, den Gesundheitszustand der Frau und die Wirksamkeit der Schutzmassnahmen zu beurteilen», erläutert Dr. Iff die Rechtslage.

«Es liegt aber nicht in der Pflicht dieser Ärzte, auch die Schutzmassnahmen auszuwählen, zu bewerten oder gar vor Ort zu beurteilen. Das ist Aufgabe der Fachperson.»

Krankschreibung, Arbeitsverbot, Fernbleiben

Es gibt drei Möglichkeiten, eine Schwangere am Arbeitsplatz zu schützen:

  1. Ist die Frau krank oder hatte sie einen Unfall, kann ein Arbeitsunfähigkeitszeugnis ausgestellt werden.
  2. Ist die Frau gesund aber sie verrichtet gefährliche oder beschwerliche Tätigkeiten am Arbeitsplatz, ist ein Beschäftigungsverbot auszusprechen.
  3. Zusätzlich hat die Schwangere selbst zu jeder Zeit das Recht, sich beim Arbeitgeber von der Arbeit abzumelden, wenn sie das wünscht.

Bei einer Krankschreibung ist mindestens 80 Prozent des Lohnes versichert, bei einem Beschäftigungsverbot muss der Arbeitgeber 80 Prozent des Gehalts der Schwangeren aus eigener Tasche weiterbezahlen. Keine Lohnfortzahlungspflicht besteht, wenn die werdende Mutter auf eigene Anzeige hin der Arbeit fernbleibt.

Liegt keine oder nur eine ungenügende Risikobeurteilung des Arbeitsplatzes vor, oder hat der Arbeitgeber keine ausreichenden Schutzmassnahmen getroffen, sind betreuende Ärzte verpflichtet, für eine Schwangere ein Beschäftigungsverbot aussprechen. «Diese Verpflichtung besteht auch, wenn es andere Hinweise auf eine Gefährdung gibt», betonte Dr. Iff.

Dass Ärzte ein Beschäftigungsverbot aussprechen, ist selten, wie eine Erhebung des Bundesamts für Statistik von 2018 zeigte.

In einer Befragung von Schwangeren sagten 20 Prozent, am Arbeitsplatz seien keine Veränderungen vorgenommen worden. Ein Drittel erklärte, der Arbeitgeber hätte Schutzmassnahmen getroffen. Ein Fünftel hatte Ersatzarbeiten mit geringerer Belastung übernehmen können. Knapp die Hälfte der Befragten waren ärztlich krankgeschrieben. Bei drei Prozent war ein Beschäftigungsverbot ausgesprochen und weitere drei Prozent hatten einen Dispens durch den Arbeitgeber erhalten. «Gesetzeskonform ist, dass der Arbeitgeber bei einem Gefährdungsrisiko Schutzmassnahmen ergreift, der Schwangeren ungefährliche Ersatzarbeiten überträgt, oder der Arzt ein Beschäftigungsverbot ausspricht», so der Experte.

Wirksamkeit der Schutzmassnahmen prüfen

«Die Ärzte, die Schwangere gynäkologisch betreuen, haben einzig die Pflicht, die Wirksamkeit der Schutzmassnahmen der Schwangeren zu überprüfen und – falls nötig – ein Beschäftigungsverbot auszusprechen», betonte Dr. Iff. Ein vorgefertigtes Formular für ein Beschäftigungsverbot steht auf der SECO-Webseite zum Download zur Verfügung. Es enthält auf der Rückseite einen Überblick über die gesetzlichen Grundlagen.

Für die Überprüfung der Wirksamkeit von Schutzmassnahmen am Arbeitsplatz genügt es in einem ersten Schritt, die Schwangere zu befragen, ob gefährliche oder beschwerliche Arbeiten am Arbeitsplatz vorliegen. Wünschenswert ist es, ihr auch das vom SECO bereitgestellte Informationsmaterial für die Frau und den Arbeitgeber mitzugeben.1,2 Liegen gefährliche oder beschwerliche Arbeiten vor, und zeigt sich, dass der Arbeitgeber keine oder nicht genügend Schutzmassnahmen umsetzt, ist ein Beschäftigungsverbot notwendig. Auch empfahl Dr. Iff den Ärzten, rasch das kantonale Arbeitsinspektorat beizuziehen, wenn Unklarheiten bestehen oder gegensätzliche Behauptungen gemacht werden.

Dies ist laut dem Referenten auch ratsam, wenn ein Arbeitgeber den Arzt auffordert, ein Beschäftigungsverbot durch eine Krankschreibung zu ersetzen, damit die Taggeldversicherung die Lohnfortzahlung übernimmt. «Falsch ausgestellte Krankschreibungen gelten als Gefälligkeitszeugnisse», betonte Dr. Iff.

Keine Überstunden, Einschränkungen bei stehenden Tätigkeiten

Zum Schluss weist der Experte noch auf einige allgemeine Schutzmassnahmen hin, die für arbeitende werdende Mütter gelten. Dazu gehören, dass eine Schwangere

  • keine Überstunden machen darf;
  • maximal neun Stunden pro Tag arbeiten darf;
  • ab dem sechsten Monat maximal vier Stunden eine stehende oder gehende Tätigkeit verrichten darf;
  • ab dem vierten Monat bei einer hauptsächlich stehenden oder gehenden Tätigkeit Anrecht hat auf eine tägliche Ruhezeit von zwölf Stunden sowie zusätzlich, auf eine Zusatzpause von zehn Minuten alle zwei Stunden;
  • ab acht Wochen vor der Niederkunft zwischen 20 Uhr und 6 Uhr nicht arbeiten darf;
  • nach der Geburt des Kindes für acht Wochen nicht arbeiten darf.