Medical Tribune
31. März 2024Neues Futter für die Entzündungshypothese

Steckt manchmal ein Virus hinter dem plötzlichen Kindstod?

Die Hintergründe des plötzlichen Kindstod (SIDS) sind komplex. Wissenschaftler glauben nun, eine weitere mögliche Ursachen für den plötzlichen Kindstod gefunden zu haben. Denn zumindest ein Teil der Fälle könnte auf Infektionen zurückgehen, etwa mit humanen Parechoviren.

Eine Fall-Kontroll-Studie fand erhöhte neurale Entzündungsmarker bei einigen der an SIDS verstorbenen Kindern.
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Eltern, die ihren vermeintlich gesunden Säugling morgens tot vorfinden, erleben einen der schwersten Schicksalsschläge. Die Frage «Warum?» kann bisher niemand klar beantworten. Die Triple-Risk-Hypothese besagt, dass die Entstehung des plötzlichen Kindstods (Sudden Infant Death Syndrome; SIDS) von drei Risikofaktoren abhängt: Einer pathophysiologischen Veranlagung, einer kritischen Entwicklungsphase im ersten Lebensjahr und einem äusseren Stressfaktor.

Eine US-amerikanische Forschergruppe hat untersucht, welche Rolle infektionsbedingte Veränderungen im Hirnstamm dabei spielen könnten (1).

In einer Fall-Kontroll-Studie untersuchten sie Körperflüssigkeiten (Liquor, Serum) und/oder Gewebeproben (Leber, Gehirn) von 71 Säuglingen, die am plötzlichen Kindstod gestorben waren. Als Kontrollgruppe bezogen sie 20 gleichaltrige Säuglinge mit anderen Todesursachen ein.

9,3 % der Säuglinge hatten erhöhte Neopterinspiegel

Bei 64 SIDS-Fällen und 15 Kontrollen bestimmten die Forscher die Neopterin-Spiegel im Liquor. Neopterin ist ein sensitiver, aber nicht spezifischer Marker für zelluläre Immunaktivierung im Liquor. Sechs (9,3 %) der Säuglinge, die am plötzlichen Kindstod gestorben waren, wiesen erhöhte Neopterin-Spiegel auf, was auf eine Neuroinflammation hindeutet.

Im nächsten Schritt suchten die Forscher nach infektiösen Erregern bei den betroffenen Säuglingen. Dafür führten sie eine metagenomische Next-Generation-Sequenzierung an Liquor, Leber- und Hirngewebe durch. Bei einem der sechs Fälle konnten sie das humane Parechovirus 3 (HPeV3) im Liquor und Gewebe nachweisen.

Beweis für virusvermittelte medulläre Veränderungen

Bei einer Einzelzell-RNA-Sequenzierung an der Medulla des betroffenen Säuglings zeigte sich zudem eine starke Anreicherung von Transkripten für Gene, die eine Rolle bei Entzündungen spielen. Bei drei gleichaltrigen SIDS-Fällen mit normalen Neopterin-Spiegeln im Liquor war dies nicht der Fall.

Darüber hinaus wurden in diesem Einzelfall erhöhte Entzündungsmarker im Serum und Liquor nachgewiesen. Die Autoren betonen, dass der HPeV3-positive SIDS-Fall ein Beweis für das Prinzip virusvermittelter Veränderungen im Hirnstamm ist, die zur Entstehung einiger plötzlicher und unerwarteter Todesfälle beitragen könnten. Mit herkömmlichen Autopsietechniken könnten diese Vorgänge nicht nachgewiesen werden, so die Autoren.