Was Nicht-Rheumatologen über DMARDs wissen müssen
Das Spektrum der Basismedikamente oder Disease-Modifying Antirheumatic Drugs (DMARDs) hat sich deutlich vergrössert. Standard in der ersten Behandlungslinie von entzündlichen rheumatologischen Erkrankungen ist aber weiterhin Methotrexat. Was Nicht-Rheumatologen über DMARDs wissen müssen, erläutert Professor Dr. Andrea Rubbert-Roth, stellvertretende Klinikleiterin Rheumatologie, Kantonsspital St. Gallen (1).
«Das Ziel der Behandlung mit DMARDs ist, die Gelenkentzündung, die Krankheitsprogression und somit die fortschreitende Gelenkdestruktion aufzuhalten», erklärte Prof. Rubbert-Roth.
Die Therapie soll möglichst auch extraartikuläre Manifestationen wie die kardiovaskuläre Mortalität oder die Osteoporose günstig beeinflussen.
Behandlung im «window of opportunity» macht den Unterschied
Wichtig ist, die Diagnose früh zu stellen und früh, im so genannten «window of opportunity» mit der Behandlung zu beginnen. Denn dies verhindert in den meisten Fällen eine radiologische Progression.
Zu den Basismedikamenten gehören dann
- konventionelle synthetische (cs)DMARDs (Methotrexat [MTX], Leflunomid, Sulfasalazin und Hydroxychloroquin),
- Biologika/Biosimilars oder bDMARDS (TNF-Hemmer, Interleukin[IL]-Antagonisten) und
- zielgerichtete synthetische (ts)DMARDs mit den JAK-Inhibitoren (z.B. Tofacitinib)
Die europäische Fachgesellschaft EULAR empfiehlt zur Behandlung entzündlicher rheumatischer Erkrankungen wie rheumatoider Arthritis (RA) in erster Linie MTX und alternativ Leflunomid oder Sulfasalazin.
Die Patienten sprechen in der Regel sehr gut auf Glukokortikosteroide an. Diese Medikamente stellen aber wegen ihrer Nebenwirkungen keine Dauerlösung dar. «Sie werden initial fast immer mit MTX kombiniert», betont die Expertin. Das Steroid führt zu einer raschen Linderung der Beschwerden und überbrückt somit die Zeit, bis die Wirkung von MTX einsetzt. Dies dauert in der Regel zwölf Wochen. Die RA-assoziierte kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität verbessern sich unter MTX ebenfalls.
Unter Methotrexat einmal im Jahr zum Dermatologen
Die MTX-Gabe erfolgt bevorzugt subkutan, weil das Ansprechen besser ist als mit einer peroralen Aufnahme», sagte Prof. Rubbert-Roth. Studien weisen darauf hin, dass das Darm-Mikrobiom den Metabolismus und das klinische Ansprechen auf orales MTX beeinflussen könnte. Die wöchentliche Startdosis liegt bei 15 mg, bei älteren Patienten genügen auch 10 mg/Woche. 24 Stunden nach MTX-Applikation sollten die Patienten 5 mg Folsäure erhalten. Wichtig ist die Kontrazeption bei Frauen.
Bisher bestehen keine Hinweise auf eine erhöhte Malignom-Inzidenz. «Es gibt allerdings ein Signal für Nichtmelanom-Hautkrebs, weshalb Patienten unter MTX einmal pro Jahr zur Vorsorge zum Dermatologen geschickt werden», so die Referentin. Kontraindiziert ist das Medikament bei eingeschränkter Nierenfunktion und bei ausgeprägter Ergussbildung.
Methotrexat nach Impfungen pausieren
Vor elektiven Hüft- und Knie-Operationen sollte MTX (wie auch Leflunomid, Sulfasalazin und Hydrochloroquin) nicht abgesetzt werden. Nach einer Grippeimpfung reicht eine MTX-Pause von sieben Tagen, nach einer Covid-Impfung mit einem mRNA-Impfstoff ist eine Pause von (ein bis) zwei Wochen notwendig.
Einige RA-Patienten haben eine Lungenbeteiligung. Diese ist von einer allergischen Alveolitis abzugrenzen, die sich unter MTX entwickeln kann. «Bei Patienten, die sechs bis sieben Wochen nach MTX-Gabe Fieber, Dyspnoe und eingeschränkte Sauerstoffsättigung entwickeln, muss MTX dauerhaft abgesetzt werden», betonte die Expertin. Anders sieht es bei der interstitiellen Lungenerkrankung (ILD) aus, die sich als Komplikation der RA entwickelt. In dieser Situation sollte MTX nicht abgesetzt werden, das Medikament den Verlauf einer ILD günstig beeinflussen kann.
Vertragen Patienten ein konventionelles Basistherapeutikum nicht, kann der Wechsel auf ein zweites csDMARD erfolgen. Ist die Krankheitsaktivität unter ausreichend dosiertem MTX weiterhin hoch, ist laut EULAR ein Biologikum/ Biosimilar oder ein JAK-Inhibitor (s. Kasten) zu evaluieren.
JAK-Hemmer nur bei kardiovaskulär Gesunden
Januskinase(JAK)-Inhibitoren kommen heute vor allem bei jüngeren Patienten ohne kardiovaskuläre Risikofaktoren zum Einsatz. Bei älteren, über 65-Jährigen, Rauchern, bestehenden Risikofaktoren für kardiovaskuläre Ereignisse, Malignomen und thromboembolischen Ereignissen sollten JAK-Inhibitoren laut Empfehlungen von EULAR und Swissmedic nur gegeben werden, wenn es keine Alternative gibt.
Denn Daten haben gezeigt, dass ältere Risikopatienten mit dem JAK-Hemmer Tofacitinib ein höheres Risiko für ein kardiovaskuläres Ereignis haben als mit einem TNF-Hemmer. Dies gilt vor allem für Patienten mit früherer KHK. Wichtig ist es, kardiovaskuläre Risikofaktoren optimal anzugehen, z.B. mit Statinen.
Biologika und Biosimilars sind gleichwertig
Bei den Biologika wird zwischen Zytokin-gerichteten (anti-TNF, anti-IL-6) und zellgerichteten Substanzen (z.B. Abatacept, Rituximab), unterschieden. Als einziger TNF-Hemmer kann Certolizumab auch in der Schwangerschaft und während der Stillzeit gegeben werden. Aufpassen heisst es mit TNF-Hemmern bei Patienten mit dekompensierter Herzinsuffizienz. Kontraindiziert sind die Medikamente bei demyelinisierenden Erkrankungen.
Die Wirkung von TNF-Hemmern ist in Kombination mit MTX besser als die Monotherapie. Bei einem sekundären Therapieversagen kann gegebenenfalls auf einen zweiten TNF-Hemmer gewechselt werden.
Kontraindikationen bestehen bei Divertikulitis und einer demyelinisierenden Erkrankung in der Vorgeschichte. Unter IL-6-Inhibitoren steigen zudem die Leberwerte und das Cholesterin, das CRP ist «falsch negativ».
Unter der Therapie mit IL-6-Antagonisten sind laut Prof. Rubbert daher die systemischen Effekte zu beachten:
- Normalisierung des CRP
- Anstieg von Cholesterin und LDL sowie
- Reduktion von Lipoprotein a und HbA1c
Krankheitsmanifestationen bestimmen Medikation
Welches Medikament im konkreten Fall zu bevorzugen ist, hängt schlussendlich von den Nebenwirkungen und von begleitenden Krankheitsmanifestationen ab. An der Haut etwa wirkt ein IL-17-, IL-17A/F, IL-23- oder IL-12/23-Antagonist besser als ein TNF-Hemmer. Bei Uveitis sind TNF-Hemmer zu bevorzugen und bei entzündlicher Darmerkrankung TNF-Hemmer, IL-12/23- oder JAK-Inhibitoren.
- Rubbert-Roth A. DMARDS: Eine Übersicht für den Nichtrheumatologen. Rheuma Top 2023, 24. August 2023, Pfäffikon