Medical Tribune
13. März 2024Mikro- und Nanopartikel in Plaques erhöhten kardiovaskuläres Risiko

Mehr Herzinfarkte und Schlaganfälle wegen Mikroplastik?

In einer neuen Studie hatten Patienten mit Plaques in der Halsschlagader ein höheres Risiko für Tod oder schwere kardiovaskuläre Ereignisse, wenn in den Plaques Partikel aus Nano- oder Mikroplastik nachgewiesen wurde.

Mikroplastik ist mittlerweile ubiquitär.
Fernando Cortés/stock.adobe.com, generiert mit KI
Mikroplastik ist mittlerweile überall.

Die prospektive Studie im New England Journal of Medicine zeigt, dass bei fast 60 Prozent von 304 untersuchten Patienten, die sich einer Carotis-Endarteriektomie unterzogen, Mikro- und Nanoplastik in der entfernten Plaque nachweisbar war (1).

In der Gruppe der Patienten, in deren Carotis-Plaques sich Plastik-Partikel nachweisen liessen, stieg das Risiko für Herzinfarkte, Schlaganfälle, oder Tod jedweder Ursache um den Faktor 4,5 an. Patienten, die Mikro- oder Nanoplastik in ihren Plaques hatten, wiesen ausserdem vermehrte zirkulierende Entzündungsmarker in den Plaques auf.

Mikroplastik unter anderem über die Nahrung aufgenommen

Mikroplastik kann mittlerweile in fast jedem Menschen nachgewiesen werden. Es lagert sich in unterschiedlichen Organen ab, darunter im Darm, der Plazenta, der Leber, der Milz und in Lymphgewebe. Das schreibt der amerikanische Epidemiologe Professor Philip J. Landrigan in einem begleitenden Leitartikel. Kein Wunder, zumal Menschen Mikroplastik einatmen, und über die Nahrung zu sich nehmen können.

Dass sich Mikro- und Nanoplastikpartikel allerdings auch negativ auf die Gesundheit auswirken können, wurde bisher lediglich in Tierstudien gezeigt. Die Wirkung von Plastik auf den Menschen hingegen ist noch grösstenteils unbekannt.

In der vorliegenden Untersuchung zeigten italienische Forscher nun erstmals, dass Mikro- und Nanoplastik mit kardiovaskulären Ereignissen im Menschen in Verbindung stehen könnte.

Mikroplastik bei der Mehrheit der Patienten vorhanden

In ihre Studie schlossen die Wissenschaftler 304 Patienten ein, die sich aufgrund einer asymptomatischen Carotisstenose einer Carotis-Endarteriektomie unterzogen. Im Anschluss untersuchten sie die Gewebsproben der entfernten Atherome auf darin enthaltenes Mikro- und Nanoplastik. Das war bei insgesamt 58 Prozent der Patienten der Fall.

Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 34 Monaten hatten Patienten, in deren atherosklerotischen Plaques Plastikpartikel nachgewiesen wurden, ein um 4,5 fach erhöhtes Risiko für den untersuchten zusammengesetzten Endpunkt aus Tod jedweder Ursache, Herzinfarkt oder Schlaganfall (Hazard Ratio, 4,53; 95%-KI: 2,00-10,27; P < 0,001).

Ausserdem wiesen die Wissenschaftler in den Plaques, die Mikro- und Nanoplastik enthalten hatten, höhere Spiegel an Entzündungsmarkern wie Interleukin-18, Interleukin -1β, Interleukin -6, und TNF-α nach. Darüber hinaus konnten sie zeigen, dass in den Geweben mit Plastikpartikeln vermehrt Lymphozyten und Makrophagen vorkamen. In elektronenmikroskopischen Aufnahmen konnten sie das Plastik als Fremdpartikel mit gezackten Kanten identifizieren. Es hatte sich in den Schaumzellen und im amorphen Anteil der Plaques abgelagert.

Ist Plastik-Exposition ein kardiovaskulärer Risikofaktor?

Eine wichtige Einschränkung des Ergebnisses ist für Kommentator Prof. Landrigan, dass die Teilnehmer mit Mikroplastik in den Atheromen abgesehen vom Plastik möglicherweise auch noch anderen negativen Einflüssen ausgesetzt gewesen sein könnten. «Aber selbst dann stellt die Arbeit einen Durchbruch dar» schreibt er.  

«Dass Plaque-Gewebe Mikro- und Nanoplastik enthalten kann, wirft viele dringende Fragen auf. Etwa, ob man die Exposition gegenüber Plastik als kardiovaskulärer Risikofaktor betrachten soll.» Ausserdem müsse man sich fragen, welche Organe ausser dem Herz-Kreislauf-System noch betroffen sind.

Prof. Landrigan empfiehlt daher bereits vorsorglich, Patienten zu ermutigen, ihren Plastikgebrauch zu reduzieren. Darüber hinaus drückt er aus, dass dringend Massnahmen benötigt werden, um in grossem Massstab von der Plastikabhängigkeit loszukommen. Denn aktuell wird stattdessen eher ein starker Anstieg an produziertem Plastik für die nächsten drei Jahrzehnte prognostiziert.