Medical Tribune
6. März 2024Der Serotyp macht die Musik

Wie sich die seronegative RA von der seropositiven unterscheidet

Rheumafaktor und Antikörper gegen citrullinierte Peptide sind anerkannte Indikatoren für eine rheumatoide Arthritis (RA). Bei Patienten mit seronegativer RA fehlen diese Autoantikörper. Dies hat nicht nur Auswirkungen auf die Diagnosestellung.

Zwei verschiedene Roentgenbilder eines Daumens mit und ohne rheumatoide Arthritis
wikimedia/Hellerhoff
Die seronegative RA führt häufiger zu Behinderung und funktionellen Einschränkungen, etwa im Bereich des Daumens.

Bei mindestens 30 Prozent der Patienten, die klinische Anzeichen einer rheumatoiden Arthritis (RA) zeigen, sind die Bluttests für den Rheumafaktor und die Antikörper gegen citrullinierte Proteine (ACPA) negativ.

Obwohl die allgemeinen Behandlungsempfehlungen für die seronegative RA denen für die seropositive entsprechen, gibt es Unterschiede, die für das Management relevant sein könnten. Italienische Experten haben den aktuellen Kenntnisstand zu diesem Thema zusammengefasst (1).

Pseudogicht hat viele Gemeinsamkeiten mit seronegativer RA

Die erste Herausforderung bei der seronegativen RA ist ihre Diagnose. Um diese zu sichern, muss eine ganze Reihe anderer Krankheiten ausgeschlossen werden. Denn die Beschwerden einer peripheren Arthritis können nicht nur bei nahezu allen entzündlichen rheumatischen sowie bei mehreren nichtrheumatischen Erkrankungen auftreten. Sie kommen auch infolge kompensatorischer immuno­logischer Veränderungen im Rahmen einer Immuntherapie vor.

Bei älteren Patienten mit abruptem Krankheitsbeginn, systemischen Symptomen und schlechtem Ansprechen auf die Therapie sollte beispielsweise an eine paraneoplastische Arthritis gedacht werden. Die Kalzium-Pyrophosphat-Arthritis, auch bekannt als Pseudogicht, tritt ebenfalls häufig bei älteren Menschen auf und weist Ähnlichkeiten zu seronegativen RA auf, weshalb sie eine wichtige Differenzialdiagnose darstellt.

Bei jüngeren Patienten, insbesondere Frauen, mit Laboranomalien wie Zytopenien und Hypergammaglobulinämie sollte ein systemischer Lupus erythematodes in Betracht gezogen werden, selbst wenn keine inneren Organe betroffen sind. Zudem muss das Antisynthetase-Syndrom ausgeschlossen werden, das oft mit begleitenden Symptomen wie Raynaud-Beschwerden, Hautmanifestationen und Lungenbeteiligung einhergeht.

Fibromyalgie tritt oft gleichzeitig auf

Schwer von einer autoantikörper-negativen RA zu unterscheiden sind manchmal Polymyalgia ­rheumatica, Psoriasisarthritis und Spondylo­arthritis. Oft führen erst Nachuntersuchungen im Krankheitsverlauf zu Klarheit. Schluss­endlich kommt die Fibromyalgie ins Spiel: Sie tritt nicht nur oft gemeinsam mit einer seronegativen RA auf. Parallelen zwischen den beiden Erkrankungen bestehen ausserdem hinsichtlich der Risikofaktoren und pathogenen Mechanismen.

Klinisch präsentieren sich die beiden Formen der rheumatoiden Arthrtis ähnlich. Ein Unterschied besteht darin, dass die seronegative RA in Bezug auf das Geschlecht ausgeglichener ist, d.h. Männer häufiger betroffen sind als bei der seropositiven RA. Auch im Verlauf gibt es Unterschiede: Im Vergleich zur autoantikörperpositiven RA treten die ersten Gelenksymptome bei Patienten ohne Autoantikörpernachweis in der Regel plötzlicher auf.

Ein weiteres Merkmal der seronegativen RA ist ihr ausgeprägter entzündlicher Charakter. Allerdings gibt es eine Diskrepanz zwischen den objektiven Entzündungswerten und der subjektiven Krankheitsaktivität, die von den Patienten berichtet wird. Offensichtlich leiden Betroffene stärker unter chronischen Schmerzen, Fatigue und einer schlechten Lebensqualität. Entsprechend berichten sie häufiger als Patienten mit seropositiver RA von Behinderungen, funktionellen Beeinträchtigungen, emotionalem Stress und Produktivitätsverlusten.

Höhere Wahrscheinlichkeit für spontane Remissionen

Dafür tragen RA-Patienten ohne Auto­antikörper ein niedrigeres Risiko für Gelenk- und Knochenschäden als Betroffene, bei denen Auto­antikörper nachgewiesen werden konnten. Dies liegt unter anderem daran, dass sie in den ersten Jahren nach Krankheitsbeginn unter einem geringeren Knochendichteverlust leiden.

Verschiedene Beobachtungsstudien und randomisierte kontrollierte Studien deuten darauf hin, dass Patienten mit seronegativer RA ähnlich gute Behandlungsergebnisse erzielen wie Patienten mit Autoantikörpern. Es gibt jedoch auch widersprüchliche Ergebnisse zu diesem Thema.

Einige Patienten mit autoantikörpernegativer RA haben eine chronische Erkrankung mit fortschreitender Behinderung und benötigen daher eine lebenslange Therapie mit DMARD. In der Praxis scheint bei ihnen die Eskalation zu einem Biologikum schneller zu erfolgen als bei seropositiven Patienten. Auf der anderen Seite haben Patienten mit seronegativer RA eine höhere Wahrscheinlichkeit für eine Spontanremission bzw. dafür, dass eine Remission nach Absetzen der Behandlung bestehen bleibt.

Inzidenz und Prävalenz der seronegativen RA werden zunehmen

Veränderungen von Lebensstil und Umweltfaktoren sowie eine alternde Bevölkerung werden zu einer steigenden Inzidenz und Prävalenz der auto­antikörpernegativen RA führen, prognostizieren die Autoren der Übersichtsarbeit. Angesichts der Folgen dieses Krankheitssubtyps für das Leben der Betroffenen und die Gesellschaft fordern sie, der RA und den ­arthritisähnlichen Erkrankungen ohne Nachweis von Autoantikörpern künftig mehr Aufmerksamkeit entgegenzubringen.