Medical Tribune
15. Apr. 2024Lupus reloaded

Systemischer Lupus erythematodes: Neue EULAR-Empfehlungen

Beim systemischen Lupus erythematodes (SLE) hat es in den letzten Jahren mehrere Neuerungen gegeben. Darum hat die EULAR ihre Empfehlungen für den SLE angepasst. Zu den wichtigsten Änderungen gehören ein strikterer Umgang mit Glukokortikoiden und die Einordnung neuer Wirkstoffe.

Hautläsionen eines Patienten mit systemischem Lupus erythematodes.
Science Photo Library

Die EULAR-Empfehlungen werden regelmässig überarbeitet – kürzlich war unter anderem der systemische Lupus erythematodes dran.

Nötig wurde dies aufgrund der rasanten Entwicklung bei der medikamentösen Therapie, insbesondere bei der Lupusnephritis. Um die neuen Erkenntnisse zu integrieren, hat ein Team aus weltweit führenden Experten übergeordnete Prinzipien (s. Kasten) erarbeitet und für die folgenden 13 Punkte die Empfehlungen aktualisiert.

Die fünf Pfeiler der Lupustherapie

Fünf übergeordnete Prinzipien bilden bei der Interaktion zwischen Lupuspatient und Arzt einen Rahmen für das Therapie­management, betonen die Autoren. Sie lauten folgendermassen:

  • Die Behandlung des systemischen Lupus erythematodes erfordert ein multidisziplinäres, auf den Patienten zugeschnittenes Management. Es basiert auf Patientenedukation und einer gemeinsamen Entscheidungsfindung. Dabei sind die Kosten der verschiedenen Behandlungen gegen die Auswirkungen des SLE auf soziale Teilhabe und Arbeitsbeteiligung des Patienten abzuwägen.
  • Die Krankheitsaktivität wird bei jeder Kontrolluntersuchung erfasst, geeignete Instrumente sind SELENA-SLEDAI, SLEDAI-2K und BILAG. In welchen Abständen die Kontrollen erfolgen, entscheidet der behandelnde Arzt individuell. Einmal jährlich steht das Assessment eventueller Organschäden an.
  • Essenziell für die Verbesserung des Langzeit-Outcomes sind nichtpharmakologische Interventionen. Dazu gehören Sonnenschutz, Tabakabstinenz, eine gesunde Mischkost und regelmässige Bewegung.
  • Die Pharmakotherapie erfolgt abhängig von Patientencharakteristika, Art und Schwere vorhandener Organschäden, behandlungsbedingten Nebenwirkungen, Komorbiditäten, Progressionsrisiko und Patientenwunsch.
  • Anzustreben ist eine möglichst frühe Diagnose, das frühzeitige Erkennen und Therapieren von Organmanifestationen und das Erreichen einer Remission bzw. einer niedrigen Krankheitsaktivität. Damit und durch strikte Adhärenz lassen sich Schübe und Organschäden vermeiden und Prognose sowie Lebensqualität verbessern.

Die wichtigsten Empfehlungen im Überblick

1. Hydroxychloroquin

Hydroxychloroquin (HCQ) ist die Standardtherapie für alle Lupuspatienten, es sei denn, es liegen Kontraindikationen vor. Die Zieldosis beträgt 5 mg/kg Körpergewicht pro Tag. Sie muss allerdings individuell an den Patienten angepasst werden. Zu beachten sind dabei unter anderem Krankheitsschübe und das Risiko der Retinatoxizität. Empfohlen wird – wenn möglich – ein Monitoring mittels HCQ-Blutspiegeln.

2. Glukokortikoide

Der Einsatz von Glukokortikoiden richtet sich nach Schwere und Art der Organmanifestationen. Anzustreben ist das komplette Absetzen der Glukokortikoide bzw. eine Dosisreduktion auf maximal 5 mg/d Prednisolonäquivalent. Bei Patienten mit mittlerer bis schwerer Erkrankung ist auch eine Stosstherapie mit täglich 125–1000 mg/d Methylprednisolon i.v. über drei Tage möglich.

3. Immunmodulation und Immunsuppression

Reicht HCQ allein oder in Kombination mit Glukokortikoiden nicht aus, sind Immunmodulatoren bzw. Immunsuppressiva angezeigt. Das Gleiche gilt, wenn sich die tägliche Glukokortikoid-Dosis nicht unter die 5-mg-Grenze senken lässt. Infrage dafür kommen Methotrexat, Azathioprin, Mycophenolat-Mofetil (MMF) sowie Biologika wie Belimumab oder Anifrolumab.

Im Gegensatz zu den Empfehlungen von 2019 ist es für das internationale Gremium nicht mehr zwingend erforderlich, dass vor der Gabe eines Biologikums ein konventioneller Wirkstoff versagt hat.

4. Lebensbedrohlicher Verlauf

Bei drohenden Organschäden oder lebensgefährlicher Erkrankung kann Cyclophosphamid i.v. gegeben werden, bei Therapieresistenz auch Rituximab (off label). Bleiben diese Wirkstoffe erfolglos, sind Plasmaaustausch, Stammzelltransplantation oder experimentelle Therapien wie z.B. die Gabe von CAR-T-Zellen eine Option.

5. Hautläsionen

Bei aktivem kutanem Lupus helfen topisch Glukokortikoide oder Calcineurinhibitoren sowie systemisch HCQ oder Glukokortikode. Für die etwa 40 Prozent der Patienten, die darauf nicht ansprechen, kommen second line Anifrolumab, Belimumab, Methotrexat oder MMF infrage. Je nach Ausmass und Schwere sind – am besten in Zusammenarbeit mit dem behandelnden Dermatologen – auch andere Wirkstoffe möglich, darunter Dapson, Retinoide, Cyclophosphamid oder Thalidomid.

6. Neuropsychiatrische Manifestationen

Entzündliche, lupusbedingte neuropsychiatrische Manifestationen werden mit Glukokortikoiden und Immunsuppressiva behandelt, bei schwerer Ausprägung sind Cyclophosphamid oder Rituximab die erste Wahl. Durch Antikörper ausgelöste Ereignisse wie ein Schlaganfall erfordern eine Antikoagulation oder die Gabe von Thrombozytenaggregationshemmern.

7. Akute Thrombozytopenie

Schwere autoimmunbedingte Thrombozytopenien (Plättchen unter 20.000–30.000/mm3) erfordern eine Behandlung mit hoch dosierten Glukokortikoiden. Falls erforderlich, können diese mit intravenösen Immunglobulinen, Rituximab oder Cyclophosphamid kombiniert werden. Als nachfolgende Erhaltungstherapie bieten sich Rituximab, Azathioprin, MMF oder Cyclosporin an.

8. Aktive Lupusnephritis

Patienten mit aktiver Lupusnephritis sollten intravenös niedrig dosiertes Cyclophosphamid oder Mycophenolat plus Glukokortikoide erhalten. Letzteres als Stosstherapie mit 250–1000 mg/d Methylprednisolon für ein bis drei Tage, danach oral getapered.

Je nach Einschätzung des behandelnden Arztes ist eine Kombination von Cyclophosphamid oder Mycophenolat mit Belimumab oder Calcineurininhibitoren wie Voclosporin plus MMF möglich. Nach den verfügbaren Daten zu urteilen, ist bei der Lupusnephritis bisher keiner der beiden neuen Wirkstoffe dem anderen überlegen, schreiben die Autoren. Zur Behandlung einer thrombotischen Mikroangiopathie scheint zusätzlich zur Antikoagulation die Gabe des C5-Antikörpers Eculizumab erfolgreich zu sein.

9. Weiterbehandlung der Lupusnephritis

Nach renaler Response ist die Behandlung noch für mindestens drei Jahre fortzuführen. Definiert ist die Response als eine Reduktion der Proteinurie um 25 bzw. 50 Prozent nach drei bzw. sechs Monaten und auf 500–700 mg/d nach zwölf Monaten im Rahmen einer GFR, die maximal um 10 Prozent von der Baseline abweicht. Infrage kommt folgendes Vorgehen:

  • Patienten, die initial MMF allein oder in Kombination mit Belimumab oder einem Calcineurininhibitor (z.B. Voclosporin) bekommen haben, behalten diese Therapie bei.
  • Initial gegebenes Cyclophosphamid wird mit Mycophenolat oder Azathioprin ersetzt.

10. Drohendes Nierenversagen

Droht ein Nierenversagen, kann man erwägen, dem Patienten intravenös Cyclophosphamid zusammen mit einem hoch dosierten Methylprednisolon-Puls zu geben.

11. Tapern bei Remission

Bei SLE-Patienten, die sich seit mindestens zwei Jahren in stabiler Remission befinden, sollte versucht werden, die Wirkstoffe schrittweise auszuschleichen – frühestens allerdings nach 3–5 Jahren Therapie. Zunächst werden die Glukokortikoide reduziert, danach die DMARD. Das Absetzen von HCQ wird nicht empfohlen, es sei denn aufgrund schwerwiegender Nebenwirkungen. Ob HCQ reduziert werden kann, entscheidet der behandelnde Arzt individuell.

12. Antiphospholipidsyndrom

Nach einem ersten arteriellen oder einem nicht provozierten venösen thrombotischen Ereignis empfehlen die Experten für SLE-Patienten mit Antiphospholipidsyndrom (APS) eine langfristige Antikoagulation mit einem Vitamin-K-Antagonisten.

NOAK erhöhen das Thromboserisiko und dürfen deshalb nicht verabreicht werden. Bei Patienten, die noch keine thrombotischen Ereignisse erlebt haben und ein hohes Risiko aufweisen (definiert als Nachweis von Lupus-Antikoagulans allein oder in Kombination mit Anticardiolipin-Antikörpern oder Anti-Beta-2-Glykoprotein-I-Antikörpern) können prophylaktisch low dose ASS (75–100 mg/d) erhalten.

13. Komorbiditäten und Infekte

Patienten mit systemischem Lupus erythematodes sollten alle empfohlenen Impfungen erhalten, insbesondere gegen HZV, HPV, Influenzavirus, SARS-CoV-2 und Pneumokokken. Zudem wird dazu geraten, die Knochenqualität und das Herz-Kreislauf-Risiko im Blick zu behalten sowie die Patienten regelmässig auf Malignome zu screenen.