Medical Tribune
4. Okt. 2024Forscher sprechen Impfempfehlungen für Clozapin-Nutzer aus

Mehr Klarheit zu Infektionen unter Antipsychotika

Antipsychotika wie Clozapin werden häufig mit einem erhöhten Risiko für Infektionen der Atemwege in Verbindung gebracht. Frühere Studien hatten jedoch Schwierigkeiten, die Auswirkungen des Medikaments von den allgemeinen gesundheitlichen Risiken, die mit Schizophrenie einhergehen, zu unterscheiden. Eine aktuelle Registerstudie aus Dänemark liefert nun eindeutigere Erkenntnisse.

In einer neuen Studie erhöhten Antipsychotika das RIsiko für schwere Infektionen.
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Die Studie in The Lancet Psychiatry (1) untersuchte Schizophrenie-Patienten während der Covid-19-Pandemie auf ihr Risiko für Infektionen der Atemwege. Die Forscher erfassten die Studienteilnehmer dabei sowohl in Phasen, in denen sie Antipsychotika einnahmen, als auch in medikamentenfreien Zeiträumen, um den Einfluss der Behandlung von den krankheitsspezifischen Faktoren zu trennen.

Die Ergebnisse zeigten keine Hinweise auf vermehrte leichte Infektionen der Atemwege bei Antipsychotika-Nutzern. Allerdings war das Risiko für schwerwiegende Infektionen, insbesondere Pneumonien, bei älteren Patienten signifikant erhöht. So mussten Patienten über 70 Jahre häufiger aufgrund von Covid-19 hospitalisiert werden. Patienten über 40 Jahre wiesen ein erhöhtes Risiko für Krankenhausaufenthalte oder Todesfälle aufgrund von nicht-Covid-bedingten Atemwegsinfektionen auf.

Clozapin und Pneumonierisiko

Clozapin gilt als bevorzugtes Medikament bei therapieresistenter Schizophrenie, wird aber aufgrund seiner potenziell schweren Nebenwirkungen seltener verschrieben.

Zu diesen gehören schwerwiegende Risiken wie Agranulozytose und Infektionen, was zu strengen weltweiten Auflagen wie regelmässigen Blutuntersuchungen zur Kontrolle der Neutrophilen-Anzahl geführt hat.

Uneinheitliche Ergebnisse zur Infektionsgefahr

Frühere Studien lieferten widersprüchliche Ergebnisse zur Infektionsgefahr infolge von Clozapin, da sie nicht immer den Einfluss der Schizophrenie von der Wirkung des Wirkstoffs trennen konnten.

Die landesweite Registerstudie, die alle Dänen mit diagnostizierter Schizophrenie-Spektrum-Störung zwischen 2020 und 2021 umfasste, liefert nun wichtige Einblicke in dieser Frage. 

Eingeschlossen wurden insgesamt  85.083 Dänen (Median 45,8 Jahre, 52,1 % Frauen), darunter 30.984 Antipsychotika-Nutzer, die die Substanzen

  • Clozapin,
  • Olanzapin,
  • Aripiprazol,
  • Quetiapin,
  • Risperidon, oder
  • Zuclopenthixol

einnahmen.

Die Patienten waren median 45,8 Jahre alt, 52,1 Prozent der Teilnehmer waren Frauen.

Hauptergebnisse der Studie:

  • Leichte Infektionen: Antipsychotika-Nutzer lösten nicht häufiger Rezepte für Antiinfektiva ein als Nicht-Nutzer und hatten ein geringfügig niedrigeres Risiko, positiv auf SARS-CoV-2 getestet zu werden (HR 0,91).
  • Schwere Infektionen: Das Risiko für Krankenhausaufenthalte aufgrund von Covid-19 stieg bei Antipsychotika-Nutzern, insbesondere bei Patienten über 80 Jahren (HR 1,64). Ebenso war das Risiko für nicht-Covid-bedingte Atemwegsinfektionen signifikant erhöht, besonders bei Personen über 40 Jahren (HR 1,61 für Krankenhausaufenthalte und Todesfälle)
  • Clozapin: Im Vergleich zu anderen Antipsychotika zeigte Clozapin kein zusätzliches Risiko für schwere Infektionen.

Die Ergebnisse der Studie wurden um demografische und sozioökonomische Faktoren, Komorbiditäten und Impfstatus bereinigt und stimmen mit anderen Studien überein, darunter eine kürzlich veröffentlichte finnische Registerstudie, die ebenfalls ein erhöhtes Risiko für schwerwiegende Infektionen bei Clozapin-Nutzern feststellte (2).

Impfungen für Antipsychotika-Nutzer über 40

Die Studienautoren empfehlen präventive Massnahmen wie die Pneumokokken-, Influenza- und Covid-19-Impfung für Patienten über 40 Jahre, die Antipsychotika einnehmen, um das Risiko schwerer Infektionen zu reduzieren.

Eine Einschränkung der Studie ist, dass die dänischen Register Schizophrenie-Patienten in Dänemark in den ersten zwei Jahren nach ihrer ersten Antipsychotika-Verschreibung nicht einschliessen, was die Ergebnisse beeinflusst haben könnte.