Medical Tribune
24. Nov. 2023Nicht nur Dyspnoe, Lungenfunktion und Exazerbationen zählen

Beim COPD-Management Komorbiditäten nicht vernachlässigen

COPD-Patienten leiden in der Regel an mindestens einer, im Durchschnitt sogar an fünf weiteren chronischen Erkrankungen, die für die Therapie relevant sind. Diese zusätzlichen Krankheiten beeinträchtigen die Prognose und müssen von Anfang an bei der Betreuung berücksichtigt werden.

Take Home Messages

  1. Fabbri LM et al. COPD and multimorbidity: recognising and addressing a syndemic occurrence. Lancet Respir Med. 2023 Nov;11(11):1020-1034. doi: 10.1016/S2213-2600(23)00261-8. Epub 2023 Sep 8.
Behandelt man die COPD in Kontext mit anderen Komorbiditäten, ist das ein Gewinn für den Patienten und das Gesundheitssystem.
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Neuere Erkenntnisse zeigen, dass die chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD) als Teil eines multimorbiden Syndroms betrachtet werden sollte. Häufig tritt sie etwa zusammen mit anderen respiratorischen oder kardiovaskulären Erkrankungen, Osteoporose, metabolischen und neuropsychiatrischen Störungen, chronischer Niereninsuffizienz, gastroösophagealem Reflux, Anämie und Krebs auf.

Diese Erkrankungen entwickeln sich bei COPD-Patienten 15 bis 20 Jahre früher als bei gesunden Menschen. Es ist auch bekannt, dass das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse nach einer COPD-Exazerbation deutlich ansteigt. Die meisten COPD-Patienten sterben nicht an respiratorischem Versagen, sondern vor allem aufgrund von kardiovaskulären oder onkologischen Ursachen.

Die COPD als Teil eines multiborbiden Status

Aktuelle Leitlinien konzentrieren sich hingegen hauptsächlich auf die COPD. Bei der Diagnose und Behandlung werden gewöhnlich daher respiratorische Symptome, Exazerbationen, Lungenfunktion und Belastungstoleranz berücksichtigt, unabhängig von möglichen Begleiterkrankungen.

Der GOLD (Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease)-Report bezeichnet die COPD seit 2017 als Teil eines multimorbiden Zustands. Dennoch wird nach wie vor empfohlen, das Management auf die einzelne Erkrankung auszurichten.

Diese begrenzte Sichtweise kann dazu führen, dass Komorbiditäten bei Diagnose und Therapie vernachlässigt werden, warnen Professor Dr. Leonardo Fabbri von der Universität Ferrara und seine Co-Autoren in einer aktuellen Übersicht (1).

Die Tatsache, dass COPD häufig mit einer Reihe von Begleiterkrankungen einhergeht, ist kein Zufall. Vielmehr liegen der Koinzidenz zahlreiche gemeinsame pathobiologische Mechanismen und Risikofaktoren zugrunde. Insbesondere Signalwege, die in den Alterungsprozess involviert sind, wie systemische Entzündung, Fibrose, Proliferation und Apoptose, spielen hier eine wichtige Rolle.

Alle behandelbaren Komponenten der Erkrankungen, die bei einem Patienten vorliegen, müssten dabei je nach Schweregrad in ein individuelles Therapiekonzept einbezogen werden.

Differenzierung von COPD-Typen

Kohortenstudien zeigen, dass für eine korrekte Behandlung eine Differenzierung der COPD-Phänotypen erforderlich sein könnte. Der entzündliche Phänotyp zeichnet sich beispielsweise durch einen erhöhten Body-Mass-Index (BMI), erhöhte Entzündungsmarker im Blut, häufige Bronchitiden, metabolisches Syndrom, Diabetes und koronare Herzkrankheit aus.

Ein anderer Phänotyp («imploding») ist gekennzeichnet durch einen niedrigen BMI, Veränderungen bei Biomarkern, die mit Reparaturfunktionen assoziiert sind (z.B. reduzierte Level des soluble receptor for advanced glycation end-products sRAGE), multiplen Gewebsverlust in Organen, Muskelatrophie, Emphysem, Osteoporose, Lungenkrebs, arterielle Steifigkeit und häufige Exazerbationen. Solche Morbiditätscluster sollten analysiert werden, um die Therapie gezielt anzupassen, fordern die Autoren.

Fragmentierte Betreuung kann Patienten gefährden

Derzeit werden multimorbide COPD-Patienten in der Regel fragmentiert betreut. Dabei kümmern sich verschiedene Fachärzte kümmern jeweils um einen Aspekt der Multimorbidität, ohne sich miteinander abzustimmen. Dies erhöht nicht nur die Kosten, sondern kann den Patienten auch gefährden, etwa wenn verordnete Therapien miteinander interagieren. Durch einen interdisziplinären Ansatz, der sich an den behandelbaren Merkmalen orientiert, kann die Betreuung der Patienten optimiert werden.

Im Rahmen einer solchen integrierten Versorgung sollten alle Patienten mit symptomatischer COPD auf die häufigsten Risikofaktoren und Begleiterkrankungen untersucht werden. An erster Stelle stehen jene, die die Prognose unabhängig vom Schweregrad der COPD verschlechtern. Dazu gehören

  • Hyperlipidämie
  • Hypertonie
  • Herzinsuffizienz
  • Vorhofflimmern
  • koronare Herzkrankheit
  • Lungenkrebs
  • Angst, und
  • Depression.

Hinzu kommen weitere Begleiterkrankungen, die sich negativ auf den Gesundheitszustand auswirken, wie Osteoporose und Sarkopenie. COPD-Leitlinien sollten in Zukunft stärker die Multimorbidität berücksichtigen, so Professor Fabbri und seine Kollegen. Sie sollten auch praktische Empfehlungen für das Management häufiger Begleiterkrankungen enthalten.

Möglichkeiten der Prävention nutzen

Eine Reihe von Massnahmen zielt darauf ab, Multimorbidität bei Patienten mit COPD möglichst gering zu halten. Insbesondere geht es darum, Risikofaktoren zu modifizieren. Dazu zählen Rauchen, mangelnde körperliche Aktivität, ungesunde Ernährung und Luftverschmutzung. Eine weitere Säule der Prävention sind Impfungen gegen Influenza, Covid-19, Pneumokokken und RSV. Darüber hinaus sollten Blutdruck, Glukose und Lipide frühzeitig und regelmässig kontrolliert werden.