Medical Tribune
17. Juni 2024Neue Übersichtsarbeit zur Diagnose und Behandlung

Bei der Katatonie entscheidet ein früher Therapiestart

Katatonie tritt bei vielen verschiedenen Krankheiten auf, nicht nur bei Schizophrenie. Sie kann dabei sehr unterschiedlich ausgeprägt sein. Die Patienten benötigen eine schnelle und angemessene Behandlung. Eine Übersichtsarbeit im New England Journal of Medicine hat den Stand des Wissens zu Diagnostik und Therapie zusammengefasst.

Die Blickstarre und das Grimassieren gehören zu den häufigen und mittelfrequenten Katatonie-Ausprägungen.
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Die Blickstarre und das Grimassieren gehören zu den häufigen und mittelfrequenten Katatonie-Ausprägungen.

Viele Ärzte betrachten Katatonie immer noch als eine spezielle Form von Schizophrenie mit eigenartigen motorischen Veränderungen.

Allerdings wird sie seit der Einführung der ICD-11 als eigenständiges Syndrom betrachtet, das im Rahmen verschiedener Erkrankungen auftreten kann, schreiben Professor Dr. Stephan Heckers vom Vanderbilt University Medical Center in Nashville und Professor Dr. Sebastian Walther von der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Bern (1).

Diagnose aufgrund vielfältiger Symptome oft erschwert

Die Vielfalt der Symptome der Katatonie erschwert dabei oft ihre Diagnose. Die Symptome können sich in leicht auffälligem Verhalten äussern oder einen schweren, manchmal sogar tödlichen Verlauf nehmen. Kommunikationsstörungen erschweren oft die Krankengeschichte.

Die ICD-11 listet 14 Diagnosekriterien auf, von denen drei erfüllt sein müssen (siehe Kasten). Die meisten Patienten leiden an Stupor, Mutismus und Blickstarre. Katalepsie (starre Körperhaltung) und Echophänomene treten hingegen bei weniger als 20 Prozent der Patienten auf.

Katatonie-Zeichen laut ICD-11

sehr häufig: Blickstarre, Stupor, Mutismus, Posieren

mittelfrequent: Ambitendenz, Negativismus, Stereotypien, Starre, Agitation ohne externen Stimulus, Grimassieren, Manierismen

selten: Echolalie, Echopraxie, Verbigeration, Flexibilitas cerea, Katalepsie

Die Symptome können innerhalb von Stunden ihr Maximum erreichen, oder sich über Tage und sogar Wochen hinweg entwickeln. Einige Patienten haben wiederkehrende Episoden, während bei anderen die Katatonie über Jahre anhalten kann, beispielsweise im Rahmen einer Schizophrenie oder einer neurologischen Entwicklungsstörung wie Autismus.

Die Differenzialdiagnosen sind vielfältig. Zu ihnen zählen unter anderem Intoxikation (z.B. Cannabis, Kokain) und Entzugserscheinungen (Alkohol, Opioide, Benzodiazepine). Auch ein malignes neuroleptisches Syndrom, eine Autoimmunenzephalitis und das Serotoninsyndrom können sich ähnlich manifestieren, ebenso Delir und Demenz.

Innerhalb der Psych­iatrie treten katatone Bilder ausserhalb der Schizophrenie etwa bei affektiven Störungen, Autismus und Demenz auf.

Krankheitsmanagement fusst auf drei Säulen

Das Krankheitsmanagement baisert auf drei Säulen:

  1. der spezifischen Therapie der Katatonie,
  2. der Behandlung der Grunderkrankung und
  3. der Prävention von Komplikationen.

Alle Patienten profitieren darüber hinaus von der Kontrolle des Blutdrucks sowie einer angemessenen Flüssigkeits- und Nahrungsaufnahme. Die Autoren empfehlen generell die Vorbeugung von Thrombosen, Druckgeschwüren und Infektionen.

Die Primärtherapie sollte nach der Diagnosestellung so schnell wie möglich begonnen werden, da mit zunehmender Verzögerung die Wahrscheinlichkeit eines Ansprechens sinkt.

Lorazepam und gegebenenfalls Elektrokrampftherapie (EKT) zeigen bei 60 bis 100 Prozent der behandelten Personen Wirkung. Die EKT kann auch bei Patienten eingesetzt werden, die gegen Benzodiazepine resistent sind. Lorazepam kann in höheren Dosen verabreicht werden (maximal 16 mg/Tag). Die Wirkung der EKT tritt normalerweise nach vier bis sechs Anwendungen ein.

Als Zweitlinientherapie werden NMDA-Antagonisten, Amantadin und Memantin eingesetzt. Die Autoren raten zur Vorsicht bei Dopaminantagonisten. Diese können zwar begleitende psychotische Symptome lindern, aber möglicherweise die Katatonie verschlimmern.

Nach Ausschluss eines malignen neuroleptischen Syndroms kann man Antipsychotika der zweiten Generation verordnen, v.a. Clozapin.

Was tun bei Rezidiven oder chronischer Katatonie?

Bei rezidivierenden Episoden hilft eine regelmässige Verlaufskontrolle, Symptome frühzeitig zu erkennen. Patienten mit chronischer Katatonie können von wiederholter EKT, niedrig dosiertem Clozapin (< 150 mg/d) und psychotherapeutischen Interventionen profitieren. Das betrifft vor allem Menschen mit Schizophrenie-Spektrum-Störungen.