Medical Tribune
22. Mai 2024Kurzzeit-Hormontherapie bringt wenig

Studie zeigt Nutzen und optimale Dauer der ADT nach radikaler Prostatektomie auf

Die Studie RADICALS-HD untersuchte den Nutzen und die bestmögliche Dauer der Androgendeprivations-Therapie (ADT). Sie zeigt: Eine 6-monatige ADT bringt bei Männern mit niedrigerem Risiko wenig. Dagegen verlängerte eine 24-monatige ADT bei Männern mit höherem Risiko die Metastasenfreiheit. Kann man die Nebenwirkungen in Kauf nehmen, so ist die Langzeit-Therapie bei ihnen eine vernünftige Option, schreiben die Autoren.

Die RADICALS-HF-Studie untersuchte den Nutzen und die optimale Dauer der ADT nach radikaler Prostatektomie.
Sebastian Kaulitzki/stock.adobe.com

Die zwei in der gleichen Ausgabe des Journals The Lancet veröffentlichten Arbeiten aus der Phase-III-Studie RADICALS-HD legen nahe, dass

  1. bei Prostatakarzinom mit niedrigerem Rezidivrisiko eine 6-monatige Androgendeprivations-Therapie (ADT) zusätzlich zur Radiotherapie nach radikaler Prostatektomie keine Vorteile hinsichtlich des metastasenfreien Überlebens bringt (1)

Die Autoren geben an, dass bei Patienten mit niedrigem Risiko guten Gewissens die nebenwirkungsbehaftete Kurzzeit-Hormontherapie ausgelassen werden kann. Bei Männern mit höherem Risiko sollte dagegen eher zu einer Langzeit-ADT gegriffen werden.

Prostatakarzinom und ADT

Rund 7.000 Männer erkranken in der Schweiz jedes Jahr an Prostatakrebs. Damit ist der Tumor bei Männern in der Schweiz die häufigste Krebsart. Ist die Erkrankung auf die Prostata beschränkt (lokal) bestehen sehr gute Chancen auf eine Heilung nach Entfernung der Prostata (Prostatektomie). Bei einer metastasierten Erkrankung muss hingegen das Rezidivrisiko durch zusätzliche Behandlungen wie eine Strahlentherapie oder eine Androgendeprivations-Therapie (ADT, Hormontherapie)gesenkt werden.

Die ADT führt bei vielen Männern zu Störungen der sexuellen Funktion, wie eine erektile Dysfunktion und Libidoverlust. Diese können sich nach Absetzen der Hormontherapie wieder erholen. Langfristig kann sie aber auch z.B. metabolische Störungen, kardiovaskuläre Ereignisse und Osteoporose begünstigen.

Wissenslücke zu ADT bei adjuvanter und Salvage-Behandlung

Bei lokalisierten Tumoren mit mittlerem und hohem Risiko, die primär mit einer Strahlentherapie behandelt werden, konnte eine adjuvante 6-monatige ADT den Behandlungserfolg in Studien eindeutig verbessern.

Weniger klar ist, ob die kurzfristige adjuvante Hormontherapie auch zusätzlich zur adjuvanten oder Salvage-Strahlentherapie nach radikaler Prostatektomie sinnvoll ist. Derzeit wird diese Praxis nicht überall eingesetzt. Relevante Leitlinien wie die ESMO Clinical Practice Guidelines geben ausserdem derzeit nur schwache Empfehlungen ab.

Die randomisierte klinische RADICALS-HD-Studie untersuchte nun in zwei Patientenkollektiven mit lokalisierten Prostatakarzinomen im mittleren oder hohen Risiko einerseits den Nutzen der adjuvanten ADT zusätzlich zur Strahlentherapie, und andererseits die optimale der Dauer der ADT. Die in der Studie angewendete ADT bestand dabei entweder aus subkutanen monatlichen Injektionen von GnRH-Analoga, oder täglichem oralen Bicalutamid.

6-monatige ADT bringt keinen Nutzen bei Patienten mit niedrigerem Risiko

Für die erste Studie schlossen die Forscher 1.480 Patienten (86% Gleason Score ≥7, 16% Stadium ≥ T3B) ein. Sie erhielten entweder eine alleinige Radiotherapie (n=737), oder zusätzlich eine sechs Monate dauernde ADT (n=743).

Nach einer rund neun Jahre andauernden Nachbeobachtungszeit belief sich das 10-Jahres-metastasenfreie Überleben der Männer mit alleiniger Radiotherapie auf 79 Prozent, verglichen mit 80 Prozent mit Radiotherapie plus 6-monatiger ADT (nichtsignifikanter Unterschied). Das reicht laut den Autoren nicht aus, um die kurze Hormonbehandlung zusätzlich zur Strahlentherapie zu empfehlen.

In der zweiten Untersuchung behandelten sie 1.523 Patienten (93% Gleason-Score ≥ 7, 30% Stadium ≥ T3B) entweder mit einer 6-monatigen (n=761) oder einer 24-monatigen ADT (n=743).

In diesem Kollektiv berichten die Forscher nach der 9-jährigen Beobachtungsdauer über einen Nutzen der 24-monatigen gegenüber einer 6-monatigen ADT (10-Jahres-metastasenfreies Überleben von 78 vs. 72%). Sie empfehlen die langfristige ADT bei höheren Rezidivrisiko «für Patienten, die die Nebenwirkungen über die längere Zeit akzeptieren können.»

Daten zum Gesamtüberleben erwartet

Weitere Daten zur optimalen Dauer der ADT, einschliesslich des Gesamtüberlebens, soll demnächst die laufende Metaanalyse DADSPORT (duration of androgen suppression with post-operative Radiotherapy) liefern. In diese gehen sowohl die Daten von RADICALS-HD als auch von den beiden kleineren Studien GETUG-AFU 16 und RTOG 0534 ein.