Medical Tribune
14. Juni 2022IL-1R1-positive regulatorische T-Zellen

Nur eine einzige Immunzell-Art kommt ausschliesslich im Tumor vor

Gewebe, in denen Tumore wachsen, sind gleichzeitig auch in unterschiedlichem Ausmass entzündet. Eine aktuelle Studie in nature hat untersucht, welche Immunzellen spezifisch für Tumorgewebe sind, und welche nur infolge der Entzündungssituation einwandern. Das Ergebnis: Nur eine bestimmte Unterart regulatorischer T-Zellen sitzt ausschliesslich in Tumorgeweben. Das lässt die Hoffnung zu, dass künftige Krebstherapien das Immunsystem gezielter instrumentieren können.

Nur eine einzige Zelle, die IL-1R1-positiven T-Zellen, ist spezifisch für Krebsgewebe
iStock/DesignCells

In den vergangenen 20 Jahren hat die Rolle des Immunsystems bei Tumortherapien eine Wandlung durchgemacht. Waren Immunzellen früher nur «unwillkürliche» Partner bei der Krebstherapie (wie etwa bei Bestrahlungen, wo sie die Tumorbruchstücke aufräumen), stehen sie heute direkt an der Front: Bei immer mehr Tumorentitäten können heute gezielte Antitumor-Immuntherapien durchgeführt werden. Meistens werden dazu Checkpoint-Inhibitoren angewandt, die inhibitorische Moleküle wie Programmed Death 1 (PD-1) oder cytotoxic T-lymphocyte-associated antigen 4 (CTLA4) auf T-Zellen blockieren sollen, damit diese enthemmt werden und das entartete Gewebe zerstören.

Hohe Nebenwirkungsraten

Ein grosses Problem dabei ist, dass die allermeisten Immunzellen nicht nur für Tumorgewebe zuständig sind, und das so enthemmte Immunsystem dann oft auch das normale Gewebe angreift. Das führt dazu, dass alle gängigen Therapien, die auf das Immunsystem abzielen, auch jede Menge Nebenwirkungen haben. Das reicht von einer erhöhten Empfindlichkeit gegenüber diversen Erregern bis hin zu Autoimmun-Phänomenen.

Sinnvoller wäre es natürlich, spezifisch Immunzellen ins Visier zu nehmen, die auch nur im Tumor vorkommen. Aber da herrschte bis jetzt noch eine grosse Wissenslücke – denn welche Zellen die Krebs-Immunantwort meistern und welche nur infolge der tumorassoziierten Entzündung an Ort und Stelle sind, war bislang noch unbekannt. Eine neue Studie ging dem nun auf den Grund und brachte zutage, dass wahrscheinlich nur sehr wenige Immunzellen ausschliesslich im Tumor vorkommen.

Tumor versus Entzündungsgewebe

Für ihre Arbeit machten sich die Wissenschaftler Proben von Plattenepithelkarzinomen des Kopf-Hals-Bereichs (head and neck squamous cell carcinoma, HNSCC) zunutze. Diese treten in der Mundhöhle oder im Schlund auf. Die Erstlinien-Behandlung besteht in der chirurgischen Entfernung.

Die HNSCC-Proben verglich das Team mit nicht-maligne entzündetem Mundhöhlengewebe, wie es z.B. im Rahmen einer Gingivitis vorkommt. Mit einer Kombination aus molekularen Einzelzell-Analysetechniken identifizierten die amerikanischen Forscher eine einzige Immunzell-Art, die nur im Tumor, aber nicht im entzündeten Gewebe vorkam: Eine Unterart von regulatorischen T-Zellen (Tregs), die hohe Mengen des Interleukin-1-Rezeptor 1 (IL-1R1) sowie des an T-Zell-Stimulationen beteiligten Rezeptors ICOS an der Oberfläche tragen.

«Ein sehr grosser Anteil der regulatorischen T-Zellen im Tumor hat diese Oberflächenmerkmale,» sagt Erstautor Dr. Florian Mair, der seit Anfang Mai an der ETH Zürich im Institut für molekulare Gesundheitswissenschaften als Leiter der Zytometrie-Einheit und leitender Wissenschaftler tätig ist. «Während diese Rezeptorkombination auf regulatorischen T-Zellen im Blut fast nicht vorkommt, tragen sie bis zu 75 Prozent der regulatorischen T-Zellen im Tumor.»

Andere Immunzellen, wie T-Zellen, B-Zellen oder natürliche Killer (NK)-Zellen, waren dagegen zwischen Tumor- und entzündetem Gewebe grösstenteils vergleichbar. Auch Antigen-präsentierende Zellen wie Monozyten und dendritische Zellen zeigten keine eindeutigen Unterschiede zwischen den Geweben.

Effektive Unterdrücker der T-Zell-Antwort

Was die IL-1R1-positiven tumorspezifischen T-Regs genau tun, konnte die Forschungsarbeit bislang nicht klären. Die Hauptaufgabe regulatorischer T-Zellen ist es aber, die Funktion von CD4- und CD8-T-Zellen zu unterdrücken. In in-vitro-Experimenten konnten die Forscher zeigen, dass IL-1R1-positive regulatorische T-Zellen, die sie aus dem Tumor isoliert hatten, die Proliferation von CD4- und CD8-positiven T-Zellen besser unterdrücken konnten als ihre IL-1R1-negativen Gegenüber. Auch Expressionsmuster der neu entdeckten Zell-Unterart weisen darauf hin, dass sie besonders gut bei der Suppression der T-Effektor-Antwort sind.

Die Autoren hoffen nun, mit ihrer Arbeit einen Prozess anzustossen, der das Feld der Immuntherapien revolutionieren könnte: Nämlich über gezielte Therapien gegen die Kombination aus IL-1R1 und ICOS die tumorspezifischen regulatorischen T-Zellen zu inhibieren, und damit potenziell den Tumor ohne Bystander-Effekte zu vernichten.

Referenz
  1. Mair F et al. Extricating human tumour immune alterations from tissue inflammation. Nature. 2022 May;605(7911):728-735. doi: 10.1038/s41586-022-04718-w.