Medical Tribune
17. Mai 2022ASCO GU

Für welche Prostatakarzinom-Patienten die Active Surveillance geeignet ist

Die aktive Überwachung eignet sich nicht nur für Patienten mit niedrigem Risiko, sondern kann auch für ausgewählte Männer mit Prostatakarzinom und intermediärem Risiko eine gute Option sein. Wichtig dabei ist eine gute Patientenselektion und eine gute Qualität der Überwachung.

Die aktive Überwachung ist auch für ausgewählte Patienten mit intermediärem Risiko geeignet.
iStock/Brankospejs

Eine valide Strategie für Männer mit lokalisiertem Prostatakarzinom und niedrigem Risiko ist die aktive Überwachung. Dabei wird der Beginn der kurativ intendierten Therapie bis zum Zeitpunkt einer Progression aufgeschoben. Am ASCO Genitourinary Cancers Symposium 2022 stellte Professor Dr. Stacy Loeb, NYU Langone Health, New York, vor, in welchen Fällen dieses Vorgehen auch für Erkrankte mit intermediärem Risiko geeignet ist (1).

Abhängig von PSA, Gleason-Score und Tumortyp

Auch wenn die aktive Überwachung in den USA zuletzt eher häufiger durchgeführt werde als früher, seien die so «behandelten» Männer mit intermediärem Risiko immer noch eine Minderheit, berichtete Prof. Loeb. Eine Beobachtungsstudie am National Prostate Cancer Register of Sweden ergab, dass im Fall von Prognostic Grade Group 1 Karzinomen (Gleason-Score 6) eine aktive Überwachung bis zu einer PSA-Wert-Schwelle von 15 ng/ml erfolgen kann; bei einem PSA-Wert über 15 ng/ml oder Tumoren der Prognostic Grade Group 2 (Gleason Score 3+4=7) ist allerdings Vorsicht geboten. Eine Datenbankanalyse kam zu dem Ergebnis, dass ausgewählten Personen mit einem Gleason Score von 6 und PSA-Werten von 10–20 ng/ml die aktive Überwachung angeboten werden kann.

Prof. Loeb wies auf die Sonderrolle intraduktaler und kribriformer Prostatakarzinome hin: Patienten, die daran erkrankt sind, sollte man keine aktive Überwachung anbieten, sie aber auf Keimbahnmutationen in den BRCA- und ATM-Genen testen. Beim lokalisierten Prostatakrebs würden Keimbahntestungen viel zu selten durchgeführt, sie seien aber ein wichtiger Faktor für die Prognose- und Risikoabschätzung, betonte die Referentin.

Ausnahmefall intraduktale und kribriforme Tumoren

In der Diskussion wurde ausserdem die Frage nach dem Stellenwert genomischer Tests zur Stratifizierung von Männern mit intermediärem Risiko laut. Beide – sowohl die Keimbahn- als auch die genomische Testung – seien wichtig, machte Prof. Loeb deutlich­, und liefern den Betroffenen Entscheidungskriterien. Genetische Keimbahntes­tungen müssten verstärkt werden. Als Instrument zur Patientenselektion und Risikostratifizierung sei ausserdem die PSMA-PET/CT sehr vielversprechend.

Besonders wichtig sei die Überwachungsqualität bei Männern mit intermediärem Risiko. Diese müsse risikoadaptiert erfolgen, um erhöhte Metastasierungsraten zu vermeiden.

Lebensstil spielt ebenfalls eine Rolle

Abschliessend hob Prof. Loeb die Rolle einer Lebensstiländerung hervor, die sich günstig auf das Überleben auswirken kann. Sie betonte, dass schliesslich auch Prostatakarzinom-Patienten mit einem intermediären Risiko eher an anderen Erkrankungen, z.B. kardiovaskulären Problemen, als an ihrem Tumor sterben.

Definition intermediäres Risiko

Männer mit intermediärem Risiko sind laut S3-Leitlinie definiert als

  • PSA > 10 ng/ml–20 ng/ml oder
  • Gleason-Score 7 oder
  • cT-Kategorie 2b.

Die US-amerikanischen NCCN-Guidelines unterscheiden ausserdem zwischen günstigem und ungünstigem intermediärem Risiko.

S3 Leitlinie «Prostatakarzinom», AWMF-Register-Nr.: 043/022OL, www.awmf.org

Referenz
  1. Loeb S et al. 2022 ASCO-GU; «Optimizing Management of Localized Prostate Cancer: Artificial Intelligence, Active Surveillance, and Intervention». 2022 ASCO Genitourinary Cancers Symposium