Medical Tribune
17. Feb. 2022Rituximab-Dilemma

Outcome von Covid-19-Patienten unter Immunsuppressiva

Haben Patienten unter Immunsuppression ein schlechteres Outcome unter Covid-19? Eine aktuelle Studie gibt Entwarnung – ausser für Rituximab.

Covid Patient wird intubiert im Spital
iStock/Tempura

Beeinflusst die langfristige Therapie mit Immunsuppressiva wie Rituximab die Outcomes hospitalisierter Covid-­19-Patienten? Dr. Kathleen­ Andersen­, Johns Hopkins Bloomberg School of Public Health, Baltimore, und Kollegen gingen dieser Frage in einer retro­spektiven Kohortenstudie mit über 200 000 Patienten nach. Diese hatte man zwischen Januar 2020 und Juli 2021 aufgrund von Covid-19 stationär aufnehmen müssen. Rund 16 500 von ihnen waren in einem Zeitraum von mindestens zwei Wochen vor Spitaleinweisung mit immunsuppressiven Medikamenten (siehe Kasten) behandelt worden.

Risiko für invasive Beatmung oder Tod für Immunsupprimierte höher

Sie erhielten die Therapie aufgrund einer bestehenden rheumatologischen Erkrankung (33 %), nach einer Organtransplantation (26 %) oder einer Krebserkrankung (22 %). Endpunkte der Studie waren die Zeit von der Einweisung bis zur invasiven Beatmung sowie die Zeit bis zum Tod in der Klinik, um daraus das jeweilige Risiko zu ermitteln.

In der gesamten Kohorte wurden 14 740 Patienten beatmungspflichtig und 21 801 starben. Das Risiko, dass eines dieser beiden Ereignisse eintrat, war den Rohdaten zufolge für Immunsupprimierte höher (9 % vs. 6 % sowie 14 % vs. 9 %). Laut Dr. Andersen wenig verwunderlich: Immunsupprimierte waren in der Regel älter und wiesen mehr Komorbiditäten auf als Patienten, die nicht unter einer Immunsuppression standen.

Welche Wirkstoffe in der Studie berücksichtigt wurden

Als immunsuppressive Therapie galt in der Studie die Behandlung mit einem oder mehr der folgenden Medikamente:

  • Wirkstoffe wie IL-Inhibitoren, Januskinaseinhibitoren, TNF-Blocker
  • Antimetabolite wie Azathioprin, Calcineurininhibitoren, Mycophenolat-Mofetil
  • Krebsmedikamente wie Anthracycline, Checkpoint-Inhibitoren, Cyclophosphamid, Proteinkinaseinhibitoren, gezielte Krebstherapien
  • Rituximab, orale Glukokortikoide wie Dexamethason, Prednison oder Methylprednisolon

Berücksichtigung von Kofaktoren änderte alles

Um Einflussfaktoren wie Komorbiditäten, Alter, Rauchstatus und BMI zu berücksichtigen, wurden 12 841 Immunsupprimierte und 29 386 Nichtimmunsupprimierte aus der Gesamtkohorte in ein Propensity Score Matching eingeschlossen. Dabei werden Vergleichspaare gebildet, die sich in den Kofaktoren möglichst ähnlich sind. Und das Ergebnis dieser Berechnung sah anders aus: Die Immunsuppression reduzierte das Risiko für eine invasive Beatmung, und das erhöhte Risiko für den Tod in der Klinik löste sich in Luft auf.

Nun analysierten die Forscher den Einfluss der einzelnen Medikamente. Es zeigte sich, dass keine der 15 Medikamentenklassen das Risiko für eine invasive Beatmung erhöhte. Die Auswertung ergab: Entweder hatte der Wirkstoff keinen Einfluss darauf oder er reduzierte das Risiko sogar.

Rituximab erhöht Krankenhausmortalität

Was den insgesamt fehlenden Einfluss auf die Covid-Sterblichkeit in der Klinik betraf, ergab die genauere Betrachtung zwei Sonderfälle: Januskinasehemmer reduzierten die Krankenhausmortalität signifikant (HR 0,42). Rituximab erhöhte sie dagegen – und zwar sowohl bei den rheumatologischen als auch den onkologischen Patienten (HR 1,72 bzw. 2,57).

Entgegen anderslautender Hinweise erwies sich die (vorherige) langfristige Einnahme von Immunsuppressiva in der grossen untersuchten Kohorte nicht als riskant für hospitalisierte Covid-19-Patienten – mit Ausnahme von Rituximab. Ob die weitere Einnahme immunsuppressiver Medikamente während des Klinikaufenthalts nützlich oder schädlich ist, sei nicht Ziel dieser Studie gewesen und müsse in weiteren Untersuchungen geklärt werden.

Doch was bedeuten diese Ergebnisse nun für die Therapie mit Rituximab, einem Wirkstoff, der für manche Indikationen unverzichtbar scheint? Laut dem Rheumatologen Dr. David­ Liew, University of Melbourne, Parkville, und seinem Kollegen Dr. Philip ­Robinson von der University of Queensland in Herston haben Ärzte und Patienten zwei Möglichkeiten.

Zwei Wege aus dem Rituximab-Dilemma

Ist Rituximab unentbehrlich, sollte alles versucht werden, um das Infektionsrisiko zu reduzieren. Das bedeutet für den Arzt, vor Therapiestart gegen Covid-19 zu impfen, und für die Patienten: AHA-Massnahmen penibelst einhalten! Eine Schlüsselstellung könnte für Rituximab-Patienten zukünftig auch die Postexpositionsprophylaxe mit neutralisierenden monoklonalen Antikörpern wie Casirivimab und Imdevimab einnehmen.

Rituximab gegen einen anderen Wirkstoff auszutauschen, wäre die zweite Option. Bei der rheumatoiden Arthritis dürfte das aufgrund der grossen Auswahl an Medikamenten leichter sein als z.B. bei einer ANCA-assoziierten Vaskulitis. Kritisch bleibt zudem, dass insbesondere bei manchen seltenen Erkrankungen eine der wenigen guten Behandlungsoptionen aus Rituximab (off label) besteht. Um für jeden Patienten die beste Lösung zu finden, fehlen bislang robuste Daten. Eine Lücke, die dringend geschlossen werden müsse.

Referenz
  1. Andersen KM et al. Long-term use of immunosuppressive medicines and in-hospital COVID-19 outcomes: a retrospective cohort study using data from the National COVID Cohort Collaborative. Lancet Rheumatol. 2022 Jan;4(1):e33-e41. doi: 10.1016/S2665-9913(21)00325-8. 
  2. Liew DFL, Robinson PC. What does endemic COVID-19 mean for the future of rituximab? Lancet Rheumatol. 2022 Jan;4(1):e3-e5. doi: 10.1016/S2665-9913(21)00362-3.