Medical Tribune
15. Feb. 2024Gelenkschmerz mit tierischer Ursache

Rattenbissfieber: Zufallstreffer führten auf die richtige Spur

Fieber, Gelenkbeschwerden und Infektionszeichen waren die Symptome zweier Patientinnen aus Japan und Nordamerika. In solchen Fällen ist die Liste der möglichen Diagnosen lang. In einem Fall führte die Befragung von Angehörigen zur Diagnose, im anderen Fall die Synovialkultur. Bei beiden lag Rattenbissfieber vor.

Witzige Ratte vor weissem Hintergrund
Alekss/stock.adobe.com
In der normalen Oralflora von gesunden Ratten und anderen Nagern können humanpathogene Strepto­bazillen lauern.

Bei der ersten Patientin des Fallberichts (1) handelte es sich um eine 88-jährige Frau aus Japan mit Demenz, die seit drei Wochen unter Fieber und Gelenkschmerzen litt. Die Ärzte in einem örtlichen Krankenhaus vermuteten aufgrund von Entzündungszeichen im Labor und Anzeichen einer Polyarthritis eine systemische bakterielle Infektion. Eine einwöchige Behandlung mit Ceftriaxon brachte jedoch keine Besserung.

Zunächst keine Bakterien in der Probe gefunden

Die Ärzte der Frau vermuteten daraufhin eine nichtinfektiöse Gelenkentzündung und überwiesen die Patientin ins Universitätsklinikum in Fukushima. Auch dort tappte man zunächst im Dunkeln. Neben den bekannten Arthritis­herden in Schulter, Ellbogen, rechtem Mittelfinger und Sakroiliakalgelenk fiel ihnen aber noch eine 5 cm grosse Hautläsion am Ellenbogen auf.

Eine Kontrast-CT zeigte darunter einen Abszess sowie drei weitere Abszesse in anderen Körperregionen. Eine Probe der eitrigen Flüssigkeit aus dem Ellenbogenabszess wurde entnommen und untersucht, jedoch fanden die Ärzte darin keine Bakterien.

Die Ärzte kehrten zur Anamnese zurück, diesmal jedoch systematisch. Aufgrund der Demenz der Patientin gestaltete sich die Kommunikation schwierig, aber ihr Ehemann konnte Auskunft geben. Interessant wurde es bei der Frage nach Tierkontakten. Gelegentlich seien Ratten in der Küche aufgetaucht und eine davon habe seine Frau gebissen.

Heilung durch erneute Gabe von Ceftriaxon

Der Verdacht, der daraufhin aufkam, wurde durch eine PCR-Analyse der eitrigen Flüssigkeit aus dem Ellenbogenabszess bestätigt: Es handelte sich um das Rattenbissfieber, verursacht durch Streptobacillus moniliformis. Die zuvor abgesetzte Ceftriaxon-Behandlung wurde wieder aufgenommen und sechs Wochen später hatte sich die Frau vollständig erholt.

Im zweiten Fall berichteten US-amerikanische Internisten (2) von einer 59-jährigen Patientin mit ähnlichen Symptomen: zunehmende Schmerzen und Schwellungen in mehreren Gelenken und gelegentliches Fieber. Auch bei ihr ergab die mikroskopische Untersuchung der entzündlichen Gelenkflüssigkeit keine Befunde. Serologische Tests und Blutkulturen auf verschiedene Viren und Bakterien waren negativ.

Da die Patientin in der Vergangenheit eine Autoimmunhepatitis angegeben hatte, vermuteten die Ärzte eine autoimmune Arthritis, jedoch fanden sie dafür keine Anhaltspunkte. Erst am achten Tag zeigte sich in der anaeroben Kultur der Gelenkflüssigkeit Streptobacillus moniliformis, was die Diagnose Rattenbissfieber bestätigte.

Auf Nachfrage erinnerte sich die Patientin daran, dass sie von einem ihrer Haustiere, "einer besonders fiesen Ratte", in den rechten Mittelfinger gebissen worden war. Die abheilende Wunde war dort sogar noch erkennbar. Die Behandlung mit Ceftriaxon und die Drainage der entzündeten Gelenke führten zur Heilung.

Tierkontakte stets abfragen

Die Autoren beider Fallberichte sind sich einig, dass die Diagnose dieser seltenen Erkrankung schwierig ist, wenn kein entsprechender Verdacht besteht. Der Erreger ist zudem sehr wählerisch in Bezug auf das Nährmedium und lässt sich nur schwer kultivieren. Oft kann die Diagnose erst mit Hilfe einer PCR gestellt werden. Ohne Behandlung liegt die Sterblichkeitsrate des Rattenbissfiebers bei 7 bis 13 Prozent. Die Frage nach Tierkontakten sollte daher zur Standardanamnese gehören.