Medical Tribune
8. März 2024Wenns schmerzt und kribbelt

Neuropathien sind häufige Begleiter der rheumatoiden Arthritis

Wenn das Beugen des Handgelenks ­schmerzt oder das Gehen schwerfällt, können bei Rheuma­patienten auch Nervenerkrankungen ­dahinter ­stecken. Denn sowohl bei der rheuma­toiden ­Arthritis als auch bei Kollagenosen kommen ­periphere Neuropa­thien häufig vor.

Neuropathien treten oft gemeinsam mit Rheuma und Kollagenosen auf.
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Ein Drittel der Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) leidet unter einer peripheren Neuropathie, berichtet PD Dr. Jan Leipe vom Universitätsklinikum Mannheim (1).

Darunter fallen etwa akute bis subakute Mononeuropathien, die äusserst schmerzhaft sein und zu sensorischen und motorischen Ausfällen führen können. Sie machen sich beispielsweise durch Taubheitsgefühl und Lähmung bemerkbar. Betroffen ist entweder nur ein Nerv oder, bei der Mononeuritis multiplex, mehrere Nerven asymmetrisch.

Die typische Polyneuropathie zeigt sich hingegen durch symmetrische, distale Ausfälle, die einem Strumpf- oder Handschuhmuster folgen. Dabei kommt es zu einer verminderten Schmerzempfindung und Reizsymptomen wie Kribbeln oder Brennen.

Karpaltunnelsyndrom bei bis zu 23 % der RA-Patienten

Die häufigste Ursache für Neuropathien bei Rheumapatienten sind Kompressionen, die beispielsweise durch Gelenkergüsse, Synovialitis, Tenosynovitis oder Gelenkdeformitäten entstehen. Ein bekanntes Beispiel ist das Karpaltunnelsyndrom, das bei bis zu 23 Prozent der Patienten mit rheumatoider Arthritis auftritt, insbesondere bei älteren Menschen und solchen mit hoher Krankheitsaktivität. Es äussert sich durch Schmerzen bei Beugung des Handgelenks, nächtliche Parästhesien und eine Schwächung des Daumens.

Eine ähnliche Erkrankung am Fuss ist das Tarsaltunnelsyndrom, das bei fünf bis 25 Prozent der Patienten auftritt und zu Parästhesien und Schmerzen an der Fusssohle und am ersten bis dritten Zeh führt. Häufig klagen die Patienten auch über eine geschwächte Fussmuskulatur. Weitere druckbedingte Neuropathien sind das Kiloh-Nevin-Syndrom mit einer Schädigung des N. interosseus anterior, das Sulcus-Ulnaris-Syndrom und die Morton-Neuralgie mit einer Kompression der Interdigitalnerven.

Nichtkompressionsbedingte Neuropathien

Seltener treten bei Arthritiden auch nichtkompressionsbedingte Neuropathien auf.

  • Eine häufige Form ist die distal-sensorische Neuropathie, die oft aufgrund von segmentaler Demyelinisierung, zum Beispiel des N. suralis, entsteht. Dabei treten symmetrische Parästhesien auf, wobei die Füsse häufiger betroffen sind als die Hände.
  • Eine weitere Form ist die kombiniert sensomotorische Neuropathie, die sich meist als akute Mononeuritis multiplex mit starken Schmerzen und Parästhesien äussert, gefolgt von Muskelschwäche. Diese Form ist unter anderem mit einer längeren Krankheitsdauer der rheumatoiden Arthritis, männlichem Geschlecht, dem Raynaud-Phänomen und einem hohen Rheumafaktor assoziiert. Elektrophysiologische Untersuchungen deuten auf eine axonale Degeneration oder schwere Demyelinisierung aufgrund einer vaskulitischen Nervenschädigung hin.
  • Eine weitere Form ist die autonome Neuropathie, die sich unter anderem durch abnorme kardiovaskuläre Reflexe auszeichnet und bei Rheumapatienten häufiger auftritt.

Besonders Sjögren-Syndrom-Patienten sind betroffen

Besonders betroffen sind Patienten mit Sjögren-Syndrom: Etwa jeder sechste Betroffene leidet unter einer Neuropathie. Im Vergleich dazu beträgt die Prävalenz der Neuropathie in der allgemeinen Bevölkerung 2,4 Prozent. Wenn jedoch bei allen Sjögren-Patienten die Nervenleitgeschwindigkeit überprüft würde, würden bei einem Drittel pathologische Veränderungen festgestellt, berichtet Professor Dr. Torsten Witte von der Medizinischen Hochschule Hannover (1).

Bei den meisten Fällen handelt es sich um rein sensorische Formen, gefolgt von sensomotorischen Formen. Die sensomotorische Polyneuropathie beim Sjögren-Syndrom ist mit einer Hyperkryoglobulinämie oder monoklonalen Gammopathien assoziiert. Pathophysiologisch spielen Kleingefässvaskulitiden, T-Zell-Infiltrate und Autoantikörper gegen Muskarin- oder Acetylcholinrezeptoren eine Rolle.

Aber auch etwa jeder zehnte Patient mit systemischem Lupus erythematodes entwickelt eine Neuropathie. Die häufigsten Formen sind die sensomotorische Form und die Mononeuritis multiplex. Letztere ist meist vaskulitisch bedingt, während die sensomotorische Form häufiger auftritt. In seltenen Fällen leiden Lupuspatienten auch unter einer Small-Fiber-Neuropathie, einem Guillain-Barré-Syndrom oder einer autonomen Neuropathie.

Für Prof. Witte gibt es zwei pathogenetische Ansätze: Vaskulitis und thrombotische Mikroangiopathie. Mit Antiphospholipidantikörpern assoziiert ist die Entwicklung der peripheren Neuropathien beim Lupus nicht.

Neuropathien bei Lupus haben eine gute Prognose

Die Prognose für lupusbedingte Neuropathien ist im Allgemeinen gut. Bei zwei Dritteln der Patienten gehen die neuropathischen Beschwerden unter der Standardtherapie zurück. Es erfordert jedoch Geduld, da dies Jahre bis Jahrzehnte dauern kann.

Auch bei anderen Kollagenosen treten Neuropathien auf. Zum Beispiel leiden bis zu 14,5 Prozent der Patienten mit systemischer Sklerose darunter. Am seltensten, aber mit Malignomen assoziiert, treten Neuropathien bei Myositiden auf.