Pflanzliche Arzneimittel als Alternativen zu Antibiotika
Pflanzliche Arzneimittel können das Immunsystem modulieren und die Häufigkeit bakterieller und viraler Infektionen reduzieren. Sie sind zudem gut verträglich und können helfen, Antibiotika einzusparen. Eine Expertin erklärt, wie Phytotherapeutika bei Atemwegsinfekten evidenzbasiert in der Praxis eingesetzt werden.
Ein viraler Atemwegsinfekt beginnt in der Regel mit Halsschmerzen, auf die Gliederschmerzen, eventuell auch Fieber sowie Schnupfen und Husten folgen.
«Zu jeder Zeit kann es zu einer bakteriellen Infektion kommen, und diese muss zwingend verhindert werden», betont HNO-Ärztin Dr. Barbara Zürcher, niedergelassene HNO-Ärztin in Neuenburg und Präsidentin SMGP-Westschweiz (1).
Pflanzliche Arzneimittel früh einsetzen
So empfehlen Fachgesellschaften bei Kindern mit Mittelohrentzündung, Halsschmerzen und bei Streptokokken-Angina nicht gleich ein Antibiotikum zu verschreiben, sondern zunächst 24 bis 48 Stunden zuzuwarten und eventuell symptomatisch zu behandeln. Von Hustensirup wird wegen der Nebenwirkungen heute ganz abgeraten.
Bereits in einer frühen Erkältungsphase können Ärzte ihren Patienten jedoch mit einem pflanzlichen Mittel Gutes tun. «Denn Phytotherapeutika eignen sich als Antibiotika-Alternative, zur Antibiotika-Prävention und können auch mit Antibiotika kombiniert werden», erklärt Dr. Zürcher.
Efeu fördert Auswurf und wirkt bronchospasmolytisch
Wirksamkeit und Sicherheit sind für viele Arzneipflanzen gut erforscht. «Echinacea etwa hemmt ein grosses Spektrum an respiratorischen Viren, wirkt antibakteriell und immunmodulierend», so die Referentin.
Für eine Prophylaxe sollte man Echinacea nicht länger als acht Wochen ununterbrochen einnehmen. Bei Kindern konnten nach einer zweimal zwei Monate langen präventiven Einnahme mit einer Woche Einnahmepause die Antibiotika-Verschreibungen um 76,3 Prozent und die Anzahl Krankheitstage im Falle einer Erkältung reduziert werden (2.) Die neusten Präventionsstudien mit Erwachsenen konnten gar eine antivirale Wirkung gegen SARS-CoV-2 belegen (3).
Für die Kapland-Pelargonie sind ebenfalls gute antivirale und antibakterielle Eigenschaften sowie schleimlösende, entzündungshemmende und immunstimulierende Effekte nachgewiesen. Die Hauptwirkstoffe sind Phenolsäuren, Gerbstoffe und Cumarine. Placebokontrollierte Studien zeigten für den ab zwei Jahren zugelassenen Wurzel-Spezialextrakt EPs® 7630 eine signifikante Verbesserung der Symptomatik bei akuter Bronchitis und Rhinosinusitis sowie bei Kindern bei einer Tonsillitis (4-6).
Efeu, der als Hustensirup verschrieben wird, ist laut Dr. Zürcher ebenfalls eine gute Option, insbesondere bei produktivem Husten. Aufgrund seiner Wirkstoffe – Saponine, Flavonoide, ätherische Öle, Kaffeesäure-Derivate – hat die Pflanze auswurffördernde, bronchospasmolytische und -sekretolytische Effekte und verbessert die mukoziliäre Clearance.
In multizentrischen Studien mit fast 10.000 Kindern und Erwachsenen wirkte der Efeublätter-Trockenextrakt EA 575® besser als Acetylcystein und punktete bei der Verträglichkeit (7,8) Auch für Thymian belegen Daten eine signifikante klinische Verbesserung des Hustens und eine sehr gute Verträglichkeit (9) Eine Studie zeigte auch: Je früher Thymian bei Husten eingesetzt wird, desto besser ist seine Wirkung.
Kaum Nebenwirkungen bei pflanzlichen Arzneimitteln
Meerrettich ist nicht nur ein potentes Phytotherapeutikum bei Blasenentzündungen, sondern auch bei einer Bronchitis und Sinusitis. Er hat insbesondere antibakterielle und auswurffördernde Wirkungen. In einer Arbeit mit über 1.600 Patienten mit Sinusitis, Bronchitis oder Zystitis war das Kombinationspräparat mit Kapuzinerkresse vergleichbar wirksam wie ein Standard-Antibiotikum (10).
Der Salbei ist eine wirksame Pflanze für lokale Entzündungen im Mund- und Rachenbereich. Eine Studie mit Patienten mit akutem Husten ergab keine signifikante Wirkunterschiede zwischen einem Salbei/Echinacea-Spray und einem Chlorhexidin/Lidocain-Spray (11). «Die Salbei-Echinacea-Kombination hat aber den Vorteil, dass sie zusätzlich auch eine antibakterielle und antivirale Wirkung hat», so die Referentin. Sie selbst verschreibe Salbei gar bei einer Streptokokken-Angina.
Positive Daten bestehen auch für ein Destillat aus dem ätherischen Öl von Eukalyptusblättern, Orangen- und Zitronenschale und Myrtenblätter. Die Studienautoren empfehlen die Kombination für die Behandlung von akuten und chronischen Atemwegsinfekten sowie präventiv bei COPD (12).
«Im Vergleich zu Antibiotika haben pflanzliche Arzneimittel den Vorteil, dass sie kaum Nebenwirkungen verursachen und keine Resistenzen fördern», betont Dr. Zürcher. Ausserdem müssen im Verlauf einer Atemwegsinfektion auch weniger Antibiotika verschrieben werden, wenn Patienten primär ein Phytotherapeutikum erhalten, zitiertdie Expertin schliesslich noch aus einer weiteren Studie (13).
- Jahrestagung der Schweizerischen Medizinischen Gesellschaft für Phytotherapie (SMGP), 16. November 2023, Baden
- Ogal et al. Echinacea reduces antibiotic usage in children through respiratory tract infection prevention: a randomized, blinded, controlled clinical trial. Eur J Med Res. 2021 Apr 8;26(1):33. doi: 10.1186/s40001-021-00499-6.
- Kolev E et al. Echinacea Purpurea For the Long-Term Prevention of Viral Respiratory Tract Infections During Covid-19 Pandemic: A Randomized, Open, Controlled, Exploratory Clinical Study. Front Pharmacol. 2022 Apr 26;13:856410. doi: 10.3389/fphar.2022.856410.
- Matthys H et al. Phytomedicine 2003; 10 Suppl 4: 7–17.
- Bachert C et al. Treatment of acute rhinosinusitis with the preparation from Pelargonium sidoides EPs 7630: a randomized, double-blind, placebo-controlled trial. Rhinology. 2009 Mar;47(1):51-8
- Bereznoy VV et al. Altern Ther Health Med 2003 Sep–Oct; 9(5): 68–79.
- Schaefer A et al. A randomized, controlled, double-blind, multi-center trial to evaluate the efficacy and safety of a liquid containing ivy leaves dry extract (EA 575®) vs. placebo in the treatment of adults with acute cough. Pharmazie. 2016 Sep 1;71(9):504-509. doi: 10.1691/ph.2016.6712.
- Fazio S et al. Tolerance, safety and efficacy of Hedera helix extract in inflammatory bronchial diseases under clinical practice conditions: a prospective, open, multicentre postmarketing study in 9657 patients. Phytomedicine. 2009 Jan;16(1):17-24. doi: 10.1016/j.phymed.2006.05.003.
- Kardos P et al. Effectiveness and tolerability of the thyme/ivy herbal fluid extract BNO 1200 for the treatment of acute cough: an observational pharmacy-based study. Curr Med Res Opin. 2021 Oct;37(10):1837-1844. doi: 10.1080/03007995.2021.1960493.
- Albrecht U et al. CMRO 2020; 3(10): 665–681.
- Schapowal A et al. Eur J Med Res 2009 Sep 1; 14(9): 406–412.
- Paparoupa M et al. Pharmacogn Rev 2016 Jul–Dec;10(20): 143–146.
- Martin D et al. Reduced antibiotic use after initial treatment of acute respiratory infections with phytopharmaceuticals- a retrospective cohort study. Postgrad Med. 2020 Jun;132(5):412-418. doi: 10.1080/00325481.2020.1751497.