Medical Tribune

Die bipolare Störung richtig diagnostizieren

Häufig vergehen viele Jahre, bis die Dia­gnose einer bipolaren Störung gestellt wird. Während dieser Zeit erhalten Betroffene meist keine oder eine falsche Behandlung. Zu den möglichen Folgen zählen Therapieresistenzen und schlechte Behandlungsergebnisse.

Bipolare Störung: Darstellung einer Frau zwischen Hochstimmung und Depression – Sinnbild für das Wechselspiel
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Weltweit leiden rund 40 Millionen Menschen unter einer bipolaren Störung. Die psychische Erkrankung geht nicht nur mit einer eingeschränkten Lebensqualität seitens der Betroffenen und ihrer Angehörigen einher, sondern auch mit erheblichen gesundheitlichen Risiken.
Bipolarität lässt die Lebenserwartung sinken

Die häufigsten psychischen Komorbiditäten sind Angststörungen und Substanzkonsumstörungen. Darüber hinaus tragen Menschen mit bipolarer Störung im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung auch ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen, Schlaganfälle und ein metabolisches Syndrom. Ein weiteres Problem ist die durchschnittlich verringerte Lebenszeit, die vor allem auf unnatürliche Todesursachen wie Suizide oder Unfälle zurückzuführen ist.

Manie, Hypomanie, Zyklothymie, Rapid Cycling

Bei der Diagnose wird zwischen den Subtypen Bipolar-I- und Bipolar-II-Störung unterschieden. Während bei Ersterer für die Dia­gnose bereits eine manische Episode ausschlaggebend ist, erfordert die Diagnose einer Bipolar-II-Störung mindestens eine schwere depressive Episode sowie eine hypomanische Episode. Die Mindestdauer für eine hypomanische Episode beträgt vier Tage. Eine manische Episode muss laut Definition mindestens sieben Tage anhalten oder zu einer Spitaleinweisung führen.

Von diesen beiden Subtypen abzugrenzen ist die Zyklothymie, bei der die hypomanischen oder depressiven Symptome weniger stark ausgeprägt sind. Zu den Diagnosekriterien zählt eine Dauer von mindestens zwei Jahren, ohne dass eine Remission von mehr als zwei Monaten erreicht wird.

Ausserdem gibt es Mischzustände, bei denen gleichzeitig hypomanische, manische und depressive Symptome auftreten können. Typische Beschwerden umfassen Angstzustände, Unruhe und Reizbarkeit. Das Rapid Cycling ist eine weitere Verlaufsform von bipolaren Störungen. Es ist dadurch gekennzeichnet, dass innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten mindestens vier Phasen von Manie, Hypomanie oder Depression auftreten.

Somatische Erkrankungen als Ursache ausschliessen

Wichtige Differenzialdiagnosen einer bipolaren Störung umfassen Schizophrenie und unipolare Depression. Vor allem bei atypischen oder spät auftretenden Verläufen sollte ausserdem sichergestellt werden, dass die Störung nicht durch eine körperliche Erkrankung, den Konsum von Alkohol bzw. anderen Drogen oder Medikamente wie Steroide ausgelöst wurde.

Als besonders herausfordernd gilt die Unterscheidung zwischen einer bipolaren Störung und einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) sowie einer Borderline-Persönlichkeitsstörung. Dies liegt daran, dass bestimmte Verhaltensmerkmale wie Hyperaktivität, Impulsivität, emotionale Instabilität und disruptives Verhalten bei allen drei Diagnosen auftreten können. Ausserdem können komorbide Erkrankungen wie Angststörungen, Substanzmissbrauch, ADHS, Zwangsstörungen, posttraumatische Belastungsstörungen, Essstörungen und Persönlichkeitsstörungen die Diagnose einer bipolaren Störung erschweren.

Die Behandlung einer bipolaren Störung fusst auf Medikamenten und Psychotherapie. Begleitend hierzu sind Lebensstilinterventionen und eine Chronotherapie sinnvoll. Bei einer akuten Manie sind

  • Lithium,
  • Quetiapin,
  • Valproinsäure,
  • Asenapin,
  • Aripiprazol,
  • Paliperidon,
  • Risperidon und
  • Cariprazin

sowie verschiedene Kombinationen daraus pharmakologische Therapieoptionen der ersten Wahl.

Zur Behandlung einer bipolaren Depression haben sich

  • Olanzapin/Fluoxetin,
  • Quetiapin,
  • Olanzapin,
  • Lurasidon,
  • Lumateperon,
  • Cariprazin und
  • Lamotrigin

als wirksam erwiesen.

Lithium gilt als eines der wirksamsten Prophylaxemittel in der Erhaltungstherapie. Der Stimmungsstabilisierer beugt nicht nur dem Wiederauftreten von Stimmungsschwankungen vor, sondern verringert auch die Wahrscheinlichkeit für Suizidalität und depressionsbedingte Spitalaufenthalte.

Wo noch hoher Bedarf herrscht

Zukünftig gilt es, Behandlungsergebnisse zu verbessern, beispielsweise für therapieresistente Personen oder die 50 bis 70 % der Menschen mit bipolarer Störung, die anhaltende kognitive Defizite aufweisen. So wurden in den letzten Jahren verschiedene Substanzen auf ihre Wirksamkeit bei bipolaren Störungen untersucht (darunter z. B. schnell wirkende Antidepressiva wie Ketamin, GABAerge Modulatoren oder Psilocybin). Es fehlen jedoch noch insbesondere Langzeitstudien, um deren Einsatz verlässlich beurteilen zu können.