Medical Tribune
9. Okt. 2025Alkohol beeinflusst verschiedene kardiovaskuläre Risiken

Ein Gläschen Alkohol täglich fürs Herz?

Alkohol gehört für viele Menschen zum Alltag. Doch wie viel ist zu viel? Dieser Frage ist die American Heart Association auf Grundlage der aktuellsten Daten nachgegangen. Klar ist: Die Dosis macht das Gift – kleine Mengen wirken in mancher Hinsicht wohl kardioprotektiv.

Alkohol gehört bei vielen zum Alltag dazu.
Godong Photo/stock.adobe.com

Der Einfluss von Alkohol auf das Herz-Kreislauf-System wird in der Forschung seit Jahrzehnten kontrovers diskutiert. Während exzessiver Konsum nachweislich gesundheitsschädlich ist, deuten einige Studien darauf hin, dass ein geringer bis mässiger Alkoholkonsum möglicherweise mit einem reduzierten Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen einhergeht.

Ein Team um Prof. Dr. Mariann Pianovon der Vanderbilt University School of Nursing, Nashville, veranschaulicht aktuelle Studienergebnisse anhand des Konsums von US-amerikanischen Standarddrinks (1). Diese enthalten ca. 0,6 Flüssigunzen (rund 14 g) Alkohol, beispielsweise:

  • ca. 30 ml einer Spirituose mit 50 % vol.
  • ca. 45 ml einer Spirituose mit 40 % vol.
  • ca. 150 ml Wein (~ 12 % vol.)
  • ca. 350 ml Bier (~ 5 % vol.)

Wie sich der Alkoholkonsum konkret auf verschiedene kardiovaskuläre Parameter und Erkrankungen auswirkt, zeigt eine Auswertung der verfügbaren Studiendaten.

Bluthochdruck

Insgesamt 36 randomisierte kontrollierte Studien kommen zum Ergebnis, dass ein täglicher Konsum von ein bis zwei Standarddrinks den Blutdruck nicht beeinflusst. Ab dem dritten Drink steigt das Risiko für erhöhten Blutdruck. Umgekehrt sei damit zu rechnen, dass verringerter Alkoholgenuss oder sogar Abstinenz den Erfolg einer antihypertensiven Therapie verbessern könne.

Koronare Herzkrankheit

Maximal zwei Drinks täglich bei Männern, maximal ein Drink täglich bei Frauen verringert das Risiko einer KHK. Vor hohem Alkoholkonsum und Binge-Drinking warnen die Forscher aus Gründen der Kardioprotektion.

Schlaganfall

Einer Metaanalyse von 27 prospektiven epidemiologischen Studien zufolge reduzieren ein bis zwei Drinks pro Tag das Risiko eines Schlaganfalls um 8–10 %. Hoher Alkoholkonsum (≥ 5 Drinks/d für Männer und ≥ 4/d für Frauen) erhöht jedoch die Gefahr eines Hirnschlags jeder Art. Eine wesentliche Rolle spielt dabei wohl der ungünstige Einfluss auf den Blutdruck.

Vorhofflimmern

Bei diesem Thema ist unklar, ob bereits ein Drink am Tag riskant ist. Eine prospektive Studie ergab, dass Alkoholabstinenz die Flimmerlast erheblich verringert. Interessanterweise war laut einer weiteren Studie ein langfristiger Konsum von einem Drink pro Tag mit dem niedrigsten Risiko für plötzlichen Herztod verbunden.

Herzinsuffizienz

Niedriger bis moderater Genuss (1–2 Drinks/d) führt nicht zu einem vermehrten Auftreten der Herzinsuffizienz. Aber mehr als zwei Gläser täglich und Rauschtrinken können die Gefahr dafür erhöhen.

Bei strukturellen oder funktionellen kardialen Anomalien ist ein Alkoholgenuss von mehr als fünf Drinks pro Woche mit einer erhöhten Progressionsneigung assoziiert. Es kommt häufiger zu asymptomatischer linksventrikulärer Dysfunktion und manifester Herzschwäche.

Kardiomyopathie

Langfristiger starker Alkoholkonsum begünstigt die Entwicklung einer alkoholischen Kardiomyopathie. Als kritisch gilt ein Zeitraum von 5–15 Jahren, so die Forscher. Auch genetische Faktoren und Umwelteinflüsse spielen eine wichtige Rolle. Wird der Konsum unter leitliniengerecht behandelter Herzinsuffizienz auf weniger als sechs Drinks pro Woche gesenkt, bessern sich Ventrikelfunktion und Prognose.

Für die dilatative Kardiomyopathie gibt es bisher nur wenige Ergebnisse. Einer Studie zufolge ist ein moderater bis exzessiver Alkoholkonsum (1–5 Drinks/d für Frauen und 2–5 für Männer) bei Erkrankten nicht mit dem vermehrten Auftreten von kardiovaskulären Ereignissen innerhalb von vier Jahren assoziiert.

Zusammenfassend konstatiert die Autorengruppe, dass ein hoher Alkoholkonsum (mehr als zwei Standardgetränke pro Tag) und rauschhafter Konsum nachweislich das Herz schädigen. Alkoholabstinenz und eine reduzierte Aufnahme können dagegen Komplikationen wie bspw. Hypertonie vermindern. Wichtig sind weitere Untersuchungen v. a. bei Frauen, denn diese waren in den Studien unterrepräsentiert. Unklar bleibt weiterhin, ob die Art des alkoholischen Getränks und eingenommene Medikamente die negativen Effekte verstärken.