Benzodiazepine sicher absetzen
Benzodiazepine wirken angstlösend und beruhigend, ihr Einsatz ist vielfältig. Doch trotz ihres Nutzens sprechen Nebenwirkungen und ein hohes Abhängigkeitspotenzial gegen eine Langzeitanwendung. Das Absetzen erfordert individuelle Strategien.

Viele, vor allem ältere Menschen, nehmen Benzodiazepine oft über längere Zeiträume ein. Das birgt Risiken: Schon nach wenigen Wochen kann eine körperliche Abhängigkeit entstehen. Ein abruptes Absetzen führt dann häufig zu schweren Entzugserscheinungen. Daher sollte man die Medikamente schrittweise reduzieren, wenn die Risiken die Vorteile überwiegen.
Wann ist ein Ausschleichen sinnvoll?
Die American Society of Addiction Medicine (ASAM) hat zusammen mit anderen Fachgesellschaften unter der Leitung von Dr. Emily Brunner von der Hazelden Betty Ford Foundation in Minneapolis eine Leitlinie für das sichere Absetzen von Benzodiazepinen entwickelt. Die Empfehlungen beziehen sich auf erwachsene Patienten, die regelmässig Benzodiazepine einnehmen und bereits abhängig sind oder ein hohes Risiko dafür haben.
Wer die Medikamente über längere Zeit verschrieben bekommt, sollte mindestens alle drei Monate überprüfen lassen, ob der Nutzen die Risiken überwiegt. Bei gleichzeitiger Einnahme von Opioiden, Substanzmissbrauchsstörungen oder anderen Risikofaktoren empfehlen die Experten, die Indikation häufiger zu prüfen.
Wie schnell darf die Dosis sinken?
Für Menschen ab 65 Jahren raten Fachleute generell zum Ausschleichen, es sei denn, zwingende Gründe sprechen dagegen. Die Entscheidung sollte immer gemeinsam mit den Betroffenen und ihren Angehörigen getroffen werden. Besteht eine körperliche Abhängigkeit oder drohen Entzugserscheinungen, ist ein abruptes Absetzen zu vermeiden. Die Leitlinie empfiehlt, die Dosis langsam zu reduzieren: Anfangs um 5–10 % alle zwei bis vier Wochen. Im Allgemeinen sollte die Dosis höchstens um 25 % alle zwei Wochen sinken. Haben Betroffene nur geringe Mengen über weniger als drei Monate eingenommen, kann das Tapering schneller erfolgen.
Das Ziel des Ausschleichens ist entweder ein vollständiges Absetzen oder eine Benzodiazepin-Dosis, bei der die Risiken den Nutzen nicht mehr übersteigen. Die Strategie sollte individuell angepasst werden. So kann man etwa auf ein länger wirksames Benzodiazepin umstellen, um die Dosis schrittweise zu senken. Bei jeder Reduktion sollte das Behandlungsteam auf Entzugserscheinungen achten und das Tempo bei Bedarf anpassen oder pausieren.
Komorbiditäten können Ausschleichen beeinflussen
Psychosoziale Massnahmen wie eine kognitive Verhaltenstherapie können das Ausschleichen von Benzodiazepinen unterstützen. Liegen somatische oder psychiatrische Begleiterkrankungen vor, die evtl. mit dem Ausschleichen interferieren (z. B. ein Substanzmissbrauch), sollten diese entsprechend behandelt werden.
In einigen Fällen erweist sich das Benzodiazepin-Tapering für alle Beteiligten als harte Geduldsprobe. Bei Menschen, die über längere Zeit hohe Dosierungen eingenommen haben, können Monate oder Jahre vergehen, bis das Medikament komplett abgesetzt werden kann.
Brunner E et al. Joint Clinical Practice Guideline on Benzodiazepine Tapering: Considerations When Risks Outweigh Benefits. Gen Intern Med. 2025 Sep;40(12):2814-2859. doi: 10.1007/s11606-025-09499-2.