Medical Tribune
8. Sept. 2025Defizit kann negative Folgen für Mutter und Kind haben

Neue Erkenntnisse zum Eisenmangel in der Schwangerschaft

Ein bereits zu Beginn der Schwangerschaft bestehender Eisenmangel hat nachhaltige negative Folgen für Mutter und Kind. Er sollte deshalb idealerweise schon präkonzeptionell ausgeglichen werden, wie Prof. Dr. Daniel Surbek, Ordinarius und Chefarzt, Universitäts-Frauenklinik Bern, in einem Vortrag am FomF Gynäkologie Update Refresher ausführte.

Frau hält Vitamine für die Schwangerschaft in den Händen.
Dusan Petkovic/stock.adobe.com

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat die Anämie als eines der zehn wichtigsten Gesundheitsproblemen klassifiziert. Weltweit sind zwei Milliarden Menschen betroffen. Der Anteil der Schwangeren mit einer Anämie beträgt in den Entwicklungsländern 50–60%, in der Schweiz 10–20%. Rund drei Viertel der Anämien sind Eisenmangel-bedingt.

Die Hauptursachen von Eisenmangel sind Ernährung und gynäkologische Probleme wie Hypermenorrhoe, Myome, Schwangerschaft oder postpartale Blutungen. In den Entwicklungsländern verursachen ausserdem Infektionskrankheiten wie Schistosomiasis und Malaria sehr oft ein Eisendefizit.

«In der Schwangerschaft steigt der Bedarf an Eisen deutlich», erklärte Prof. Surbek. Die Mutter benötigt das zusätzliche Eisen für den Aufbau von zusätzlicher Erythrozyten-Zellmasse, der Fetus für das Organ­wachstum, insbesondere für die Blutbildung, Hirn, Muskeln und Knochen.
Ist der Eisenspiegel zu tief, steigt bei Schwangeren das Risiko für postpartale Hämorrhagie, peripartale Bluttransfusion, Stillprobleme und Wochenbettdepression.

Beim Em­bryo führt ein Eisenmangel zu einer Priorisierung der Blutbildung (1). Das Eisen fehlt dann für den Organaufbau, insbesondere im Gehirn, was zu Entwicklungsstörungen führen kann.

Mögliche Assoziation mit Autismus und ADHS

«Ein Eisendefizit ist bereits zu Beginn der Schwangerschaft ein Problem», betonte der Referent. Wie neue Daten zeigen, ist die mütterliche Morbidität bereits bei reinem Eisenmangel ohne Anämie signifikant erhöht, d.h. wenn der Ferritinspiegel vor der 16. Schwangerschaftswoche (SSW) zu tief ist, selbst wenn das Hämoglobin noch normal ist. Bei einer ausgebildeten Eisenmangel-Anämie steigt das relative Risiko auf 70% (2).

Eine Assoziation besteht höchstwahrscheinlich auch zwischen zu tiefen Eisenspiegeln in der frühen Schwangerschaft und dem Auftreten von Entwicklungsstörungen später im Kindesalter. Eine Anämie vor der 30. SSW erhöht zum Beispiel das Risiko für eine Autismus-Spektrum-Störung, ADHS und intellektuelle Schwäche (3).

«Sowohl aus mütterlicher wie aus kindlicher Sicht sollte ein Eisenmangel auch ohne Anämie bereits präkonzeptionell diagnostiziert und behandelt werden, damit die Frau mit einem guten Hämoglobin- und Ferritinspiegel in die Schwangerschaft gehen kann», betonte Prof. Surbek.

Unkorrigiertes Eisendefizit überträgt sich aufs Kind

Diese Erkenntnisse hat die WHO aufgenommen und neue Empfehlungen zur Bekämpfung des Eisenmangels erarbeitet. Sie rät beispielsweise, das Eisen bei allen Schwangeren in den Entwicklungsländern auch ohne eine vorherige Spiegelmessung zu substituieren. Die FIGO geht sogar weiter und empfiehlt die präkonzeptionelle Diagnostik zum Ausschluss eines Eisenmangels und einer Anämie (4).

«Damit eine Frau ein Eisendefizit entwickelt, braucht es nicht zwingend eine ausgeprägte Hypermenorrhoe», erläuterte Prof. Surbek. Es genügen schon stärkere Monatsblutungen. Die Krux: Ein unkorrigierter Eisenmangel in der Schwangerschaft überträgt sich von Mutter auf das Neugeborene und kann sich so, wenn er beim Kind nicht behandelt wird, über Generationen weiterverbreiten.

Um diesen Circulus vitiosus zu verhindern, sollte der Eisen- und Hämoglobinspiegel prinzipiell bei allen Frauen im reproduktiven Alter (und insbesondere bei Hypermenorrhoe) kontrolliert werden. Ist er zu tief, sollte sowohl der Eisenmangel wie die Hypermenorrhoe behandelt werden.

Eisengabe reduziert Komplikationen

Nebst dem wiederholten Screening auf Anämie (zumindest einmal pro Trimester und präpartal Hämoglobinkontrolle) wird die Bestimmung von Serum-Ferritin zwischen der 8. und 12. SSW empfohlen. «Eine erneute Bestimmung von Ferritin zu Beginn des 3. Trimesters (ca. 28. SSW) sollte insbesondere bei Frauen mit eher tiefem Ferritinwert im 1. Trimester, besser bei allen Schwangeren durchgeführt werden» (5,6), erklärte der Referent.

Die Indikation für eine Eisentherapie in der Schwangerschaft besteht bei Hämoglobinwerten unter 110 g/l und Serum-Ferritin-Werten unter 30 μg/l. «Mutter und Kind profitieren bereits von einer Eisengabe, wenn nur ein Eisenmangel und keine Anämie besteht», betonte er.

Die Behandlung reduziert nachweislich auch das Risiko für intrauterine Wachstumsretardierung und postpartale Anämie. Die Entscheidung, ob die Eisentherapie peroral oder intravenös erfolgt, beruht vor allem auf individuellen Kriterien. In der ersten Schwangerschaftshälfte wird generell die orale Eisentherapie als erste Wahl empfohlen.

Sollte diese jedoch schlecht vertragen werden (gastrointestinale Nebenwirkungen), oder der Hämoglobinwert ungenügend ansteigen, empfiehlt sich der Wechsel auf intravenöse Eisengabe. «Die Tendenz geht in Richtung intravenöse Eisentherapie, auch in der Schwangerschaft, da die intravenöse Gabe wirksamer ist und weniger gastrointestinale Nebenwirkungen verursacht», erklärte Prof. Surbek.

Mehrere grosse randomisierten Studien belegen die bessere Wirksamkeit einer intravenösen Eisentherapie mit hochdosierter Eisencarboxymaltose im Vergleich zur oralen Gabe, und deren Sicherheit (7,8). «Die Datenlage bietet somit eine gute Basis für die Entscheidung, intravenöse Eisencarboxymaltose in der Schwangerschaft einzusetzen», erklärte der Experte.