Prostatakarzinom: akute Toxizität der Strahlentherapie begünstigt langfristige Nebenwirkungen
Viele Patienten mit Prostatakarzinom gewinnen durch eine erfolgreiche Strahlentherapie an Lebenszeit, doch urogenitale und gastrointestinale Spätfolgen können ihre Lebensqualität erheblich einschränken. Eine aktuelle US-amerikanische Metaanalyse zeigt, dass der Zusammenhang zwischen Akut- und Spättoxizität dabei eine entscheidende Rolle spielt.

Die in Lancet Oncology veröffentlichte Metaanalyse untersuchte Nebenwirkungen der Strahlentherapie beim Prostatakarzinom im Rahmen des MARCAP-Konsortiums (Meta-Analysis of Randomized Trials in Cancer of the Prostate) (1).
Dazu werteten die Forscher die individuellen Daten von 6.593 Patienten aus sechs randomisierten Phase-3-Studien aus. Die Patienten erhielten entweder eine konventionell fraktionierte (n=4.248) oder moderat hypofraktionierte (n=2.345) Strahlentherapie. In einem Teil der Studien wurden zudem patientenberichtete Bewertungen zur Harn- und Darmfunktion (Expanded Prostate Cancer Index Composite) erhoben. Diese Daten berücksichtigten die Forscher, wenn die Werte mindestens das Doppelte des minimalen klinisch bedeutsamen Unterschieds (MCID) erreichten.
Spätfolgen durch Fibrose und chronische Entzündung
Eine Akuttoxizität wird als gesundheitliche Beeinträchtigung definiert, die innerhalb von ≤3 Monaten nach Abschluss der Behandlung auftritt. Von Spättoxizität spricht man, wenn die Folgen erst nach >3 Monaten auftreten.
Typische, als reversibel geltende Symptome der Akuttoxizität beim Prostatakarzinom entstehen etwa durch die strahlungsbedingte Zellschädigungen und Zelltod. Weitere Ursachen sind Nebeneffekte in nicht bestrahlten Zellen und strahlungsbedingte Immunreaktionen, einschliesslich Entzündungen.
Spätfolgen sind hingegen auf komplexe pathophysiologische Prozesse wie Fibrose und chronische Entzündungen zurückzuführen. Sie beeinträchtigen die Lebensqualität der Patienten oft stärker als die Akuttoxizität.
In der Untersuchung zeigte sich ein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen Akuttoxizität, Spättoxizität und einer Verschlechterung der patientenberichteten Lebensqualität.
Urogenitale Toxizität
So war die akute urogenitale Toxizität des Grades 2 oder höher mit einer späten urogenitalen Toxizität des Grades 2 oder höher assoziiert (Odds Ratio [OR]: 2,20; p<0,0001). Fünf Jahre nach Behandlungsende betrug die kumulative Inzidenz der späten urogenitalen Toxizität des Grades 2 oder höher 12,5 Prozent bei Patienten mit, und 7,5 Prozent bei Patienten ohne akute urogenitale Toxizität des Grades 2 oder höher.
Die akute urogenitale Toxizität des Grades 2 oder höher war nicht mit
- Bestrahlungsdosis,
- Anwendung der intensitätsmodulierten Strahlentherapie,
- Androgendeprivationstherapie oder
- Anwendung eines moderat hypofraktionierten Schemas
verbunden.
Die Wahrscheinlichkeit, eine späte urogenitale Toxizität des Grades 2 oder höher zu erleiden, war bei der moderat hypofraktionierten Strahlentherapie im Vergleich zur konventionell fraktionierten Strahlentherapie signifikant höher (OR: 1,37; p=0,0005). Darüber hinaus war die späte urogenitale Toxizität des Grades 2 oder höher statistisch signifikant mit der Höhe der Strahlendosis verbunden.
Die Auswertung der Lebensqualitätsdaten ergab, dass eine akute urogenitale Toxizität des Grades 2 oder höher mit einer Verschlechterung der urinbezogenen Lebensqualität um mindestens das Doppelte des MCID (OR: 1,41; p=0,0002) assoziiert war. Von den betroffenen Patienten erreichten 21,1 Prozent nach einem Median von 30 Monaten wieder den Ausgangswert. 13,8 Prozent erreichten nach 12 Monaten erneut den MCID, während sich 65,1 Prozent sich nicht erholten.
Gastrointestinale Toxizität
Eine akute gastrointestinale Toxizität des Grades 2 oder höher war signifikant mit einer späten gastrointestinalen Toxizität des Grades 2 oder höher (OR, 2.53; p<.0001) assoziiert. Nach fünf Jahren betrug die kumulative Inzidenz der späten gastrointestinalen Toxizität des Grades 2 oder höher 21,5 Prozent bei Patienten mit und 12,5 Prozent bei Patienten ohne akute gastrointestinale Toxizität des Grades 2 oder höher. Die akute gastrointestinale Toxizität des Grades 2 oder höher war statistisch signifikant mit der moderat hypofraktionierten Strahlentherapie assoziiert (OR: 1,49; p=0,0002). Die späte gastrointestinale Toxizität des Grades 2 oder höher war statistisch signifikant mit der Strahlendosis assoziiert.
Den Daten zur Lebensqualität zufolge war eine akute gastrointestinale Toxizität des Grades 2 oder höher mit einer Verschlechterung der darmbezogenen Lebensqualität um mindestens das Doppelte des MCID verbunden (OR, 1.52; p<.0001). Von diesen Patienten erreichten 32,0 Prozent nach einem Median von 24 Monaten wieder den Ausgangswert. 10,9 Prozent erreichten nach einem Median von 12 Monaten wieder den MCID und 57,1 Prozent erholten sich nicht.
Akuttoxizität könnte Ansatzpunkt für Spättoxizität sein
Die Autoren der Studie sehen die Möglichkeit, durch eine gezielte Beeinflussung der Akuttoxizität auch die langfristigen Nebenwirkungen zu reduzieren. Gleichzeitig räumen sie jedoch ein, dass die in ihrer Studie gefundenen Assoziationen vergleichsweise gering sind. Zudem lassen die Daten keine Rückschlüsse auf eine kausale Beziehung zu.
Weitere Limitationen umfassen fehlende Daten zu Begleiterkrankungen, nicht erfasste Störfaktoren sowie Einschränkungen bei den Lebensqualitätsdaten. Letztere fehlten in drei der Studien vollständig und waren in den übrigen Studien nur für 45 Prozent der Patienten vorhanden.
Zudem merken die Autoren an, dass nur die Daten über die schlimmste vom Arzt festgestellte Toxizität zur Verfügung stand, nicht aber über deren Verlauf oder Auflösung über die Zeit.
Weiterlesen
- Nikitas J et al. .
Lancet Oncol 2025 Jan 30; doi: 10.1016/S1470-2045(24)00720-4.