Trauerstörungen diagnostizieren und behandeln
Wenn eine geliebte Person stirbt, ist es ganz natürlich, dass Menschen in Trauer verfallen. Doch wo liegen die Grenzen zu einem pathologischen Verlauf? Und wie kann ein Arzt bei einer anhaltenden Trauerstörung helfen?
Take Home Messages
- Drei bis zehn Prozent der Hinterbliebenen entwickeln eine anhaltende Trauerstörung.
- Die Diagnose erfolgt nach ICD-11, wenn Symptome wie Traurigkeit oder Verleugnung mindestens sechs Monate andauern und Probleme verursachen.
- Psychotherapie, besonders langfristige Trauertherapie, ist die wirksamste Behandlungsmethode.
- Antidepressiva helfen nicht gegen Trauerstörungen, können aber begleitende depressive Symptome lindern.
Drei bis zehn Prozent der Hinterbliebenen, die einen nahestehenden Menschen durch natürliche Ursachen verlieren, leiden an einer anhaltenden Trauerstörung.
Bei unerwarteten Todesfällen, etwa durch Suizid, Mord, Unfall oder Naturkatastrophen, ist der Anteil höher, berichten Dr. Naomi Simon von der New York University und Dr. Katherine Shear von der Columbia University (1).
Wann wird aus Trauer eine Trauerstörung?
Gemäss ICD-11 (International Classification of Diseases and Related Health Problems, 11. Version) liegt eine anhaltende Trauerstörung (Code 6B42) vor, wenn
- Emotionale Schmerzen wie Traurigkeit, Schuld, Wut oder Verleugnung auftreten,
- diese Symptome mindestens sechs Monate andauern und
- sie klinisch bedeutsame Probleme verursachen, die über die kulturell, religiös und sozial erwartete Trauer hinausgehen.
Bei Verdacht auf eine anhaltende Trauerstörung liefert eine ausführliche Anamnese oft Klarheit.
- Simon NM, Shear MK. Prolonged Grief Disorder. N Engl J Med 2024; 391: 1227–1236; doi: 10.1056/NEJMcp2308707