Medical Tribune
25. Nov. 2024Das intestinale Ökosystem ist so individuell wie ein Fingerabdruck

Wann gilt das Darm-Mikrobiom als gesund?

Die Mikrobengemeinschaft im Darm beeinflusst viele Krankheiten. Daher suchen Forscher zunehmend nach Wegen, die Zusammensetzung von Bakterien, Viren und Pilzen zu therapeutischen Zwecken zu verändern. Trotz intensiver Forschung bleibt es jedoch schwierig, ein gesundes Mikrobiom zu definieren.

Gar nicht so einfach zu beurteilen, was bei einem Mikrobiom als gesund gilt.
Design Cells/stock.adobe.com

Das menschliche Darmmikrobiom umfasst eine Vielzahl von Bakterien, Pilzen und Viren. Es erfüllt zahlreiche Aufgaben, wie die Verdauung komplexer Kohlenhydrate und die Regulierung des Immunsystems.

Zudem produzieren die Mikroben bioaktive Verbindungen, die für die Darmgesundheit und die Integrität der Darmbarriere wichtig sind, berichtet ein Team um Dr. Matthias Van Hul von der Université catholique de Louvain in Brüssel (1).

Einflussfaktoren auf das Mikrobiom

Verschiedene Umweltfaktoren beeinflussen das Mikrobiom, darunter

  • Ernährung,
  • Antibiotika,
  • Magen-pH-Wert und
  • Sauerstoffversorgung.

Mit drei bis vier Jahren entwickelt jeder Mensch ein individuelles Mikrobiom, so einzigartig wie ein Fingerabdruck. Nach kurzfristigen Störungen, etwa durch Antibiotika, kehrt das Mikrobiom meist schnell zu seiner ursprünglichen Zusammensetzung zurück. Dauerhafte Einflüsse wie ungesunde Ernährung, Umweltverschmutzung oder häufige Antibiotikaeinnahme können es jedoch langfristig negativ verändern.

Merkmale eines gesunden Mikrobioms

Was kennzeichnet ein gesundes Mikrobiom? Entscheidend scheint die Vielfalt der Spezies zu sein. Eine reduzierte Diversität steht im Zusammenhang mit Krankheiten wie

  • Reizdarm,
  • Adipositas,
  • Typ-2-Diabetes,
  • KHK und
  • Krebs.

Eine hohe Diversität hat jedoch auch Nachteile, wie eine verlängerte Kolontransitzeit. Der positive Effekt der Diversität variiert zudem je nach Genetik, Umwelt und Lebensstil. Diese individuelle Variabilität erschwert es, einen Standard für ein gesundes Mikrobiom festzulegen oder universelle Interventionen zu finden, erklären die Forscher.

Man sucht intensiv nach den Einflüssen einzelner Mikrobenarten, doch die Komplexität des Mikrobioms begrenzt diese Bemühungen. Ein erhöhtes Firmicutes/Bacteroidetes-Verhältnis wird mit Adipositas und anderen Darmerkrankungen in Verbindung gebracht. Ein hoher Anteil von Bifidobacter und Lactobacillus scheint hingegen eine gute Darmfunktion zu fördern.

Ernährung und das Mikrobiom

Eine ballaststoffreiche Ernährung fördert die Produktion von kurzkettigen Fettsäuren, was sich positiv auf Insulinsensitivität und Körpergewicht auswirkt. Butyrat unterstützt die Gesundheit des Darmepithels und spielt eine Schlüsselrolle bei der Prävention entzündlicher Darmerkrankungen. Präbiotika wie Inulin und Oligosaccharide fördern das Wachstum gesunder Bakterien.

Ein hoher Konsum von raffiniertem Zucker und Süssstoffen könnte hingegen die mikrobielle Vielfalt verringern. Auch Emulgatoren, die in verarbeiteten Lebensmitteln die Textur und Haltbarkeit verbessern, können das Mikrobiom negativ beeinflussen. Diskutiert werden etwa Carboxymethylcellulose (E466) und Polysorbat 80 (E433).

Funktionalität des Mikrobioms statt Einzelanalysen

Statt einzelne Bakterienarten zu untersuchen, könnte es sinnvoller sein, die Funktionalität des Mikrobioms als Ganzes zu bewerten, etwa durch metagenomische Analysen. Eine andere Möglichkeit ist die Bestimmung einzelner Metaboliten, die auf eine gute Darmgesundheit hinweisen. Beide Methoden sind jedoch aufwendig.

Einfacher lässt sich die Zusammensetzung der Darmgase durch einen nichtinvasiven Atemtest ermitteln, dessen Aussagekraft jedoch begrenzt ist.

Ausblick: Personalisierte Therapien

Viel Forschung ist nötig, um das Mikrobiom und sein Zusammenspiel mit anderen Organen vollständig zu verstehen. Ziel ist es, Ernährungsinterventionen oder probiotische Behandlungen zu personalisieren, um Gesundheitsprobleme gezielt anzugehen, so das Autorenteam.