Medical Tribune
24. Okt. 2024Winzige Plastikteilchen, grosse Bedrohung

Mikroplastik in der Lunge

Plastik verschwindet nicht einfach, sondern dringt als Partikel aus Mikroplastik und Nanoplastik tief in das Körpergewebe ein. Besonders betroffen ist die Lunge.

Nahaufnahme von Mikroplastik auf der Hand einer Person. Konzept der Wasserverschmutzung und der globalen Erwärmung.
Pcess609/stock.adobe.com
Mikro- und Nano­plastik-Teilchen kommen mittler­weile ubiquitär vor.

Die schädlichen Auswirkungen von Mikroplastik, das über Trinkwasser und Meersalz aufgenommen wird, sind bekannt. Doch die Luftbelastung stellt ein ebenso grosses Problem dar, erklärt Prof. Dr. Christopher Carlsten von der University of British Columbia am ERS 2024 (1).

Mikro- und Nanoplastik (MNP) wird in den kommenden Jahren ein grosses Thema, da diese Partikel allgegenwärtig sind.

Quellen von Mikroplastik in der Luft

Mikroplastik in der Luft stammt unter anderem von Reifenabrieb und landwirtschaftlichen Plastikfolien. Es dauert oft Jahre, bis Kunststoff zu Partikeln von 15 bis 200 µm zerfällt. Diese Mikroplastikteilchen zerfallen weiter in Milliarden von Nanoteilchen (< 1 µm).

Je kleiner sie sind, desto tiefer dringen sie in die Lunge ein. Mikroplastik bleibt in Nase, Rachen und Kehlkopf hängen, während Nanoplastik bis in die Alveolen und ins Gewebe gelangt.

Lunge, Blut und Plazenta

Studien zeigen, dass sich MNP im Körper ablagert, vor allem in der Lunge, die 77 bis 94 % der Gesamtmasse aufnimmt. Überraschend fand man auch Plastikteilchen in Blut, Dick- und Dünndarm.

Eine Studie zur Endarteriektomie entdeckte grosse Mengen Plastik in entfernten Plaques. Auch in Plazentagewebe fanden sich Partikel von 5 bis 10 µm.

Kunststoffarten und ihre gesundheitlichen Auswirkungen

Bei den Kunststoffen handelt es sich in erster Linie um Polyethylen (PE), aber auch um Polyvinylchlorid (PVC), Polyamid (Nylon) und Polyacrylat. Erste Hinweise darauf, dass inhalierter Mikroplastik zu Lungenerkrankungen führen kann, lieferten bereits in den 1990er-Jahren gehäufte Fälle in einem Beflockungsbetrieb in Rhode Island, erinnert Prof. Carlsten.

Feingeschnittene Kunststofffasern wurden dort auf ein mit Klebstoff bestrichenes Material aufgebracht. Die so entstandenen velours- oder samtähnlichen Oberflächen finden sich z. B. in Dekoartikeln oder Brillenetuis.

Die Beschäftigten entwickelten v. a. Bronchiolitiden und Hypersensitivitätspneumonien. Eine weitere Studie beschrieb bereits damals Zusammenhänge zwischen PVC, Polyamid und Polyacrylat mit Fibrose und Krebs.

Zusammenhang zwischen Mikroplastik und Gesundheitsrisiken

Ein Zusammenhang zwischen MNP in Plaques und kardiovaskulären Ereignissen wurde im Follow-up der Endarteriektomie-Studie festgestellt. Betroffene zeigten erhöhte Werte proinflammatorischer Zytokine wie TNF-a und Interleukin-18.

Im Mausmodell lösten winzige Teilchen von Polyacrylat, Polyamid, Polypropylen und PVC entzündliche Prozesse aus, die zu Fibrose und Granulomen führten. Weichmacher wie Dibutylphthalat beeinträchtigen die Lungenfunktion, und verschiedene MNP verstärken allergisches Asthma.

Massnahmen zur Reduzierung der Mikroplastikbelastung

Wie kann man MNP vermeiden? «Verzichten Sie auf Kosmetika, kaufen Sie Kleidung aus natürlichen Materialien, nutzen Sie im Auto Umluft und statten Sie Innenräume mit HEPA-Filtern aus», rät Prof. Carlsten.

Elektroautos erzeugen mehr Reifenabrieb als Verbrenner, da sie schwerer sind. Auch handelsübliche Masken setzen MNP frei. Die Herstellung von Materialien, die Mikroplastik enthalten oder dazu werden, muss reguliert werden. Das Verbot von Mikroperlen in Kosmetika in den USA und Kanada ist ein Anfang.