Medical Tribune
22. Aug. 2024ASCo Annual Meeting 2024

Neue Therapiestandards für Lungenkrebs vorgestellt

Zwei Lungenkrebs-Studien sorgten beim ASCO Annual Meeting 2024 in der Plenary Session für Aufsehen und Applaus. Die LAURA-Studie zeigt, dass Osimertinib neuer Standard bei EGFRm-NSCLC im Stadium III ist. Die ADRIATIC-Studie stellt erstmals seit Jahrzehnten einen neuen Standard für LS-SCLC vor.

Am ASCO wurden zwei neue Standards für den Lungenkrebs vorgestellt.
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Bei etwa einem Drittel der Patienten mit inoperablem nicht-kleinzelligem Lungenkrebs (NSCLC) im Stadium III liegen EGFR-Mutationen vor.

Der aktuelle Therapiestandard, der eine Konsolidierungstherapie mit Durvalumab nach einer Chemoradiotherapie (CRT) umfasst, zeigt bei EGFR-mutiertem NSCLC keine eindeutige Wirkung. Phase-II-Studien belegen jedoch die Wirksamkeit von EGFR-Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI) in dieser Patientengruppe.

Die LAURA-Studie liefert nun die ersten prospektiven Phase-III-Daten für diesen Therapieansatz (1).

Osimertinib beim nicht-kleinzelligen Lungenkrebs

Die LAURA-Studie, eine globale, doppelblinde, placebokontrollierte Phase-III-Studie, untersuchte die Wirksamkeit und Sicherheit von Osimertinib, einem EGFR-TKI der dritten Generation, bei Patienten mit inoperablem EGFR-mutiertem NSCLC im Stadium III nach CRT.

216 Patienten im Alter von 18 Jahren und älter, die eine endgültige CRT ohne Fortschreiten der Erkrankung abgeschlossen hatten, nahmen teil. Sie wurden im Verhältnis 2:1 randomisiert und erhielten entweder Osimertinib (80 mg täglich) oder Placebo, bis die Krankheit fortschritt oder inakzeptable Toxizität auftrat. Patienten in der Placebogruppe erhielten Osimertinib bei bestätigtem Fortschreiten der Erkrankung als Crossover-Therapie.

Der primäre Endpunkt war das progressionsfreie Überleben (PFS), bewertet durch eine verblindete, unabhängige zentrale Überprüfung (BICR). Sekundäre Endpunkte umfassten das Gesamtüberleben (OS) und die Sicherheit.

mPFS unter Osimertinib drastisch verlängert

Zum Zeitpunkt des Data Cut-off hatten 90 Prozent der Personen in der Placebogruppe die Therapie abgebrochen, unter Osimertinib waren es nur 44 Prozent. Nach Progression der Erkrankung erhielten 81 Prozent der Patienten der Placebogruppe Osimertinib.

Die Studie ergab eine signifikante Verbesserung des medianen PFS (mPFS) für die mit Osimertinib behandelten Patienten (39,1 Monate) im Vergleich zur Placebogruppe (5,6 Monate), mit einer Hazard Ratio (HR) von 0,16 (95%-KI: 0,10–0,24; p < 0,001). Die Zweijahres-PFS-Raten betrugen 65 Prozent für Osimertinib und 13 Prozent für Placebo.

Zum Zeitpunkt der Analyse waren bei 68 Prozent der Personen in der Placebogruppe neue Metastasen aufgetreten, verglichen mit 22 Prozent in der Osimertinib-Gruppe. Die Daten zum OS waren noch nicht ausgereift, aber es zeigte sich ein günstiger Trend für Osimertinib. «Die beobachtete Hazard Ratio trat auf, obwohl 81 Prozent der Patienten in der Kontrollgruppe nach dem Fortschreiten der Krankheit in die Osimertinib-Gruppe wechselten» so Dr. Suresh S. Ramalingam, Emory University School of Medicine, Atlanta, Erstautor der Studie.

Sicherheitsprofil überschaubar

Unerwünschte Ereignisse (AEs) jeglicher Ursache traten bei 98 Prozent in der Osimertinib-Gruppe und bei 88 Prozent in der Placebogruppe auf. Schwerwiegende Nebenwirkungen traten bei 38 Prozent der mit Osimertinib behandelten Patienten auf, gegenüber 15 Prozent in der Placebogruppe. Häufigste Nebenwirkung in beiden Gruppen war eine Strahlenpneumonitis (48 % unter Osimertinib vs. 38 % unter Placebo), meist von Schweregrad 1 oder 2.

Bevorzugte Konsolidierungstherapie

Osimertinib zeigt eine signifikante Wirksamkeit bei der Verlängerung des PFS für Patienten mit inoperablem EGFR-mutiertem NSCLC im Stadium III nach CRT und weist ein günstiges Sicherheitsprofil auf. «Die Ergebnisse der LAURA-Studie unterstützen den Einsatz von Osimertinib als neuen Therapiestandard für Patienten mit inoperablem EGFR-mutiertem NSCLC im Stadium III nach CRT», ist Dr. Ramalingam überzeugt. Die Ergebnisse sprechen für eine routinemässige EGFR-Mutationstestung beim NSCLC im Stadium III, um Patienten zu identifizieren, die von Osimertinib profitieren würden.

Neuer Standard für den limited-stage kleinzelligen Lungenkrebs

Das kleinzellige Bronchialkarzinom (SCLC) ist eine aggressive Form von Lungenkrebs, die durch schnelles Wachstum und frühe Metastasierung gekennzeichnet ist. Der Therapiestandard für den limited-stage kleinzelligen Lungenkrebs (LS-SCLC) besteht seit Jahrzehnten aus gleichzeitiger Chemo- und Strahlentherapie. Trotz dieser Behandlung erleiden die meisten Betroffenen innerhalb von zwei Jahren einen Rückfall, und die Langzeitüberlebensrate bleibt gering.

Die ADRIATIC-Studie untersucht den potenziellen Nutzen von Durvalumab, einem Anti-PD-L1-Antikörper, als Konsolidierungstherapie nach der Chemoradiotherapie (CRT).

ADRIATIC-Studie testete Durvalumab beim LS-SCLC

Die ADRIATIC-Studie, eine randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Phase-III-Studie, inkludierte Patienten mit LS-SCLC im Stadium I–III, bei denen nach einer Radiochemotherapie kein Fortschreiten der Erkrankung festgestellt wurde (2). Die Teilnehmer erhielten bis zu zwei Jahre lang entweder Durvalumab (1500 mg), Durvalumab plus Tremelimumab (75 mg) oder Placebo alle vier Wochen. Die primären Endpunkte waren das OS und das PFS.

Durvalumab verbesserte das OS im Vergleich zu Placebo signifikant. Die HR betrug 0,73, was auf eine 27-prozentige Verringerung des Sterberisikos hinweist. Das mediane OS lag bei 55,9 Monaten für Durvalumab gegenüber 33,4 Monaten für Placebo. Die Dreijahres-OS-Raten betrugen 56,5 Prozent für Durvalumab und 47,6 Prozent für Placebo.

Durvalumab zeigte auch eine signifikante Verbesserung des PFS. Die HR betrug 0,76. Das mediane PFS betrug 16,6 Monate für Durvalumab im Vergleich zu 9,2 Monaten für Placebo. Die 24-Monats-PFS-Raten lagen bei 46,2 bzw. 34,2 Prozent. Der Vorteil der Durvalumab-Therapie zeigte sich in allen Subgruppen.

Überschaubare Nebenwirkungen

Unerwünschte Ereignisse vom Grad 3–4 traten in der Durvalumab- und in der Placebogruppe ähnlich häufig auf (24,3 bzw. 24,2 %). Die Zahl der Behandlungsabbrüche aufgrund von unerwünschten Ereignissen war jedoch bei Durvalumab höher (16,3 %) als bei Placebo (10,6 %). Insgesamt entsprachen die berichteten Nebenwirkungen den Beobachtungen früherer Studien mit Durvalumab-Monotherapie nach gleichzeitiger CRT.

Häufigste Nebenwirkung war eine Strahlenpneumonitis, die in beiden Behandlungsarmen bei 23 Prozent der Patienten auftrat, meist von niedrigem Schweregrad. Die Raten für Pneumonitis oder Strahlenpneumonitis des Grades 3–4 betrugen 3,1 Prozent für Durvalumab und 2,6 Prozent für Placebo.

Durvalumab wird neuer Standard

Die ADRIATIC-Studie liefert überzeugende Belege dafür, dass Durvalumab als Konsolidierungstherapie nach einer CRT sowohl das OS als auch das PFS bei Patienten mit LS-SCLC signifikant verbessert. Diese Ergebnisse sind über verschiedene Subgruppen hinweg konsistent. Das Sicherheitsprofil von Durvalumab ist akzeptabel, mit überschaubaren Nebenwirkungen, vergleichbar mit früheren Studien mit Durvalumab-Monotherapie.

Laut Dr. David R. Spigel, SCRI Oncology Partners, Nashville, der die Daten präsentierte, wird Durvalumab der neue Behandlungsstandard für Patienten mit LS-SCLC, die nach der Erstbehandlung mit Radiochemotherapie keinen Progress erlitten haben. Weitere Analysen, einschliesslich des Kombinationsarms mit Tremelimumab, werden zusätzliche Erkenntnisse über den potenziellen Nutzen kombinierter Immuntherapieschemata beim LS-SCLC liefern.