Medical Tribune
29. Juli 2024Lebensstilinterventionen reduzierten genetisches Risiko um Faktor 15

Gesunder Lebensstil gleicht genetisch bedingte Herz-Kreislauf-Erkrankungen aus

Eine neue Studie zeigt, dass besonders Jüngere mit genetischer Vorbelastung für Herz-Kreislauf-Erkrankungen von einem gesünderen Lebensstil profitieren können. So senkten gesündere Ernährung, mehr Bewegung oder ein Rauchstopp ihr Risiko für eine frühe koronare Herzkrankheit.

Besonders Jüngere mit genetischer Vorbelastung profitierten in der chinesischen Studie davon, gesund zu leben.
NDABCREATIVITY/stock.adobe.com
Besonders Jüngere mit genetischer Vorbelastung für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung profitierten in der chinesischen Studie davon, gesund zu leben.

Die prospektive Kohortenstudie (1), veröffentlicht im Journal Nature Human Behaviour, untersuchte die Synergie zwischen polygenen Risikowerten und Lebensstilfaktoren für früh- und spätauftretende Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Besonders jüngere Personen mit hohem genetischen Risiko profitierten darin davon, ungesunde Gewohnheiten zu ändern.

Wer gibt den Ausschlag – Lebensstil oder Gene?

In den letzten Jahrzehnten blieb der Anteil kardiovaskulärer Erkrankungen bei über 50-Jährigen stabil oder nahm ab, während er bei 15- bis 49-Jährigen anstieg. Sowohl Gene als auch Lebensstil tragen massgeblich zur Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei, ist in der Arbeit zu lesen.

Zahlreiche Studien zeigen, dass Menschen mit hohem polygenem Risiko ein signifikant höheres Risiko für koronare Herzkrankheiten, Schlaganfälle und andere kardiovaskuläre Erkrankungen haben.

Gleichzeitig senkt ein gesunder Lebensstil – gesunde Ernährung, regelmässige Bewegung, Vermeidung von Tabak und Alkohol – das Risiko für diese Erkrankungen. Genetische Risikodaten in der Prävention zu berücksichtigen, ist jedoch ein neues Konzept, schreiben die Autoren der China Kadoorie Biobank Collaborative Group. Diese könnten helfen, Menschen zu identifizieren, die besonders von Lebensstiländerungen profitieren.

Um den Einfluss von Genen und Lebensstil zu testen, untersuchten die Forscher 96.400 chinesische Erwachsene (Durchschnittsalter 53 Jahre) in der China Kadoorie Biobank. Die Teilnehmer hatten keine Herzinfarkte oder Schlaganfälle in der Vorgeschichte. Sie wurden in eine Testgruppe mit 72.149 Teilnehmern und eine Trainingsgruppe mit 24.251 Personen unterteilt. Auf Basis der Trainingsgruppe entwickelten die Forscher polygenen Risikoscores (MetaPRS) für koronare Herzkrankheit, ischämischen Schlaganfall und intrazerebrale Blutungen. Diese Scores wendeten sie dann auf die Testgruppe an.

Zusätzlich unterteilte das Forscherteam die Teilnehmer basierend auf deren Selbstangaben zum Lebensstil (z.B. Rauchen, körperliche Aktivität, Ernährung, BMI, Alkoholkonsum) in drei Gruppen: günstig, mittelmässig und ungünstig. Auch in Bezug auf ihr genetisches Risiko wurden die Teilnehmer in drei Gruppen eingeteilt: niedrig, mittel und hoch.

Junge mit hohem genetischem Risiko profitieren besonders

Die Ergebnisse zeigten, dass ein höheres genetisches Risiko eher frühe als spät einsetzende kardiovaskuläre Erkrankungen begünstigte. Als früh galt ein Ereignis bei Männern vor dem Alter von 55 Jahren und bei Frauen vor 65 Jahren. Ein ungesunder Lebensstil erhöhte das Risiko eher für jüngere Teilnehmer unter 60 Jahren als für Ältere. Personen mit hohem genetischen Risiko und ungünstigem Lebensstil hatten das höchste Risiko für die untersuchten Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Umgekehrt konnten gerade Personen in der höchsten genetischen Risikogruppe ihr kardiovaskuläres Risiko durch Lebensstilmassnahmen am meisten senken. Ihr Risiko für eine früh einsetzende koronare Herzkrankheit sank um den Faktor 14,7, wenn sie ihren Lebensstil so anpassten, dass sie von der ungünstigen in die günstige Gruppe wechselten. Auch bei ischämischen Schlaganfällen und spät einsetzender koronarer Herzkrankheit senkte ein gesünderer Lebensstil das Risiko: um 2,5 bzw. 2,6.

Einige Limitationen

Die Studie hat einige Limitationen. Dazu gehört eine begrenzte Generalisierbarkeit, wie die Autoren einräumen. Da die Analyse auf Daten einer spezifischen Bevölkerungsgruppe basiert, erschwert das die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf andere ethnische oder demografische Gruppen. Zudem wurden die Lebensstilinformationen grösstenteils auf Basis von Selbstberichten erhoben, was zu Verzerrungen führen kann.

Der polygene Risikoscore berücksichtigt das Vorliegen von mehreren (hunderten bis tausenden) Genmarkern, die einzeln meist nur eine geringe Wirkung auf ein Krankheitsrisiko haben, dieses in Kombination aber deutlich beeinflussen können.