Medical Tribune
9. Juni 2024Geschlechtsspezifische Unterschiede betreffen Inzidenz, Schweregrad und Outcome

Warum Frauen beim Schlaganfall schlechtere Karten haben

Frauen mit einem Schlaganfall profitieren ähnlich von einer Akutbehandlung wie Männer, erholen sich aber weniger gut. Dr. Laura Westphal, Oberärztin der Klinik für Neurologie im Universitätsspital Zürich, erklärt, welche geschlechtsspezifischen Unterschiede beim Schlaganfall beachtet werden müssen.

Frauen haben bei einem Schlaganfall ab 75 die höhere Mortalität.
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Allgemein erleiden Frauen aufgrund ihrer höheren Lebenserwartung und den mit zunehmendem Alter vermehrt vorhandenen Risikofaktoren, wie z.B. Vorhofflimmern, häufiger einen Schlaganfall als Männer, insbesondere im Alter über 75 Jahre, sagt Dr. Laura Westphal anlässlich ihres Vortrages am ersten Symposium «Sex und Gender in der Neurologie».

Ab 75 haben Frauen eine höhere Schlaganfall-Mortalität als Männer

Die Schlaganfall-assoziierte Mortalität liegt dabei bei Männern unter 65 Jahren höher als bei Frauen. Das ändert sich ab einem Alter von > 75 Jahren. Dann sind Frauen häufiger von Schlaganfall-bedingter Mortalität und Behinderung betroffen (1). Sie haben zudem eine geringere Wahrscheinlichkeit, eine adäquate Sekundärprophylaxe zu erhalten, insbesondere in Form von oralen Antikoagulanzien und lipidsenkenden Therapien (2).

Diese spezifischen Unterschiede lassen sich in erster Linie mit dem höheren Alter und der höheren Lebenserwartung von Patientinnen erklären. «Im Vergleich zu Männern sind Frauen bei Auftreten des Schlaganfalls meist älter und haben schon eine vorbestehende Einschränkung, wenn sie einen Schlaganfall erleiden», sagt Dr. Westphal. Sie leben im Alter häufig allein oder leben vor und nach Schlaganfall häufiger in Pflegezentren

Risikofaktoren: VHF, Hypertonie, Hormone

Auch die Risikofaktoren spielen für die geschlechtsspezifischen epidemiologischen Unterschiede eine Rolle. So sind Frauen deutlich häufiger von Vorhofflimmern (VHF) betroffen. «Hat eine Frau ein Vorhofflimmern, besteht ein doppelt so hohes Schlaganfall-Risiko im Vergleich zu Männern», erklärt die Referentin.

Was den Risikofaktor Bluthochdruck angeht, so treten hypertensive Erkrankungen bei Frauen in zwei Lebensphasen – in der Schwangerschaft sowie in der Postmenopause – besonders häufig auf. Diabetes mellitus und Rauchen sind ausserdem zwar Risikofaktoren, die bei Männern häufiger vorkommen. «Haben aber Frauen ein metabolisches Syndrom oder Diabetes, ist ihr Schlaganfall-Risiko ungleich stärker erhöht als bei Männern», erklärt Dr. Westphal.

Risikofaktor Kontrazeption

Die Hormone spielen ebenfalls eine Rolle. In der reproduktiven Phase erhöht eine Kontrazeption mit einem kombinierten Hormonpräparat vor allem in Kombination mit anderen Risikofaktoren wie Rauchen oder Übergewicht die Wahrscheinlichkeit, einen Schlaganfall zu erleiden (4).

Gefährdet sind auch Frauen in der Menopause. «Mit dem stetig abnehmenden Östrogenspiegel, schwächen sich auch die vasoprotektiven Effekte des Östrogens immer mehr ab», erläuterte die Expertin. Inwieweit eine Hormonersatztherapie das Schlaganfall-Risiko beeinflusst, ist bisher nicht abschliessend geklärt.

Besserer Zugang zu invasiven Methoden erforderlich

Von einer Akutbehandlung durch eine intravenöse Thrombolyse oder endovaskuläre Behandlung profitieren beide Geschlechter gleichermassen (1). Allerdings scheinen Männer mehr von einem operativen Eingriff zur Behandlung einer Carotisstenose zu profitieren, wohingegen Frauen ein höheres Risiko für Schlaganfall, Tod oder Restenose haben, insbesondere in den ersten vier Monaten (5). «Aufgrund der Daten empfiehlt die Europäische Schlaganfallorganisation ESO in ihren Guidelines keine unterschiedliche geschlechtsspezifische Behandlung», sagt Dr. Westphal.

Sie machte noch auf einen Unterschied in der Akutbehandlung hämorrhagischer Schlaganfälle aufmerksam. Demnach bekommen Frauen mit einer intrakraniellen Blutung weniger häufig eine externe Ventrikeldrainage (EVD) gelegt als Männer (6). «Hier muss das Bewusstsein geschärft werden, damit auch Frauen einen besseren Zugang zu den invasiven Methoden wie einer EVD-Anlage bekommen», erklärt sie.