Polymyalgia rheumatica: Therapie abseits von Glukokortikoiden
Die Behandlung von Polymyalgia rheumatica basiert bisher hauptsächlich auf Glukokortikoiden. Langfristig eingesetzt, können diese jedoch unerwünschte Nebenwirkungen verursachen. Neue Behandlungsansätze mit zielgerichteten Therapien könnten eine Alternative darstellen.
Die aktuellen Therapiemöglichkeiten für die Polymyalgia rheumatica (PMR) sind begrenzt, schreiben die Autoren einer neuen Übersichtsarbeit im Journal Lancet (1). Besonders unzureichend, so die Experten, ist die Behandlung aber für Patienten mit schwer behandelbarer PMR und solche mit einem hohen Risiko für Nebenwirkungen durch Glukokortikoide.
Die Therapie mit Glukokortikoiden stellt dabei bisher den Grundpfeiler für die Behandlung der PMR dar. Sie beginnt in der Regel mit 12,5–25,0 mg/d Prednisolonäquivalent, abhängig von Körpergewicht, Komorbiditäten und Rezidivrisiko. Bei starken nächtlichen Schmerzen kann die Dosis dabei aufgeteilt, und ein Drittel davon abends eingenommen werden. Alternativ steht intramuskuläres Methylprednisolon (120 mg, alle drei Wochen) zur Verfügung, das bei Patienten mit geringer Adhärenz gegenüber der oralen Therapie erwogen werden kann.
Nebenwirkungen im Blick behalten!
Nach Erreichen einer Remission kann die Glukokortikoiddosis schrittweise innerhalb von vier bis acht Wochen auf 10 mg/d Prednisolonäquivalent reduziert werden. Anschliessend wird die Tagesdosis jeden Monat um etwa 1 mg verringert, bis die Therapie schliesslich abgesetzt werden kann. Meist ist dies nach neun bis zwölf Monaten der Fall. einige Patienten mit PMR benötigen dennoch eine niedrig dosierte GC-Therapie (≤ 5 mg/d) über mehrere Jahre oder sogar lebenslang.
Eine langfristige orale Glukokortikoidtherapie kann aber selbst in niedrigen Dosierungen potenziell Schäden an verschiedenen Organsystemen verursachen. Bei PMR-Patienten ist daher die Vorbeugung und Behandlung von glukokortikoidbedingten unerwünschten Wirkungen wichtig. Hierzu zählen
- die regelmässige Überwachung von Blutdruck, Serumglukose und kardiovaskulären Risikofaktoren,
- ein Screening auf Osteoporose und gegebenenfalls
- die Einnahme von Kalzium und Vitamin D.
Zur Prävention einer Osteoporose kann in Abhängigkeit des Frakturrisikos eine antiresorptive Therapie in Betracht gezogen werden. Fatigue und Depressionen lassen sich unter anderem durch Bewegung, Muskelstärkung und Selbsthilfegruppen reduzieren.
Immunsuppressiva zur Reduktion von Glukokortikoiden
Darüber hinaus können Immunsuppressiva helfen, Rückfälle zu vermeiden und die Glukokortikoiddosis zu reduzieren. Dabei ist Methotrexat am besten untersucht, allerdings mit widersprüchlichen Ergebnissen. So zeigten drei Studien Hinweise darauf, dass Methotrexat die kumulative Glukokortikoid-Dosis reduzieren bzw. im Vergleich zu Placebo die Rückfallrate verringern kann. Andere Studien konnten diese Beobachtung jedoch nicht stützen. ACR und EULAR empfehlen Methotrexat aktuell für Patienten mit einem hohen Risiko für Rezidive oder eine Glukokortikoid-Langzeittherapie sowie für Patienten, die Risikofaktoren für glukokortikoidbedingte Nebenwirkungen aufweisen – z.B. Osteoporose, Diabetes, Bluthochdruck oder Übergewicht.
Aber auch noch weitere Immunsuppressiva werden aktuell zur Einsparung von Glukokortikoiden untersucht. Beispiele hierfür sind Leflunomid und Azathioprin. Die Evidenz ist bislang allerdings noch nicht ausreichend, um eine klare Empfehlung für den Einsatz bei der PMR zu geben.
Was zielgerichtete Therapien bei der PMR leisten können
Im Bereich der zielgerichteten Therapien überprüfte man zunächst vor allem TNF-α-Blocker bei der PMR. Bislang liess sich allerdings noch kein Nutzen nachweisen, weshalb derzeit keine Empfehlung besteht. Erste vielversprechende Ergebnisse zeigte dahingegen der Interleukin(IL)-6-Rezeptorantagonist Tocilizumab. Die zusätzliche Gabe ermöglichte bei PMR-Patienten im Vergleich zu Placebo nicht nur das schnellere Tapern der Glukokortikoide. Auch die kumulative Glukokortikoid-Dosis konnte auf diese Weise verringert werden.
Wie gross der Nutzen einer Monotherapie mit Tocilizumab ist, steht derzeit aber noch in der Diskussion. An unerwünschten Wirkungen muss man mit einer Erhöhung der Transaminasen, Zytopenie, Hyperlipidämie und Infektionen rechnen. Ebenfalls bei PMR erfolgreich getestet wurde der IL-6-Rezeptorblocker Sarilumab. Er ist inzwischen von der FDA für PMR-Patienten zugelassen, die auf GC nicht ausreichend ansprechen oder vermehrt Rückfälle erleiden.
Nicht geklärt ist bei der Pathogenese der PMR die exakte Rolle der B-Zellen. Einer kleinen randomisierten Studie aus dem Jahr 2021 zufolge könnte aber eine B-Zell-Depletion mit Rituximab bei neu diagnostizierter und rezidivierender PMR durchaus effektiv sein. In einer kleinen klinischen Studie waren 48 Prozent der Patienten der Verumgruppe nach 21 Wochen Glukokortikoid-frei in Remission. Von den mit Placebo Behandelten waren dies nur 21 Prozent.
Die Bestätigung des Nutzens im Rahmen grösserer klinischer Studien steht bislang aber noch aus, aktuell laufen dazu zwei randomisierte Phase-III-Studien.
Auch zu JAKi laufen Studien mit PMR-Patienten
Wissenschaftler setzen bei der Suche nach PMR-Therapien auch auf Januskinaseinhibitoren (JAKi). In einer kleinen Studie bekamen 14 Patienten zusätzlich zu Prednisolon (15 mg/d, danach getapered) Tofacitinib 10 mg/d. 86 Prozent der Patienten erreichten nach 24 Wochen eine Remission unter 2,5 mg Prednisolon/d. Aktuell läuft auch eine Studie mit Baricitinib.
- Espígol-Frigolé G et al. Polymyalgia rheumatica. Lancet 2023; 402: 1459–1472; doi: 10.1016/S0140-6736(23)01310-7