Medical Tribune
10. Juni 2024Hyperthyreose mit Thyreostatika, Radiojod oder operativ angehen

Schilddrüsenüberfunktion erkennen und behandeln

Eine unbehandelte Schilddrüsenüberfunktion kann zu ernsten Komplikationen in verschiedenen Organsystemen führen. Wichtig ist es dabei, die Symptome richtig einzuordnen und die Ursachen frühzeitig zu behandeln.

Eine unbehandelte Schilddrüsenüberfunktion kann zu ernsten Komplikationen in verschiedenen Organsystemen führen.
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In einer neuen Übersichtsarbeit im Journal Lancet nennen Experten den Morbus Basedow, die Schilddrüsenautonomie und die Thyreoiditis als häufigste Ursachen für eine Schilddrüsenüberfunktion (1).

Morbus Basedow, Thyreoiditis, Schilddrüsenautonomie

Morbus Basedow gilt als Autoimmunerkrankung, bei der genetische und Umweltfaktoren (z.B. Jodmangel, Rauchen, Stress und Schwangerschaft) eine Rolle bei der Pathogenese spielen. Die Hyperthyreose beim Morbus Basedow verursachen Autoantikörper, die den Rezeptor für das Thyroidea-stimulierende Hormon (TSH) aktivieren.

Auslöser für eine Thyreoiditis sind unter anderem (virale) Infektionen, Medikamente und Autoimmunvorgänge. Die Entzündung kann zu einer vermehrten Freisetzung von Schilddrüsenhormonen aus den Schilddrüsenfollikeln führen, was unter Umständen zu einer vorübergehenden Hyperthyreose führt, die nach ein bis vier Monaten abklingt, wenn die Hormonvorräte erschöpft sind oder die Entzündung zurückgeht.

Jodmangel führt zu einer chronischen Stimulation der Schilddrüse, was zu einer diffusen oder knotigen Struma und letztendlich zu einer Schilddrüsenautonomie führt. Auch genetische Faktoren, weibliches Geschlecht und Rauchen begünstigen die Entwicklung von Schilddrüsenknoten. Etwa fünf Prozent der Knoten entwickeln eine funktionelle Autonomie, entweder als solitäres autonomes Adenom oder als Teil einer mehrknotigen Struma.

Klinische Zeichen einer Schilddrüsenüberfunktion

Klinisch äussert sich die Hyper­thyreose durch eine Vielzahl an Zeichen und Symptomen, darunter:

  • Struma
  • Schwitzen, warme, feuchte Haut
  • Gewichtsverlust trotz Heisshunger
  • Wärmeintoleranz
  • Tachykardie
  • Belastungsdyspnoe
  • gesteigerte Stuhlfrequenz
  • Nervosität, Ruhelosigkeit, Ängstlichkeit
  • Depression

Typisch für den Morbus Basedow ist ausserdem die endokrine Ophthalmopathie/Orbito­pathie, die zusätzlich zu den vorher genannten Symptomen beobachtet wird.

Ältere Patienten haben eher untypische Symptome

Bei älteren Menschen ist die Hyperthyreose-Symptomatik oft nur gering ausgeprägt, schreiben die Autoren. Bei Senioren sollte man daher bei Gewichtsverlust mit ungeklärter Ursache, Vorhofflimmern bzw. -flattern oder affektiven Störungen etc. differenzialdiagnostisch auch an eine Hyperthyreose denken.

Eine unbehandelte Überfunktion kann insbesondere bei Senioren zu negativen Folgen wie Vorhofflimmern mit konsekutiver Herzinsuffizienz und embolischem Schlaganfall führen. Frakturen treten bei postmenopausalen Frauen mit Hyperthyreose zudem häufiger auf als in der Allgemeinbevölkerung.

Labordiagnostik

Labordiagnostisch zeigen sich bei manifestierter Hyperthyreose erhöhte Konzentrationen von freiem Trijodthyronin (FT3) und freiem Thyroxin (FT4) im Serum, während der TSH-Wert in der Regel unter 0,01 mU/l liegt. Einige Patienten haben lediglich einen erhöhten FT3-Wert bei normalem FT4-Wert. Bei subklinischer Hyperthyreose ist nur der TSH-Wert unterdrückt, während die Schilddrüsenhormone im Normalbereich liegen (s.  Kasten).

Manifest oder subklinisch?

Die manifeste Hyperthyreose ist bio­chemisch definiert durch einen verminderten TSH-Spiegel und erhöhte Konzentrationen an FT4 und/oder FT3. Eine subklinische Hyperthyreose liegt vor, wenn der TSH-Wert erniedrigt ist, aber die FT3- und FT4-Werte normal sind.

Bei Verdacht auf Morbus Basedow, aber ohne vorhandene Ophthalmopathie, kann die Suche nach TSH-Rezeptor-Autoantikörpern hilfreich sein.

Eine Szintigrafie kann in einigen Fällen helfen, die Ursache der Hyperthyreose zu identifizieren, während eine Schilddrüsensonografie dazu dient, Knoten sichtbar zu machen, die bei der Palpation oder Szintigrafie entdeckt wurden.

Propranolol schon seit langer Zeit im Einsatz

Symptome einer Schilddrüsenüberfunktion können mit Betablockern gelindert werden, unabhängig von der Ursache der Hyperthyreose. Seit langer Zeit wird der nichtselektive Betablocker Propranolol (drei- bis viermal täglich 10–40 mg) eingesetzt, doch länger wirksame, selektive Beta-1-Blocker wie Atenolol oder Meto­prolol zeigen ebenfalls Wirkung. Eine Thyreoiditis wird symptomatisch oder mit Glukokortikoiden behandelt.

Zur medikamentösen thyreostatischen Therapie stehen Thiamazol, Carbimazol und Propylthiouracil zur Verfügung. Bei Patienten mit neu diagnostiziertem Morbus Basedow empfehlen aktuelle Leitlinien eine Behandlung mit Carbimazol oder Thiamazol über 12–18 Monate. Wenn der TSH-Wert wieder im Normalbereich liegt und keine TSH-Rezeptor-Autoantikörper mehr nachweisbar sind, kann die Therapie beendet werden. Im Falle eines Rückfalls stehen die Optionen Thyreostatika-Einnahme oder eine definitive Therapie (Radiojodtherapie oder Operation) zur Verfügung.

Bei Patienten mit unifokaler oder multifokaler Schilddrüsenautonomie wurde bisher bevorzugt eine Radiojodtherapie oder eine Operation durchgeführt. Studien zeigen jedoch die Effektivität einer langfris­tigen, niedrig dosierten Therapie mit Thyreostatika – insbesondere bei Senioren oder bei Patienten, für die eine Radiojodtherapie oder ein operativer Eingriff keine gute Option ist. Während der Covid-19-Pandemie wurden nicht dringend erforderliche Operationen und Radiojodtherapien eingeschränkt. Das bewirkte eine weitere Verschiebung in Richtung Thyreostatika