Medical Tribune
16. Mai 2024Zwei Symptom-Cluster bestimmen die Behandlung

Wie die Fibromyalgie-Therapie gelingt

Eine Fibromyalgie geht mit Schmerzen, gestörter Nachtruhe und ausgeprägter Erschöpfung einher. Diese Symptome lassen sich unter anderem auch mit naturheilkundlichen und komplementären Massnahmen lindern. Um effektiv zu sein, müssen diese aber dem Patiententyp angepasst werden.

Bei manchen Fibromyalgie-Patienten schmerzt der ganze Körper, bei anderen dominiert die Unruhe.
fizkes/stock.adobe.com

Noch vor kurzer Zeit galt die Fibromyalgie noch als eine psychisch bedingte Krankheit. Die Betroffenen würden sich dabei ihre Symptome nur einbilden. Heute weiss man es besser, schreiben deutsche Autoren in einer aktuellen Übersichtsarbeit (1).

So ist die Fibromyalgie zwar häufig mit psychischen Störungen assoziiert – gleichzusetzen damit lässt sie sich jedoch keinesfalls, betonen sie.

Medikamente nur kurzfristig einsetzen

Ziel der Fibromyalgie-Behandlung sind die akute Symptomlin­derung, und langfristig die Erhöhung der Resilienz gegenüber Stressoren.

Dabei werden für alle Patienten multimodale Therapieansätze empfohlen, naturheilkundliche und komplementäre Verfahren haben darin einen festen Platz. Die medikamentöse Therapie ist von untergeordneter Bedeutung und sollte, wenn überhaupt, nur zeitlich befristet zum Einsatz kommen.

Inzwischen geht man davon aus, dass der Fibromyalgie pathophysiologisch eine

  • veränderte zentrale Schmerzwahrnehmung,
  • eine Dysfunktion des sympathischen Nervensystems
  • und/oder eine Klein­faserpathologie

zugrunde liegen.

Klinisch haben sich bei der Fibro­myalgie zwei Symptomcluster ­herauskristallisiert, die sich anhand der Schmerz-, Schlaf- und Erschöpfungssymptomatik unterscheiden. Unklar ist jedoch weiterhin, ob die Beschwerden Ursache oder Folge der Erkrankung sind.

Cluster Nr. 1: Chronische Schmerzen

Das vorherrschende Merkmal beim ersten Symptomcluster sind chronische Schmerzen an mehreren Körperregionen. Häufig sind die Betroffenen depressiv verstimmt, körperlich kaum aktiv und mitunter übergewichtig. Diese Patienten profitieren vor allem von vermehrter Bewegung. Besonders hilfreich und laut aktueller S3-Leitlinie (2) empfohlen sind bei diesen Patienten

  • Ausdauertraining über mindes­tens 30 min zwei- bis dreimal pro Woche
  • Krafttraining zweimal pro Woche für 60 min
  • Funktionstraining (Wasser- oder Trockengymnastik) zweimal 30 Minuten pro Woche
  • regelmässiges Yoga und Qigong

Daneben spielt den Autoren zufolge auch die Ernährung eine wichtige Rolle. Sie empfehlen eine nach Vorlieben des Patienten massgeschneiderte pflanzenbasierte Vollwertkost.

Positiv wirkt sich offenbar auch ein fünf- bis siebentägiges Kurzzeitfasten nach Buchinger (unter Anleitung) aus. Um eine evidenzbasierte Empfehlung handelt es sich dabei nicht, Fallserien und die klinischen Erfahrungen der Autoren weisen aber auf einen Effekt hin.

Auch psychotherapeutische Unterstützung kann helfen

Oft fungieren psychosoziale Stressoren (z.B. körperliche Misshandlung, sexueller Missbrauch, Depressivität) als Auslöser für Schmerzexazerbationen. In diesen Fällen helfen eine psychotherapeutische Unterstützung oder ordnungstherapeutische Interventionen. Beispiele dafür sind:

  • Atemtechnik nach Tuna
  • Progressive Muskelentspannung
  • Mind-Body-Interventionen

Wenn erforderlich, können Antidepressiva wie Amitriptylin begleitend eingesetzt werden. Dies ist die einzige in der Leitlinie empfohlene medikamentöse Therapie – auch wenn der Wirkstoff formal keine Zulassung für die Fibromyalgie besitzt. Je nach Patientenpräferenz gehören auch Phytotherapeutika wie Passionsblume oder Johanniskraut zu den Optionen.

Infrarot-A-Hyperthermie lindert die Schmerzen

Gegen den chronischen Schmerz helfen zudem

  • warme Bäder,
  • Sauna und
  • Schwimmen im Thermalwasser.

Die Selbstbestimmtheit bei diesen Massnahmen hilft Patienten auch dabei, sich wieder selbstwirksam zu fühlen.

Gute Erfahrungen haben die beiden Autoren von der Klinik Bamberg aber auch mit der Infrarot-A-Hyperthermie gemacht. Denn diese wirkt schmerzlindernd und antidepressiv, und das Anheben der Körperkerntemperatur auf 38,5 °C setzt auch neuroendokrine und immunologische Reize. So werden T-Lymphozyten gewebegängiger, und vermehrt Interleukin-2 und Gamma-Interferon ausgeschüttet.

Oft hilft die Hypertherapie den Patienten dabei, ihre Schmerzen besser zu lokalisieren. Das ermöglicht an den betroffenen Stellen weitere Behandlungen wie Trockenbürsten nach Kneipp oder Einreibungen mit Rosmarin- oder Malvenöl. Noch ist die Ganzkörperhyperthermie nicht als Empfehlung in die Leitlinien aufgenommen worden. Zur weiteren Klärung der Effektivität planen die Autoren eine Sham-kontrollierte Studie am Klinikum Bamberg.

Schon Einzug gehalten in die Leitlinie hat die Akupunktur. Sie wird auf Basis eines Cochrane-Reviews als Körperakupunktur zur Behandlung der Schmerzen empfohlen.

Cluster Nr. 2: Nicht erholsamer Schlaf und Erschöpfung

Beim zweiten Fibromyalgie-Symptomcluster dominieren nichterholsamer Schlaf plus körperliche und/oder geistige Erschöpfungsneigung.

Diese Patienten neigen eher zur Unruhe. In der Nacht verhindern ausserdem brennende Schmerzen und Missempfindungen in Armen und Beinen eine erholsame Nachtruhe. Im Vordergrund stehen, im Gegensatz zum ersten Symptomcluster, nicht depressive Verstimmungen und Bewegungsmangel. Stattdessen kommen Patienten mit einer Fibromyalgie mit dem zweiten Symptomcluster tagsüber kaum zur Ruhe.

Ihre Leistungsfähigkeit und Lebensqualität sind dabei aufgrund des Schlafmangels jedoch meist eingeschränkt.

Als erstes den Schlaf verbessern

Bei diesen Patienten ist es zielführend, den Schlaf durch eine Reduktion der Missempfindungen zu verbessern.

Zur Besserung der Nachtruhe sind ausserdem schlafanstossende Auflagen (z.B. Lavendelherzauflagen) und Phytotherapeutika wie Baldrian, Lavendelöl oder Melisse eine Option. Ordnungstherapeutische Interventionen können den Tag-Nacht-Rhythmus wiederherstellen, ausserdem sollten achtsame Bewegungsformen wie Qigong etabliert und auf eine gute Schlafhygiene geachtet werden.

Die Hälfte des zweiten Typus der Fibromyalgie-Patienten weist zudem eine Small-Fiber-Polyneuropathie auf. Diesen Patienten können Trockenbürsten und capsaicinhaltige Salben helfen. Möglich ist zudem ein Therapieversuch mit Schmerzmitteln aus Baumrindenextrakten, schreiben die Autoren. Diese haben weniger unerwünschte Wirkungen als die zur Schmerzlinderung häufig eingesetzten NSAR.