Mit Epilepsie sicher durch die Schwangerschaft
Die Epilepsie-Therapie bei Schwangeren und Stillenden ist herausfordernd. So sind etwa neuere anfallssupprimierende Medikamente in dieser Hinsicht noch kaum erforscht. Dennoch lässt sich das gesundheitliche Risiko für Mutter und Kind minimieren.
Etwa ein Sechstel aller Epilepsiepatienten in den USA sind Frauen im gebärfähigen Alter. Es gibt jedoch keine ausreichenden grossen, randomisierten kontrollierten Studien zur Sicherheit von anfallssupprimierenden Medikamenten (ASM) während Schwangerschaft und Stillzeit, bemängeln zwei Neurologinnen.
Es gibt jedoch Hinweise zur Sicherheit einiger Wirkstoffe, die auf Schwangerschaftsregistern, Fall-Kontroll-Studien und einigen grossen prospektiven Kohortenstudien basieren, schreiben Professor Dr. Omotola Hope vom Houston Methodist Sugar Land Hospital und Professor Dr. Katherine Harris von der McGovern Medical School der University of Texas (1).
Valproat erhöht Geburtsdefekt-Risiko
Epilepsie und die Einnahme von ASM erhöhen generell das Risiko für Komplikationen. Bei epileptischen Müttern treten häufiger Frühgeburten und Störungen der fetalen Entwicklung auf. Eine höhere Kaiserschnittrate, die in früheren Studien angedeutet wurde, konnte jedoch in neueren Analysen nicht bestätigt werden.
Die verfügbaren anfallssupprimierenden Wirkstoffe haben unterschiedliche teratogene Eigenschaften. In verschiedenen Untersuchungen hat sich Valproat als besonders negativ erwiesen. Unter der Monotherapie mit diesem Wirkstoff der ersten Generation beträgt die Prävalenz schwerer angeborener Fehlbildungen etwa 10 %. Am häufigsten sind Herzfehler, Hypospadie und Neuralrohrdefekte.
Das Risiko für Geburtsdefekte ist mindestens dreifach höher im Vergleich zu Kindern unbehandelter Epilepsiepatientinnen. Der Effekt scheint dosisabhängig zu sein und tritt häufiger bei Dosierungen um 1.500 mg/d auf als bei Tagesdosen von weniger als 800 mg, so die Autorinnen.
Topiramat erhöht Risiko für Mikrozephalie und Autismus
Auch Phenobarbital und Topiramat haben sich als teratogen erwiesen, wenn auch in etwas geringerem Masse.
In einer norwegischen Studie von 2014 war Topiramat, ein Wirkstoff der zweiten Generation, mit einem erhöhten Risiko für Mikrozephalie (Odds Ratio, OR, 4,8) und einem geringen Geburtsgewicht (small for gestational age, SGA, OR 3,1) verbunden. Unter Topiramat und Valproat besteht ausserdem ein grösseres Risiko für eine Autismus-Spektrum-Störung (4,3 % bzw. 2,7 %) oder eine geistige Behinderung (3,1 % bzw. 2,4 %) beim Kind. Durch eine frühzeitige Planung, Folsäuresupplementierung und bestimmte Überwachungsmassnahmen können einige dieser Risiken verringert werden (siehe Kasten).
Lamotrigin und Levetiracetam «relativ sicher»
Lamotrigin und Levetiracetam, ebenfalls Wirkstoffe der zweiten Generation, gelten laut den Autorinnen als «relativ sicher». Für Wirkstoffe der dritten Generation ist die Datenlage noch zu begrenzt, um robuste Aussagen treffen zu können.
Der Serumspiegel einiger ASM (z.B. Lamotrigin, Levetiracetam, Zonisamid) kann während der Schwangerschaft abnehmen, was zu einer erhöhten Anfallshäufigkeit führen kann. Daher sollte der Spiegel bei diesen Patientinnen routinemässig überwacht werden.
Viele Wirkstoffe erlauben das Stillen bei Epilepsie
In der Vergangenheit gab es Bedenken hinsichtlich des Stillens durch Mütter mit Epilepsie, da die Risiken einer Exposition des Kindes gegenüber ASM über die Muttermilch nicht ausreichend bekannt waren. Mittlerweile ist jedoch der Stand der Forschung so weit fortgeschritten, dass auch Epilepsie-Patientinnen zum Stillen ermutigt werden können, schreiben Professor Hope und Professor Harris.
Als sicher gelten in dieser Hinsicht eine Monotherapie mit Carbamazepin, Lamotrigin, Levetiracetam, Oxcarbazepin, Topiramat, Valproat, Zonisamid und Phenytoin. Wenn die stillende Mutter jedoch Phenobarbital, Primidon, Clobazam oder Clonazepam einnimmt, sollte das Baby engmaschig überwacht werden.
Übernimmt in Zukunft die Neuromodulation?
Neuromodulatorische Verfahren wie die Vagusnerv-, responsive und tiefe Hirnstimulation werden derzeit hauptsächlich bei therapierefraktärer Epilepsie eingesetzt. Nach bisherigen begrenzten Daten scheinen sie sicher zu sein, schreiben die Autorinnen.
Zukünftige Auswertungen von Schwangerschaftsregistern könnten zu einer besseren Evidenz führen. Wenn sich der bisherige Eindruck bestätigt, könnten diese Verfahren in Zukunft häufiger eingesetzt werden, um die Einnahme von ASM während der Schwangerschaft zu reduzieren.
Das Thema Familienplanung bei Patientinnen mit Epilepsie
Erstgespräch | • über Empfängnisverhütung und mögliche Wechselwirkungen zwischen oralen Kontrazeptiva und ASM aufklären • teratogene Risiken und Vorteile von ASM während einer Schwangerschaft besprechen • bei Kinderwunsch Absetzen von Valproat erwägen |
ca. ein Jahr vor der aktiven Familienplanung | • Häufigkeit von Status epileptici und krampfartigen Anfällen beurteilen • Medikation optimieren (Valproat absetzen, Polypharmazie möglichst minimieren) • ASM-Basis-Serumspiegel bestimmen • Beginn einer Folsäuresupplementierung erwägen |
vor einer geplanten Schwangerschaft | • ASM-Serumspiegel überprüfen ν Folsäuresupplementierung beginnen |
zu Beginn der Schwangerschaft | • spätestens jetzt Valproat absetzen und durch Levetiracetam oder Lamotrigin ersetzen • ASM-Serumspiegel überprüfen und bei Bedarf Dosierung anpassen (Ziel: verbesserte Anfallskontrolle) |
zum Ende der Schwangerschaft | • Planung der Entbindung und Besprechen der Stillzeit |
nach der Entbindung | • eine evtl. in der Schwangerschaft erhöhte Lamotrigin-Dosis rasch (innerhalb von 72 Stunden bis 10 Tagen) wieder auf die präkonzeptionelle Dosierung reduzieren • auf Schlafentzug und Stress als mögliche Anfallstrigger achten • bei stillenden Müttern sorgfältig auf Zeichen einer Sedierung beim Säugling achten |
- Hope OA, Harris KM. Management of epilepsy during pregnancy and lactation. BMJ. 2023 Sep 8;382:e074630. doi: 10.1136/bmj-2022-074630