Was die Vagusnervstimulation bei Rheuma bringt
Die Vagusnervstimulation hat bereits bei einigen rheumatologischen Erkrankungen Erfolge gezeigt, befindet sich jedoch noch in den Anfängen ihrer therapeutischen Anwendung.
Laut PD Dr. Olga Seifert von der Universitätsklinik Leipzig sollte sich das vegetative Nervensystem idealerweise im Gleichgewicht befinden (1). Bei Patienten mit rheumatischen Erkrankungen überwiegt jedoch der Sympathikus. Diese autonome Dysbalance ist offenbar ein frühes Symptom, und nicht das Ergebnis der chronischen Entzündung.
Effekte auf die parasympathische Aktivität
In einer Studie aus dem Jahr 2016 wurde die Herzratenvariabilität bei gesunden Personen, Menschen mit Arthralgien und Verdacht auf rheumatoide Arthritis (RA) sowie bei RA-Patienten zur Beurteilung des vegetativen Nervensystems gemessen. Sowohl die Patienten mit Arthralgien als auch diejenigen mit manifestierter RA wiesen im Vergleich zu den Gesunden deutliche Veränderungen der parasympathischen Aktivität auf.
Daher liegt es nahe, das parasympathische System zu beeinflussen. In gewissem Masse gelingt dies bereits mit der antirheumatischen Therapie. Biologika konnten in Studien die parasympathische Aktivität bei RA-Patienten verbessern, während konventionelle DMARDs dies nicht schafften.
Vagusnervstimulation senkt Zytokinproduktion
Eine weitere Möglichkeit ist die direkte Vagusnervstimulation (VNS) mittels elektrischer Impulse. Diese Methode wurde 1988 entwickelt und wird seit Jahren in verschiedenen Formen zur Behandlung von Epilepsie und therapieresistenter Depression eingesetzt. Es scheint, dass die VNS auch bei rheumatischen Erkrankungen wirksam ist, wie PD Dr. Seifert erklärt. In verschiedenen Studien konnte gezeigt werden, dass sie die Produktion inflammatorischer Zytokine (TNF, IL-6, IL-1b) signifikant reduziert.
Auch klinisch konnte ein Effekt nachgewiesen werden. In einer Studie mit RA-Patienten reduzierte die VNS bei Betroffenen mit hoher Krankheitsaktivität signifikant den DAS28-CRP. Eine weitere Untersuchung mittels MRT zeigte, dass eine Vagusnervstimulation die Progression von Erosionen in der Hand reduzierte oder sogar stoppte.
Neben der RA gibt es möglicherweise weitere Anwendungsbereiche für die VNS in der Rheumatologie. Zum Beispiel profitierten Sjögren-Patienten in Bezug auf Fatigue von der VNS. Bei Patienten mit therapieresistenter Fibromyalgie verbesserten sich die Schmerzen nicht nur während der Therapie, sondern der Effekt hielt auch monatelang an.
Besser keine Stimulation mit Geräten in Eigenregie
Es gibt bereits Studien zur Wirksamkeit der VNS, und die Forschung zu diesem Therapieprinzip wird weiter vorangetrieben. Allerdings ist das Verfahren noch nicht bereit für eine Übernahme in die klinische Routine, so PD Dr. Seifert.
Für Patienten, die dennoch ihren Parasympathikus aktivieren möchten, rät die Expertin von verschiedenen frei verkäuflichen Geräten ab. Die Gefahr, unerwünschte Wirkungen durch eine Selbstbehandlung hervorzurufen, sei zu gross. Stattdessen empfiehlt sie Ausdauertraining und körperliche Übungen, die ebenfalls den Vagusnerv aktivieren können.
Yoga scheint ebenfalls einen stimulierenden Effekt auf den Parasympathikus zu haben. In einer Studie mit 166 RA-Patienten verbesserte es nicht nur den DAS28, sondern auch die Herzfrequenzvariabilität der Patienten.
Deutscher Rheumatologiekongress 2023