Medical Tribune
6. Jan. 2024Lebensstilinterventionen sind mitunter so wirksam wie Antiarrhythmika

Verzicht auf Alkohol besänftigt Vorhofflimmern

Alkoholabstinenz ist laut Experten genauso wirksam wie antiarrhythmische Medikamente oder eine Katheterablation bei der Behandlung von Vorhofflimmern. Auch andere Lebensstiländerungen wie Gewichtsreduktion und Sport sollten nicht unterschätzt werden.

Patienten mit Vorhofflimmern sollten ihren Alkoholkonsum auf drei Einheiten pro Woche beschränken.
akhenatonimages/stock.adobe.com
Patienten mit Vorhofflimmern sollten ihren Alkoholkonsum auf drei Einheiten pro Woche beschränken.

Die Evidenz für die gesundheitlichen Vorteile von Alkohol für das Herz sind relativ schwach, betont Professor Dr. ­Peter ­Kistler, Department of Medicine, University of Melbourne (1).

Keine randomisierte Studie belegt Herz-Nutzen von Alkohol

So gibt es etwa keine randomisierten kontrollierten Studien, die einen Nutzen bestätigen. Es gibt auch keine festgelegte Grenze, unterhalb derer der Alkoholkonsum als gesund oder unbedenklich angesehen werden kann. Insbesondere bei Vorhofflimmern gilt Alkohol als häufiger Auslöser.

Man nimmt an, dass sich das atriale Substrat bei regelmässigem Alkoholkonsum durch Entzündungen, oxidativen Stress und Blutdruckanstieg verändert. Und auch ein akuter Alkoholexzess kann durch Mechanismen wie Sympathikusaktivierung und Elektrolytverschiebungen zu Herzrhythmusstörungen führen.

Höhere Inzidenz des Vorhofflimmern bei erhöhtem Alkoholkonsum

Laut einer Metaanalyse steigt die Häufigkeit von Vorhofflimmern um 8 Prozent pro täglich konsumiertem Standarddrink (12 g Alkohol/Drink).

Eine andere Analyse zeigt, dass Vorhofflimmern-Patienten, die regelmässig Alkohol trinken, grössere Vorhöfe und eine reduzierte atriale Funktion haben im Vergleich zu abstinenten Patienten. Diese Beziehung hängt auch von der Menge des Alkoholkonsums ab.

Dies gilt auch für das atriale Remodeling und die Häufigkeit von Vorhofflimmern-Rückfällen nach einer Ablation. Professor Kistler betont, dass Patienten nach einer Ablation nicht einfach weiter Alkohol trinken können, ohne Probleme zu riskieren.

Alcohol-AF-Studie untersuchte Effekt der Alkoholabstinenz auf das Vorhofflimmern

Die Arbeitsgruppe des Experten hat kürzlich eine erste randomisierte Studie durchgeführt, um den Effekt von Alkoholabstinenz zu untersuchen. Die Alcohol-AF-Studie umfasste moderate Trinker mit paroxysmalem Vorhofflimmern (mindestens zwei Episoden in den letzten sechs Monaten) oder persistierendem Vorhofflimmern, das einer Kardioversion bedurfte (2). Die Teilnehmer mussten mindestens zehn Standarddrinks pro Woche konsumieren.

Die Rekrutierung von Patienten für die Studie war sehr schwierig, da potenzielle Teilnehmer das Risiko scheuten, in die Abstinenzgruppe zu gelangen. Die Forscher mussten daher die geplante Teilnehmerzahl und die Studiendauer reduzieren.

Insgesamt wurden 140 Patienten randomisiert, von denen 137 das sechsmonatige Follow-up abschlossen. Zu Beginn hatten sie etwa 16 Standarddrinks pro Woche konsumiert. Im Abstinenzarm nahm der Konsum um 88 Prozent auf 2 Drinks pro Woche ab. Über 60 Prozent der Patienten in dieser Gruppe verzichteten komplett auf Alkohol. Auch in der Kontrollgruppe wurde ein Rückgang des Konsums um 20 Prozent beobachtet.

Verzichten oder maximal drei Drinks pro Woche

Die Abstinenz zeigte Wirkung: Das Vorhofflimmern-freie Überleben verlängerte sich signifikant um 37 Prozent im Vergleich zur Kontrollgruppe. Fast die Hälfte der abstinenten Patienten hatte keine Vorhofflimmer-Episoden mehr, während dies nur auf ein Viertel der Patienten ohne Alkoholverzicht zutraf. In einer multivariaten Analyse erwies sich nur die Abstinenz als signifikanter Prädiktor für das Auftreten von Vorhofflimmer im Vergleich zu anderen Faktoren wie Alter oder Krankheitsdauer.

Professor Kistler zufolge könnte Alkoholabstinenz möglicherweise sogar wirksamer sein als Antiarrhythmika und Katheterablation bei der Behandlung von Vorhofflimmern. Daher sollte Patienten immer geraten werden, Alkohol zu meiden, bevor Medikamente verschrieben oder eine Ablation durchgeführt wird. Wenn ein vollständiger Verzicht nicht möglich ist, sollte der Konsum auf maximal drei Standarddrinks pro Woche begrenzt werden.

Als Therapie von VHF ist sie nach Einschätzung von Prof. Kistler möglicherwiese sogar wirksamer als Antiarrhythmika und Katheterablation. Deshalb sollte man Patienten immer dazu bewegen, Alkohol zu meiden, bevor man ihnen Medikamente verordnet oder zur Ablation schreitet. Wenn eine kompletter Verzicht nicht realisierbar ist, sollte der Konsum möglichst auf drei Standarddrinks pro Woche begrenzt werden.

Auch eine Gewichtsreduktion hilft

Dr. Melissa Middeldorp vom Cedar Sinai Medical Center in Los Angeles betont, dass auch eine Gewichtsreduktion deutliche Auswirkungen auf Vorhofflimmern haben kann. Studien haben gezeigt, dass mit einer Abnahme des Body-Mass-Index (BMI) die Schwere, Häufigkeit und Dauer von Vorhofflimmer-Episoden sowie die damit verbundenen Symptome zurückgehen. Je mehr Gewicht Patienten verlieren, desto grösser ist dieser Effekt.

Um die Motivation zu fördern, sollten konkrete schriftliche Empfehlungen gegeben werden und zunächst kleine erreichbare Ziele angestrebt werden. Das langfristige Ziel sollte eine Gewichtsreduktion von mehr als zehn Prozent und ein BMI unter 27 kg/m2 sein.

Wie aktiv Patienten mit Vorhofflimmern sein sollten

Laut Professor Dr. Lluis Mont, Universität Barcelona, kommt es bei körperlicher Aktivität auf das richtige Mass an. Eine aktuelle Analyse von Daten der UK-Biobank-Kohorte zeigt, dass das Risiko für Vorhofflimmern und ventrikuläre Arrhythmien bei körperlich aktiven Menschen geringer ist als bei inaktiven Menschen.

Es gibt jedoch auch Studien, die darauf hinweisen, dass exzessives körperliches Ausdauertraining über längere Zeit das Risiko für Vorhofflimmern erhöhen kann. Die Lösung dieses scheinbaren Widerspruchs liegt darin, dass die Beziehung zwischen körperlicher Belastung und Vorhofflimmern U-förmig verläuft. Ohne Belastung ist das Risiko erhöht und sinkt dann mit steigender Intensität zunächst ab. Wenn die Intensität weiter zunimmt, steigt das Risiko für Vorhofflimmern wieder an und übertrifft letztendlich sogar das von inaktiven Menschen.